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NRW-Wahl: Ist Innenminister Herbert Reul wirklich so erfolgreich – oder ist viel nur PR-Show?

NRW-Wahl: Ist Innenminister Herbert Reul wirklich so erfolgreich – oder ist viel nur PR-Show?

Herbert Reul Polizei NRW

NRW-Wahl: Ist Innenminister Herbert Reul wirklich so erfolgreich – oder ist viel nur PR-Show?

NRW-Wahl: Ist Innenminister Herbert Reul wirklich so erfolgreich – oder ist viel nur PR-Show?

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Innenminister Herbert Reul könnte für seine CDU und Ministerpräsident Hendrik Wüst die Wahl retten. Er gilt als jemand, der anpackt. Bei einer WDR-Umfrage im April zeigten sich 54 Prozent der Befragten zufrieden mit der Arbeit der Landesregierung bei der Bekämpfung von Kriminalität und Verbrechen. Reul stand im Mittelpunkt vor der Wahl. Aber ist er wirklich so erfolgreich gewesen wie es scheint?

In diesem Artikel machen wir den Wahl-Check zum Thema Innere Sicherheit vor der NRW-Wahl: Was hat Herbert Reul wirklich bewegt in den vergangenen fünf Jahren?

NRW-Wahl 2022: Herbert Reul präsentiert Erfolgsbilanzen als Innenminister

Die Fakten sprechen erstmal für Reul: Zum sechsten Mal in Folge ist die erfasste Kriminalität auch im Jahr 2021 in NRW gesunken. Die Fallzahlen sind so niedrig wie zuletzt 1985. NRW ist also sicherer geworden – allerdings setzte dieser Trend schon unter Rot-Grün ein und wurde dann unter Schwarz-Gelb fortgeführt.

Besonders bei Wohnungseinbrüchen kann Reul auf Erfolge verweisen. Im Vergleich zum Jahr 2020 sanken die Fallzahlen um 25 Prozent. Allerdings: In die Karten spielte Reul bei dieser Statistik auch, dass viele Menschen während der Corona-Zeit im Home-Office waren. Das Risiko für Einbrecher war also deutlich höher. Auch bundesweit lässt sich dieses Phänomen beobachten, nicht nur an Rhein und Ruhr.

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Auch bei der Bekämpfung von Straßenkriminalität (niedrigster Stand seit 1990) und Raub (10-Jahres-Tief) meldet das Innenministerium deutliche Fortschritte.

Anders sieht es dagegen bei Cybercrime aus. Bei der Computerkriminalität gab es einen Anstieg um 24 Prozent. „Die Kriminalitätsverschiebung in den digitalen Raum – verstärkt durch die Pandemie – wird auch nach der Pandemie nicht zu stoppen sein“, prognostiziert Reul. Jedoch seien 500 neue Stellen geschaffen worden, um unter anderem Kinderpornografie im Netz besser verfolgen zu können.

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Die erfassten Fälle von Kinderpornografie verzehnfachten sich seit 2017 fast, was jedoch vor allem daran liegt, dass nun weitaus mehr Delikte aufgedeckt werden. „Dieser Zuwachs ist ungeheuer erschreckend. Jedoch ist es nicht so, dass es mehr Pädophilie geben würde, vielmehr unternimmt die Polizei mehr“, erklärt Reul die Zahlen.

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Mehr zu Herbert Reul:

  • Der 69-jährige CDU-Politiker ist seit 2017 NRW-Innenminister.
  • Vor seiner politischen Karriere war er bis 1985 Studienrat an einem Gymnasiuen in Wermelskirchen.
  • Von 1991 bis 2003 war der Generalsekretär der NRW-CDU.
  • Nach vielen Jahren im NRW-Landtag ließ er sich zwischen 2004 bis 2017 ins Europaparlament wählen.
  • Reul ist verheiratet und hat drei erwachsene Töchter.

