15 Jahre ist es her, dass mir ein zweites Leben geschenkt wurde. Die körperlichen Wunden sind längst verheilt, die seelischen auch. Im Gedächtnis wird eine kleine Narbe für immer bleiben. Ich habe die Loveparade-Katastrophe überlebt. Knapp. Eine falsche Bewegung, ein Hauch weniger Glück und heute würde eine Kerze mit meinem Namen auf der Treppe im Duisburger Karl-Lehr-Tunnel stehen.
Diese Treppe taumelte ich am 24. Juli 2010 nach mehrstündigem Kampf hoch. Ich kam mit Prellungen, Quetschungen und einer traumatischen Erinnerung davon. 21 andere nicht. Ganz selten kommen die Gefühle noch einmal hoch. Die Enge. Sich auf leblose Körper zu stellen, um wieder Luft zu bekommen. Die Ohnmacht, ausgeliefert zu sein. Und die Ohnmacht, den Prozess zum Loveparade-Unglück anzuschauen – ohne eine Hoffnung auf Gerechtigkeit. Ein Kommentar.
Keine Gerechtigkeit nach der Loveparade-Katastrophe
21 Tote, rund 650 Verletzte und viele Angehörige hätten diese Gerechtigkeit verdient. Längst wissen alle: Die wird es nicht geben. Sieben Jahre hatte es allein gedauert, einen Prozess zustande zu bringen. Auf der Anklagebank saßen dann aber größtenteils Bauernopfer. So zumindest war mein Gefühl und das vieler Betroffenen. Die moralisch Verantwortlichen waren nur als Zeugen geladen.

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Vor allem Rainer Schaller und Adolf Sauerland hatten vor dem Event ihr Gesicht in jede Kamera gehalten. Stolz erzählt, das sei ihre Loveparade. Sich die Schulter klopfen lassen. Und die Mega-Party mit aller Macht und entgegen allen Bedenken von Experten durchgedrückt. Nach der Katastrophe waren sie ganz still. Verantwortung wollte plötzlich keiner mehr übernehmen.
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Verurteilt wurde am Ende gar keiner. Das Verfahren gegen die zehn Angeklagten wurde eingestellt, weil dem Gericht das alles zu aufwändig war und zu lange dauerte. Das öffentliche Interesse hatte da schon stark nachgelassen. Meins auch. Ich hatte nie das Gefühl, dass der Prozess wirklich darauf abzielt, die Verantwortlichen der tödlichen Massenpanik zu ermitteln. Auch das ist jetzt schon fünf Jahre her.
Gerechtigkeit, damit habe ich mich abgefunden, wird es nicht geben. Was mir bleibt: Der 24. Juli ist mein zweiter Geburtstag – auch nach 15 Jahren rufen Papa und Mama jedes Jahr an und gratulieren.