Sky biegt in ein richtungsweisendes Jahr ein. 2024 werden die Bundesliga-Rechte neu vergeben – und der Pay-TV-Riese mischt im Milliarden-Poker ganz vorne mit. Doch nicht nur dieses Thema bewegt schon jetzt Sky und seine Kunden. Tuchel-Zoff, die Formel 1 hinter der Bezahlschranke und die Diskussion um Sportschau und Samstags-Topspiel ebenso.
Im großen Exklusiv-Interview stand Sportchef Charly Classen uns nun Rede und Antwort. In aller Offenheit spricht er über die Ambitionen von Sky bei der Rechtevergabe, den möglichen Einstieg neuer „Big Player“, das Sky-Sportsbar-Sterben – und den Zoff zwischen Thomas Tuchel und den Sky-Experten Hamann und Matthäus.
Sky-Sportchef: „Für Fans wird vieles einfacher“
Hallo, Herr Classen! Herzlichen Glückwunsch zum Dreijährigen. Der Markt für Pay-TV und Sportrechte ist zuletzt immer explosiver geworden. Wie blicken Sie auf ihre drei intensiven Sky-Jahre zurück?
Charly Classen: Sehr zufrieden. Wir haben viel erreicht und viel verändert. Bei den Rechten hat sich einiges getan. Live waren wir schon immer sehr stark. Am meisten aber ist im Non-Live-Bereich passiert. Wenn ich sehe, wie viel umfangreicher unser Programm geworden ist, gerade auch mit den neuen Sportsendern letztes Jahr, ist das toll. Für uns, aber vor allem natürlich für unsere Kunden, die über Livesport hinaus viele großartige Inhalte sehen können. Der Sportrechte-Markt war schon immer umkämpft und wird es immer bleiben. Auch das nächste Jahr wird spannend, es wird sich einiges verändern.
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Die anstehende Rechtevergabe in der Bundesliga wirft ihre Schatten schon voraus. Früher war das für Außenstehende ein bürokratischer Akt. Heute bewegt das Thema Millionen Sportfans. Sollte die DFL mal darüber nachdenken, eine Samstagabend-Show daraus zu machen?
(Lacht) Das können Sie die Kollegen gerne fragen. Ich glaube aber nicht, dass die Show so aufregend wäre. Denn das ist nicht nur ein Topspiel am Samstag, sondern es wird in vielen Arbeitszimmern hart und lange gearbeitet – und das meiste davon ist bei weitem nicht so spannend wie ein 90-Minuten-Match. Wichtig ist, was am Ende dabei rauskommt.
Ganz Fußball-Deutschland diskutiert über diese Rechtevergabe, sie ist zu einem hochemotionalen Thema geworden. Mit welchen Gefühlen geht man als Verantwortlicher in so eine Entscheidung? Auch, weil das Ergebnis für Sky ja zukunftsweisend ist.
Mit positiver Anspannung, aber auch viel Selbstbewusstsein. Es sind sehr wichtige Entscheidungen und ich bin ein Teil des Teams, das sie trifft. Wir sind seit über 30 Jahren der größte Partner der Bundesliga, sind es wahnsinnig gerne und wollen es auch bleiben. Und ich glaube, die Sympathie beruht auf Gegenseitigkeit.
Können Sie den Abonnenten versprechen, dass sie auch 2025 die Bundesliga bei Sky sehen?
Natürlich nicht, das wäre unseriös, denn es ist nicht unsere Entscheidung. Ich bin zuversichtlich, aber wir können nicht beeinflussen, was andere Player machen oder bieten. Wir fokussieren uns auf das, was wir selbst in der Hand haben. Und darin sind wir gut.
Chance oder Risiko: Was bedeutet für Sky der Wegfall der „No Single Buyer Rule“?
Die Fans interessiert vor allem: Kommt alles aus einer Hand? Das hängt ganz davon ab, was in der Auktion passiert. Und die ist nun mal kein Wunschkonzert. Da zählen in erster Linie die harten Fakten: Wer bietet wie viel Geld? Für die DFL zählen aber durchaus auch weitere Faktoren wie Verlässlichkeit.
Doch es gibt noch einen weiteren, weniger beachteten, aber dennoch wichtigen Aspekt: die Vermarktung. Zum Beispiel, ob und wie man Pakete mit DAZN schnüren und der Kunde am Ende beides als Bundle kaufen kann. Ich glaube, dass da für den Fan vieles einfacher wird. Am Ende muss man aber klar sagen: Das Geld ist der wichtigste Faktor. Da kann man auch die Vereine fragen, die ihre Finanzierung sichergestellt haben wollen.
Rechnen Sie damit, dass „Big Player“ wie Prime, Google, Apple oder Netflix in den Poker einsteigen?