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Zur Wahrheit der Polizei-Bilanz von Reul gehört auch: NRW ist bei allen Flächenländern in Deutschland Schlusslicht bei der Aufklärungsquote. Nur in den Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen werden weniger Verbrechen aufgeklärt.

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Razzien gegen Clans: Nur PR-Show von Reul oder wirklich effektiv?

Ganz besonders viele Ressourcen wurden von Herbert Reul auf die Bekämpfung der Clankriminalität gelenkt. Der Minister war bei nächtlichen Razzien immer wieder vor Ort. Doch wie viel PR steckte dahinter? Die Wochenzeitung „Die Zeit“ kritisierte jüngst das dürftige Verhältnis zwischen Aufwand und Erfolg dieser „Politik der 1000 Nadelstiche“. Oft werde nur wenig gefunden bei den Razzien, juristische Verfolgungen versanden, so der Vorwurf. „Die Kripo ersäuft in Arbeit, während sich der Minister bei Razzien inszeniert“, meinte Sebastian Fiedler in dem „Zeit“-Artikel. Fiedler war früher Chef der Kripo-Gewerkschaft, heute sitzt er für die SPD im Bundestag.

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Mitten im NRW-Wahlkampf gestehen SPD und Grünen Reul natürlich wenige Erfolge zu. Hartmut Ganzke, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Landtag, sieht es ähnlich kritisch wie sein Genosse Fiedler: „Auf kurzfristigen Beifall ausgerichtete Aktionen dienen der langfristigen Kriminalitätsbekämpfung kaum. Organisierte Kriminalität muss von der Ursache an wirksam und strategisch angegangen werden. NRW muss endlich die Hintermänner von Clans in den Blick nehmen und der organisierten Kriminalität den Geldhahn zudrehen“, erklärt Ganzke gegenüber DerWesten.

Auch Verena Schäffer, Fraktionsvorsitzende und Sprecherin für Innepolitik bei den Grünen, sieht die Razzien kritisch: „Die Linie der Landesregierung zur Bekämpfung der sogenannten Clankriminalität ist hoch fragwürdig. Mit großen medial inszenierten Razzien sorgt Herbert Reul zwar für Schlagzeilen, aber seine Lagebilder ergeben kein seriöses Bild über das Phänomen. Zudem liefert er keine Zahlen über Anklagen und Verurteilungen, was aber tatsächlich Aufschluss über mögliche Erfolge geben würde“, so die Grüne auf Anfrage unserer Redaktion.

Libanesische und arabisch stämmige Personen würden von Reul unter Generalverdacht gestellt, statt „seriös und ohne Inszenierung“ vorzugehen.

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SPD und Grüne gehen hart mit Reul ins Gericht: „Mehr Schein als Sein“

SPD-Politiker Ganzke kritisiert zudem die niedrige Aufklärungsquote von 53,6 Prozent bei Straftaten. Sie sei die „schlechteste aller Flächenländer in Deutschland“. Und dann spricht er noch ein Problem an: „Besonders die Geldautomaten-Sprengungen bekommt die Landesregierung nicht in den Griff. Alleine in den ersten zwei Monaten diesen Jahres gab es 42 Anschläge.“ Diese Anschläge seien schwerste Kriminalität, die Reul bislang einfach laufen lasse. Kurz vor der Wahl hat Reul jetzt jedoch eine fünfköpfige Sonderkommission für Geldautomaten-Sprengungen ins Leben gerufen.

Schäffer nennt weitere Baustellen von Herbert Reul. So sei in NRW die Abbrecherquote in der Polizei-Ausbildung auf 20 Prozent angestiegen. Für die Grüne ein Beleg, dass die Erfolgsbilanz von Reul „in vielen Bereichen mehr Schein als Sein“ ist. Die Kripo habe der Minister auch hängen lassen, Konzepte zur Stärkung der Kriminalpolizei habe er „schmerzlich vermissen lassen“.

