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Gelsenkirchen: Armutsgefahr! Pottstadt erneut an Spitze trauriger Statistik – SO könnte die Wende gelingen

In Gelsenkirchen leben die meisten Kinder, die von Armut bedroht sind. Doch wie kann den Kindern geholfen werden?

Gelsenkirchen Kinderarmut
© IMAGO / photothek

Bürgergeld, Aktienrente und Kindergrundsicherung: Diese Reformen kommen

Wir stellen einige der geplanten Sozial-Reformen der Ampelkoalition vor.

Seit einigen Jahren gehört Gelsenkirchen zu den Spitzenreitern einer traurigen Statistik. Laut einer aktuellen Studie ist die Armutsquote für Kinder und junge Erwachsene in der Ruhrpott-Stadt am höchsten. Nach fünf Jahren ist Gelsenkirchen damit erneut an einem Tiefpunkt angelangt.

Doch was sind die Ursachen dafür und wie kommt Gelsenkirchen wieder aus der Armutsspirale? DER WESTEN hat mit Christoph Butterwegge, einem deutschen Politikwissenschaftler und Armutsforscher gesprochen. Der Professor der Universität Köln hat konkrete Forderungen an die Politik.

Gelsenkirchen: Kinderarmut am höchsten

Mehr als jedes fünfte Kind und jeder vierte junge Erwachsene in Deutschland gelten nach Berechnungen der Bertelsmann Stiftung als armutsgefährdet. Dem „Factsheet Kinder- und Jugendarmut in Deutschland“ zufolge gelten Kinder als arm, wenn sie auf Grundsicherung angewiesen sind. Bundesweit betrachtet sind die Unterschiede extrem: in Gelsenkirchen liegt die Armutsquote von Kindern und Jugendlichen in Gelsenkirchen bei traurigen 42 Prozent. Im ländlichen Roth in Bayern beträgt sie dagegen „nur“ 3 Prozent.

„Wer als junger Mensch in Armut aufwächst, leidet täglich unter Mangel, Verzicht und Scham und hat zugleich deutlich schlechtere Zukunftsaussichten“, sagte Anette Stein, Direktorin des Programms Bildung und Next Generation bei der Bertelsmann Stiftung. Erstmals seit fünf Jahren ist laut der Studie die Zahl deutlich gestiegen. Die Autoren führen das vor allem auf die Zuwanderung vieler geflüchteter Kinder aus der Ukraine zurück.

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Der Armutsforscher Christoph Butterweg sieht noch andere Gründe für die allgemein bedauerliche Lage in Gelsenkirchen: „Das hat mit dem Niedergang der Kohle-, Eisen- und Stahlindustrie im Ruhrgebiet sowie den hieraus erwachsenen Strukturproblemen zu tun, die offenbar in den vergangenen Jahrzehnten nicht bewältigt wurden.“ Das Problem bestehe bereits zeit Jahrzenten, doch wirklich gehandelt werde nicht. „Nur durch eine gezielte Verbesserung der sozialen, Bildungs- und Betreuungsinfrastruktur kann Gelsenkirchen dafür sorgen, dass Kinder aus materiell schlechten gestellten Familien ähnlich gute Chancen des Aufwachsens haben wie Kinder aus materiell bessergestellten Familien“, betont der Uni-Professor.

Armutsforscher deutlich – DAS muss sich ändern

Damit die Armut in Gelsenkirchen ein Ende hat, bedürfe es verschiedener Maßnahmen: „den Mindestlohn weiter erhöhen, die Regelsätze des Bürgergeldes über die Inflationsrate hinaus anheben und schnell eine armutsfeste und bedarfsgerechte Kindergrundsicherung schaffen“. Für eine schnelle Umsetzung der Kindergrundsicherung spricht sich auch die Bertelsmann Stiftung aus. Die Kindergrundsicherung soll zum einen aus einem Garantiebetrag, der unabhängig vom Einkommen der Eltern und für jedes Kind in gleicher Höhe ausgezahlt werden soll, bestehen. Diese Komponente soll das derzeitige Kindergeld ersetzen. Zum anderen soll die künftige Grundsicherung einen altersgestaffelten Zusatzbeitrag beinhalten – bei diesem fließt die Höhe des Einkommens ein. Die Einführung soll laut Ampel-Koalition jedoch erst 2025 geschehen.  


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Die Eckpunkte für den Reformplan veröffentlichte die Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Die Grünen) erst Mitte Januar 2023. Das von der FDP geführte Finanzministerium kritisierte den Schritt als Schnellschuss und äußerte Finanzierungsbedenken. SPD und Grüne warnten daraufhin den Koalitionspartner vor einer Blockade der Reform. „Mit der FDP gibt es auch in der Ampel-Koalition einen Bremsklotz, was mir wenig Hoffnungen auf einen Durchbruch macht“, äußerte auch Butterwegge gegenüber DER WESTEN seine Sorgen im Kampf gegen die Kinderarmut in Gelsenkirchen aber auch deutschlandweit.