Wir planen mit allem. Wenn ich mich umschaue, waren diese Player bei der Vergabe in Italien nicht da. In Frankreich ist Amazon schon Partner, neue kamen aber nicht hinzu. England wird sehr spannend, dort läuft die Vergabe gerade. Ich kann nicht für diese Player sprechen. Eine Frage wäre aber schon, warum sie Deutschland plötzlich wahnsinnig spannend finden sollten, Italien aber nicht. So oder so ist klar: Wir sind vorbereitet. Ich habe auch vor Sky schon erlebt: Es kommen immer Dinge, mit denen man nicht gerechnet hat.
Sie hatten einen kleinen Zwist mit ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky. Es ging darum, dass Sportschau und Samstags-Topspiel zeitgleich laufen.
Ich schätze den Kollegen Balkausky sehr und hoffe, das geht in beide Richtungen. Lassen Sie mich klarstellen: Wir sind absolut nicht gegen die Sportschau, sie spielt eine sehr wichtige Rolle. Sie hat eine unheimliche Relevanz, gibt dem Fußball auch im Free-TV ein großes Schaufenster. Was ich allerdings schwierig finde, ist folgende Tatsache: Topspiel und Sportschau sind die Aushängeschilder der Bundesliga und laufen zeitgleich. Die beiden größten Produkte konkurrieren gegeneinander, das halte ich nicht für besonders klug. Ich weiß, es gibt eine Historie, warum das so ist. Aber die macht es nicht besser, vor allem, wenn man sich zukunftsfähig aufstellen will. Wir würden uns wünschen, dass man sich ergänzt, statt in Konkurrenz zu stehen.
Apropos Zwist: Haben Sie mal das Gespräch mit Thomas Tuchel und den Bayern gesucht?
Wir reden viel mit den Bayern, auch letzte Woche. Das Wichtigste ist, was auf dem Platz passiert. Aber unsere Kunden wollen dazu auch eine Einschätzung. Und wir sind froh, Top-Experten mit einer starken Meinung zu haben. Dass so viel darüber geredet wird, zeigt auch, wie wichtig das Thema vielen Menschen ist. Manche wollen nur das Spiel sehen, andere lieben aber auch das Entertainment drumherum.
Eines will ich dabei betonen: Wir machen das nicht, um eine Reaktion von Tuchel zu provozieren. Er stand offensichtlich unter unheimlichem Druck und manchmal muss sich das einfach entladen. Das ist doch ganz menschlich und wir wollen ja auch menschliche Antworten haben. Je authentischer, desto besser. Kritik soll aber nie persönlich sein. Das Thema wurde an die große Glocke gehängt, am Ende wird es sich beruhigen, man reicht sich die Hände und es geht weiter.
Ein großes Zugpferd ist für Sky auch die Formel 1. Seit Sie dabei sind, läuft die exklusiv im Pay-TV. Wie ist das Resümee nach drei Jahren?
Wir sind sehr zufrieden. Klar, die aktuelle Saison ist sportlich nicht die aufregendste, das sehen wir auch im Quoten-Rückgang. Trotzdem erreichen wir jedes Wochenende 1,4 Millionen Sky-Kunden. Das sind so viele wie 2021, der spannendsten Saison der letzten Jahrzehnte.
Die Formel 1 ist ein unglaubliches Spektakel auf und neben der Strecke. Das gefällt nicht jedem, erzeugt aber eine ganz andere Wahrnehmung. Die Rennen sind spektakulär, dazu haben Fahrer und Teams es geschafft, sich ganz anders zu öffnen. Das hat die Formel 1 hervorragend gemacht. In der Boxengasse reden wir mit den Fahrern noch drei Minuten, bevor sie sozusagen um ihr Leben fahren. Valtteri Bottas haben wir kürzlich interviewt, während er eine Runde gefahren ist. Das bringt eine ganz andere Nähe. Im Fußball ist das Äquivalent noch unvorstellbar – da gibt es also noch viel Luft nach oben.
Die Formel 1 boomt weltweit – auch und wegen des Blicks hinter die Kulissen. Die Bundesliga ist seit Jahren in die entgegengesetzte Richtung unterwegs, igelt sich ein. Klubs gewähren Einblicke am liebsten über die eigenen Kanäle, aalglatt und durchgefiltert. Ein großer Fehler?