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Mehr zur NRW-Wahl:

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Dass die Opposition kritisch ist, ist logisch. Doch was sagen die Polizei-Gewerkschaften in NRW? Wie bewerten sie die Bilanz von Reul? Unsere Redaktion hat nachgebohrt.

„Reul war ein Macher“: Gewerkschaftsboss lobt CDU-Minister

Besonders lobende Worte findet Oliver Huth, NRW-Landesvorsitzender vom Bund deutscher Kriminalbeamter (BdK): „Reul war ein Macher in der Legislaturperiode. Da kann sich der ein oder andere Innenminister eine Scheibe von abschneiden!“ Viele Amtskollegen habe der CDU-Politiker durch sein Wirken in den Schatten gestellt.

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Huth hebt hervor, dass Reul die Polizei in das „Zeitalter der Digitalisierung“ geführt habe. Er habe die richtigen Schwerpunkte in seiner Arbeit gesetzt, gerade bei der Bekämpfung der Kinderpornografie oder bei Cybercrime. Kritisch sieht Huth, ebenso wie die Grüne Schäffer, vor allem die Personallücken bei der Kriminalpolizei. Hier habe Reul zu spät angefangen, die Kripo zu stärken. Man komme dort nicht mehr bei den Aufgaben hinterher. Der Gewerkschaftsvorsitzende spricht von einen Bedarf von 2.000 weiteren Beamten.

Landesregierung hat „richtig Gas gegeben“: Wenig Kritik von Seiten der Polizei-Gewerkschaften

Michael Maatz, Vize-Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei (GdP), findet anerkennende Worte für die Arbeit von Reul. In den Bereichen Kinderpornografie, Wohnungseinbrüche und Kleinkriminalität sei wirklich „richtig Gas gegeben worden seitens der Landesregierung“, auch was die personelle und technische Ausstattung angeht. Seit den schlimmen Vorfällen in Lügde sei ebenso das Problem Kinderpornografie endlich erst genommen worden.

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Genauso bewertet Maatz die Lage bei der Clankriminalität: „Da sind über viele Jahre Fehler passiert, weil man weggeguckt hat.“ Das könne man nicht „von heute auf morgen alles umdrehen, es geht nur konsequent Step by Step“, so Maatz. Der NRW-Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG), Erich Rettinghaus, hält Reul zugute, dass die organisierte Clan-Kriminalität vor 2017 „nicht so intensiv im Fokus“ stand. Das es hier einen Politikwechsel gab, sei „lange überfällig“ gewesen.

Im Bereich Cyberkriminalität brauche die NRW-Polizei aber mehr Experten, findet Maatz von der GdP. Auch im Bereich Rauschgiftkriminalität sei zu wenig Personal im Einsatz. So könne in diesem Bereich „nicht richtig ermittelt werden“, mehr Erfolg wäre möglich. „Es gibt Bereiche, wo man noch aufsatteln kann, aufsatteln muss.“ Die Polizei brauche deshalb weiter hohe Einstellungszahlen und mehr Büroräume, denn die Behörden würden „aus allen Nähten platzen“, sagt Maatz. Auch bei der technischen Ausstattung hinke man zu oft den Verbrechern hinterher.

Rettinghaus von der DPolG sieht dagegen Defizite vor allem im Bereich der Finanzermittlung. Hier gelte es „illegal erlangte Vermögenwerte nachhaltig abzuschöpfen und dem Prinzip ‚follow the money‘ zu folgen“.

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NRW ist sicherer geworden – auch dank der Arbeit von Herbert Reul

Das Fazit unserer Redaktion: NRW ist in den vergangenen Jahren sicherer geworden. Innenminister Herbert Reul hat mit neuen Schwerpunktsetzungen einen unbestreitbaren Anteil daran, auch wenn ihm Corona teilweise in die Karten spielte. Er inszenierte sich medienwirksam als Macher, aber seine Bilanz weist auch tatsächlich Erfolge auf. Der nächste Innenminister wird sich daran messen lassen müssen, sollte Reul nach der Landtagswahl nicht im Amt bleiben.