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Duisburg: Kinderärzte wollen herzkrankes Baby nicht aufnehmen – Vater verzweifelt: „Was passiert hier eigentlich?“

In Duisburg weiß eine Familie nicht mehr weiter. Bei jeder Kinderarzt-Praxis sind sie bislang abgeblitzt. Und sie sind kein Einzelfall.

Duisburg Baby
© IMAGO / Zoonar

Warum sind Masern eigentlich so gefährlich?

Masern – eigentlich eine Kinderkrankheit, die dank Impfung ausgemerzt sein könnte. Doch warum sind Masern eigentlich so gefährlich – für Kinder wie für Erwachsene?

30 Absagen habe Etienne Kraemer und seine Familie schon bekommen. Seit ihrem Umzug nach Duisburg im April letzten Jahres suche der Familienvater nach einem Kinderarzt für seine vier Kinder. Vor allem für das herzkranke Neugeborene wünscht sich Kraemer einen Facharzt in der Nähe – und kassiere bislang nur Absagen.

Allmählich verzweifele die Familie bei der Suche. Aber dürfen Ärzte neue Patienten wirklich ablehnen und welche anderen Möglichkeiten haben Eltern in solchen Fällen? Antworten gibt Kinderarzt Dr. Axel Gerschlauer. Im Gespräch mit DER WESTEN teilt der Sprecher des Berufsverbandes der Kinder und Jugendärzte (BVKJ) Nordrhein mit, dass er das Problem genau kenne.

Duisburg: Familie findet keinen Kinderarzt

Mit einem Hilferuf wendete sich der Familienvater zunächst an eine Duisburger Facebook-Gruppe. „Wir nehmen das herzkranke Baby nicht auf, keine Kapazitäten frei. Wenn wir das Baby aufnehmen, müssten wir ihre anderen Kinder auch aufnehmen“, sei jedes Mal die Antwort gewesen. „Das ist doch bekloppt, was passiert hier eigentlich?“

„Wir waren bei 30 Kinderärzten in einem Umkreis von 30 Kilometern und wurden überall abgelehnt. Unser Baby ist im Dezember 2022 mit einem Loch im Herzen und einer verengten Lunge auf die Welt gekommen, deshalb muss sie regelmäßig kontrolliert werden“, verrät Etienne Kraemer im Gespräch mit DER WESTEN. Doch kein Arzt habe das neugeborene Mädchen und schon gar nicht alle vier Kinder aufnehmen wollen, so der 34-Jährige.

Grundsätzlich sind Ärzte mit einer Kassenzulassung verpflichtet, gesetzlich Versicherte zu behandeln. Doch laut der Unabhängigen Patientenberatung (UPD) gibt es Ausnahmen. Wenn eine Praxis beispielsweise überlastet ist, können Neupatienten abgelehnt werden. Bei medizinischen Notfällen dürfen Ärzte die Aufnahme nicht verweigern. Doch kann es tatsächlich sein, dass bei allen Praxen, bei denen die Familie vorstellig war, die Belastungsgrenze bereits erreicht ist?

Kinderarzt spricht Klartext: „Keine Chance“

Axel Gerschlauer, Pressesprecher des BVKJ Nordrhein, hat eine klare Antwort auf diese Frage: „Das ist nicht nur ein kleines Problem, das ist eine Katastrophe. Der Vater wird wahrscheinlich auch keinen Kinderarzt finden! Das Problem hat sich seit 15 Jahren angekündigt. Der Vater hat wahrscheinlich keine Chance irgendwo aufgenommen zu werden, weil es einen massiven Mangel an Kinder- und Jugendärzten gibt.“

Das Problem sei jedoch nicht nur in Duisburg oder NRW so, sondern würde auf ganz Deutschland zutreffen. Und werde laut dem Kinderarzt auch immer schlimmer. „Wir Ärzte haben schon immer gesagt, dass der Tag kommen wird, an dem die Kinder nicht mehr richtig versorgt werden können. Wir brauchen mehr Medizin-Studienplätze, eine bessere Ausbildung der Assistenzärzte, die am besten direkt mit in die Praxen kommen. Es benötigt einfach eine Verbesserung der Work-Life-Balance, weil wir so einfach keine Nachfolger mehr finden“, wird Gerschlauer deutlich.

Der Vater von drei Kindern betreibt selbst eine Gemeinschaftspraxis in Bonn und kennt die angespannte Situation aus eigener Erfahrung: „Wir lehnen jede Woche Leute ab. Ich arbeite schon 50 Stunden die Woche, mehr geht nicht. Wir nehmen einen gewissen Anteil an Neugeborenen auf und ich versuche die Kriegsflüchtlinge unterzubringen. Aber Wechsler oder Zugezogene haben auch bei uns keine Chance. Es tut einem im Herzen weh, Kinder abzulehnen.“

DAS können betroffene Eltern tun

Für Eltern wie dem Ehepaar Kraemer hat der Kinderarzt zwei Tipps: „Zum einen sollten sie unter der 116117 bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) anrufen. Das ist die Stelle, wo man bundesweit einen Termin vermittelt bekommt. Und die Eltern sollten sich auf jeden Fall bei ihrem lokalen Politiker und beim Bundesabgeordneten beschweren. Das ist die einzige Chance, die wir haben, wenn die Eltern Druck machen und sich bei denen wehren, die alles verbockt haben.“ Ärzte sind verpflichtet, eine gewisse Zahl an freien Terminen zu melden, die dann über den Patientenservice der KV vergeben werden. Laut einem Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein (KVO) gebe es in Duisburg rund 40 Kinderärzte.


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Etienne Kraemer habe diesen Service ebenfalls in Anspruch genommen, doch einen dauerhaften Kinderarzt für seine Sprösslinge dadurch nicht gefunden. Immerhin habe ein Hausarzt die vier Kinder inzwischen aufgenommen. Aber die Hoffnung einen Kinderarzt in Duisburg zu bekommen, will die Familie weiterhin nicht aufgeben.