Wir wünschen uns mehr Nähe und Authentizität. Und wir wollen den Klubs damit bestimmt nicht schaden – ganz im Gegenteil. Das Interesse am Fußball ist weiterhin auf einem sehr, sehr hohen Niveau. Die Zahl der Kunden, die sich insgesamt in Deutschland entscheiden, ein Abo für Fußball abzuschließen, bleibt aber stabil. In anderen Worten: Wir sehen kein signifikantes Wachstum. Die Frage ist: Wie können wir zusammen mit den Vereinen erreichen, dass mehr Deutsche auch Kunden der TV-Partner werden? Nicht nur von Sky, sondern von allen, die sehr viel Geld für die Rechte ausgeben. Es ist doch ziemlich einfach: Je mehr Geld wir einnehmen, desto mehr können wir letztlich für die Rechte bezahlen und umso mehr kann am Ende auch neu investiert werden. Aber das geht nur, wenn Wachstum generiert wird. Deshalb sind wir im konstruktiven Dialog mit Vereinen und DFL, um auch andere Zielgruppen anzusprechen.
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Einige Experten sehen den Sprung hinter die Bezahlschranke als Problem für die Formel 1. Durch die deutlich geringeren Reichweiten würde das Interesse der Deutschen verschwinden. Was entgegnen Sie dem?
Wir sehen in unseren Einschaltquoten nicht, dass das Interesse fällt. Keine Frage, Pay-TV hat weniger Kunden als Free-TV. Wenn ein Rennen bei RTL läuft, wird es dort immer mehr Quote bekommen. Wir aber geben der Formel 1 eine nie dagewesene Breite. Es gibt einen 24/7-Sender, bei Youtube und Social Media kann man sich alle Highlights umsonst ansehen. Wir verstecken die Formel 1 nicht, sondern machen sie visibel. Diese Kanäle wachsen stark und wir sehen auch bei der jüngeren Zielgruppe eine sehr gute Entwicklung. Sky gibt dem Motorsport ein tolles Zuhause, das neben Formel 1, Indycar, Porsche-Serie und Extreme E ab 2024 jetzt auch die MotoGP beinhaltet.
Der Verlust von Sebastian Vettel und Mick Schumacher war für die deutschen Fans ein schwerer Schlag. Auch für Sky?
Natürlich ist das enttäuschend. Jeder Sport lebt von Charakteren und jedes Land schaut vor allem erst einmal auf die eigenen Sportler. Der Hype wäre größer, wenn Mick Schumacher fahren würde wie Max Verstappen, das ist doch klar. Wir sehen aber gleichzeitig auch, dass das Interesse zunehmend internationaler wird. Es geht noch mehr um tolle Persönlichkeiten und tollen Sport – und die tollen Geschichten, die wir als Sportsender dann erzählen können.
Die NFL-Rechte wollte Sky nicht. Dabei ist sie die aufstrebendste Sportart in Deutschland, erlebt derzeit einen regelrechten Hype. Wenn Sie die Frankfurt-Games schauen – sind sie da nicht traurig, dass Sky nicht dabei ist?
Ich bin absoluter Sportfan und will am liebsten alle Sportrechte haben. Football ist eine super Sportart, die in Deutschland derzeit eine unheimliche Resonanz hat und hervorragend wächst. Ein Fakt des Lebens ist aber auch: Rechte kommen und gehen. Wir schauen uns immer alles an, aber es muss wirtschaftlich Sinn machen und unser Business voranbringen. Die NFL hat sich für eine sehr starke Free-TV-Präsenz in Deutschland entschieden. Das ist nachvollziehbar. Wenn drei Spiele pro Woche frei empfangbar laufen, ab den Playoffs sogar alle – was ist dann der Mehrwert für Pay-TV?
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Zum Schluss noch einmal weg vom heimischen Sky-Receiver. Sky-Sportsbars sind eine aussterbende Art geworden. Kneipen-Besitzer erhoben uns gegenüber den Vorwurf, das sei gewollt, denn sie wären Sky nur ein Dorn im Auge. Will Sky lieber 20 Privatkunden als eine Sportsbar?
Bestimmt nicht. Uns ist das Bar-Geschäft sehr wichtig, es ist eine relevante Säule unseres Geschäfts und das Bar-Produkt eine perfekte Ergänzung unseres Gesamt-Portfolios. Wir sind ein großer Fan davon, wenn Menschen mit vielen Freunden in der Kneipe Fußball schauen, denn Fußball bringt Menschen zusammen, und Sky hilft dadurch vielen Bars. Natürlich wissen wir alle, dass Corona die Branche schwer getroffen hat. Aber ich bin sehr zuversichtlich: Das kommt wieder und wird stärker. Sport bringt Emotionen – und die machen gemeinsam immer mehr Spaß, gerade auch in Sportsbars. Unser klares Ziel ist es daher, weiterhin eng mit unseren Sportsbar-Partnern zusammenzuarbeiten, um zu sehen, wie wir den Bars helfen können, ihr Geschäft besser voranzubringen und von den Sky-Übertragungen noch stärker zu profitieren.