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Ruhrgebiet: Schaustellerin blickt auf Kindheit zurück – „Größter Spielplatz“

Ruhrgebiet: Nina Osselmann ist Schaustellerin. Der Job ist nicht immer leicht, tauschen würde sie jedoch nie. Warum, das hat sie uns verraten.

Ruhrgebiet Schaustellerin Nina Oesselmann
© Chaleen Goehrke/ DER WESTEN

Ein Kindertraum wird wahr - Schaustellerin zeigt ihre Welt

Nina Osselmann ist Schaustellerin und betreibt den Autoscooter "Diamond". Wir durften Sie in ihrem Alltag begleiten.

Ständig laute Musik, Trubel und kaum Schlaf – das ist das Leben von Nina Osselmann. Sie ist Betreiberin des Autoscooters „Diamond“ und von März bis November auf den Rummelplätzen unterwegs – unter anderem im Ruhrgebiet.

Nina Osselmann kann sich einen schöneren Beruf nicht vorstellen. Ihr ist das Schausteller-Gen quasi in die Wiege gelegt worden. Auf der Cranger Kirmes in Herne (Ruhrgebiet) im August 2022 verrät sie, wie das Leben auf der Kirmes als Kind ist und weshalb sie niemals tauschen würde.

Ruhrgebiet: Schausteller-Beruf ist kein Zuckerschlecken – besonders nicht als Frau

„Unsere Familientradition geht bis ins 16. Jahrhundert zurück. Unser Vorfahre war Hufschmied und hat das erste Karussell auf der Haaner Kirmes gebaut“, sagt Nina Osselmann. Als Kind einer Schaustellerfamilie ist sie bereits von Kindesbeinen an auf Rummelplätzen zuhause. „Das war für mich der größte Spielplatz. Da sind wir mit den anderen Kindern rumgelaufen und haben natürlich auch die Fahrgeschäfte ausprobiert“, erinnert sich die 32-Jährige gerne zurück.

Ein Tag im Leben von … ist der Titel unserer Reportage-Reihe bei DER WESTEN. Wir durften über einen bestimmten Zeitraum für einen Tag verschiedene Persönlichkeiten in ihrem (beruflichen) Alltag begleiten. Dabei haben wir erstaunliche Einblicke in den Job, die damit verbundenen Aufgaben, Schwierigkeiten und Chancen bekommen. Hier findest du alle Beiträge.

Dennoch wäre es für ihre Eltern immer wichtig gewesen, dass sie einen geregelten Tagesablauf wie andere Kinder hatte. „Wir hatten immer einen festen Wohnsitz und einen festen Kindergartenplatz. Ich hatte eine Nanny, die am Wochenende aufgepasst hat, wenn meine Eltern auf den Rummelplätzen dieser Welt unterwegs waren. Mittagessen gab es immer im Wohnwagen, da legt eigentlich jede Familie Wert drauf.“

Ruhrgebiet Schaustellerin Nina Oesselmann
Ruhrgebiet: Schaustellerin Nina Osselmann vor ihrem Autoscooter „Diamond“. Foto: Chaleen Goehrke/ DER WESTEN

Heute betreibt sie zusammen mit ihrer Mutter Dagmar den Autoscooter „Diamond.“ Nachdem ihr Vater 2008 verstarb, waren ihre Mutter, die Schwester und sie plötzlich auf sich alleine gestellt. In dem von Männern dominierten Geschäft keine leichte Zeit: „Den Respekt musst du dir schon erarbeiten. Dass sie dich als Frau hier ernstnehmen, ist schon eine Herausforderung.“ Das Mutter-Tochter-Duo hat sich durchgebissen.

Autoscooter-Betreiberin schwärmt: „Dieses Glücksgefühl hast du nur auf der Kirmes“

Auf der Cranger Kirmes verrät Nina Osselmann ihr Erfolgsgeheimnis: „Die Lage des Stellplatzes und die richtige Musik bestimmen je nach Personengruppe, wie viele kommen.“ Ihr Fahrgeschäft ist auf dem neuesten Stand und das müssen sie auch. „Wenn du wettbewerbsfähig sein willst, musst du ständig investieren“, erklärt mir die 31-Jährige. 2019 bekam der „Diamond“ zusätzlich eine neue Fahrbahn.

Im Vergleich zu den anderen drei direkten Konkurrenten haben die Osselmanns die größte Fläche auf der Cranger Kirmes. Auch ein Traditionsgeschäft habe nach Jahren keine Garantie für einen Platz auf dem Kirmesgelände. Jedes Jahr müssen die Schausteller erneut einen Antrag stellen und hoffen von der Konkurrenz nicht ausgestochen zu werden.

Nina Osselmann liebt ihren Job, daher schmerzten die zwei Corona-Jahre nicht nur finanziell: „Ich hatte das Gefühl vom Staat, dass wir nicht systemrelevant sind. Aber als wir wieder angefangen haben, soll nochmal einer sagen, dass man uns Schausteller nicht braucht. Es soll mal hier einer in die Augen der Kinder schauen, wie die strahlen. Dieses Glücksgefühl hast du nur auf der Kirmes.“

Dazu ist die Branche extrem abhängig vom Wetter: „Da machen wir uns nichts vor. Wenn es eine Sturmwarnung gibt und die Kirmes geschlossen wird oder es stark regnet, dann tut das finanziell echt weh.“ Doch in dieser Crange-Saison herrscht Trockenheit und Hitze. Fast schon zu warm, meint die Schaustellerin aus Leidenschaft. Im Kassenhäuschen bekommt man davon wenig mit. Die Klimaanlage läuft und Wasser sowie Cola sind im Kühlschrank kaltgestellt.

Ruhrgebiet: Wenn das Zuhause direkt neben dem Arbeitsplatz liegt

Pause gibt es eigentlich keine, es sei denn Mama Dagmar schaut mal vorbei und löst Nina kurz ab. Sie nutzt die Pause, um schnell zum Wohnwagen zu huschen und die Wäsche aufzuhängen. Ihr Zuhause in den zwei Wochen Cranger Kirmes steht direkt neben dem Autoscooter. Praktisch: So kann Nina direkt nach Feierabend ins Bett fallen.


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Apropos, der Arbeitstag der Autoscooter-Betreiberin fängt um 9 Uhr an und endet gegen 2 Uhr. In der Woche hat die Kirmes zwar ab 0 Uhr geschlossen, doch dann müssen die Einnahmen gezählt, alles sauber gemacht und die lästige Buchhaltung erledigt werden. Und wenn die eine Kirmes endet, geht es auch schon direkt zum nächsten Volksfest. „Ich arbeite hier wahrscheinlich viel mehr als ich es im Büro tun würde, aber es ist ein ganz anderes Lebensgefühl. Man ist das ganze Jahr unterwegs, hat aber immer seine feste Tour und die festen Plätze, sodass es sich dennoch wie zuhause anfühlt“, schwärmt Nina Osselmann.

Um Vollzeit als Schaustellerin und Betreiberin des Autoscooters „Diamond“ arbeiten zu können, kündigte sie einst ihre Festanstellung als Personal-Sachbearbeiterin. Bereut habe sie diesen Schritt nie und würde auch nicht wieder tauschen wollen.  

Wie sich ein Schausteller-Tag für Quereinsteiger anfühlt, kannst du hier nachlesen >>>