Für manche ist das „Nazi-Kiez“ in Dortmund eine No-Go-Area. Nicht für Stefan*. Der linke Aktivist und Blogger lief nicht nur mit Kamera bewaffnet hinein – er kündigte seinen Besuch sogar an. Und das, obwohl er von führenden Köpfen der Dortmunder Rechtsextremisten seit Monaten bedroht werde.
Die Aktion endete mit einer Rangelei und einem Polizei-Einsatz (hier mehr). Während 13 einschlägig bekannte Rechtsextremisten festgenommen wurden, nun der Staatsschutz gegen sie ermittelt, ging er fast unbeschadet nach Hause. In der Tasche zahlreiche abgerissene Aufkleber mit Propaganda – und einer Botschaft, die die Bewohner des Nazi-Kiez in Dortmund zur Weißglut treiben dürfte.
Dortmund: Aktivist von 13 Neonazis angegriffen
Seit Monaten erlebt Stefan, im Netz als „Anti-AfD 4“ unterwegs, üble Bedrohungen aus der rechtsextremen Szene. „Anfang August letzten Jahres wurde ich durch die Kriminalpolizei Dortmund per Post darauf aufmerksam, dass es auf ‚X‘ einen vollumfänglichen personenbezogenen Leak über mich gibt, wo sogar Bilder und Adresse veröffentlicht wurden“, berichtet er.
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„Jagt jeden Linken aus eurer Stadt. Anti Antifa“, heiße es darin. Kurz darauf habe er weitere Drohungen per Instagram erhalten. Gegen die gehe er inzwischen juristisch vor. Die Einschüchterungsversuche scheinen bei ihm aber nicht zu wirken. Statt sich ängstlich zurückzuziehen, sucht der linke Aktivist die Konfrontation.
Dortmunder Aktivist kündigte Besuch im Nazi-Kiez an
„Den heutigen Tag verbringe ich in Dorstfeld, um Nazi-Propaganda zu entfernen und mir nach Jahren wieder einen ordentlichen Eindruck der Lage in Dorstfeld zu verschaffen“, schrieb er öffentlich auf X, kündigte damit seinen Besuch im Nazi-Kiez an, obwohl er weiß, dass er von führenden Köpfen der dortigen rechtsextremen Szene genau beobachtet wird. „Zu lange ist mein Aktivismus im Raum Dorstfeld auf der Strecke geblieben. Es wird wieder Zeit!“
Mit einer Action-Cam zog er am Samstag (20. Januar) nach Dorstfeld, das deutschlandweit traurige Berühmtheit als rechtsextreme Keimzelle erlangt hat, um die aktuelle Situation dort zu dokumentieren. Gegenüber DER WESTEN berichtet er von dem „Besuch“, der in einem äußerst gefährlichen Aufeinandertreffen endete.
„In diesem Moment kamen sie aus allen Himmelsrichtungen“
Nachdem er einige Zeit unbeobachtet durch die Straßen laufen konnte, seien vier Personen hinter ihm aufgetaucht, von denen er einige kannte. Einschlägig vorbestrafte Neonazis wie Lennard K., Brian B. und Alessandro M., so berichtet er, seien ihm auf Schritt und Tritt gefolgt. „Irgendwann wurde mir das zu komisch und ich blieb stehen“, erzählt er. Dann wurde es hässlich. Die Neonazis seien auf ihn zugegangen, hätten ihn bedrängt und aufgefordert, zu verschwinden. Er tat es nicht, ging weiter, versuchte erfolglos, seine Verfolger abzuschütteln.
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Zurück in der Thusneldastraße wurde er schließlich angegriffen. „Plötzlich kam ein total aggressiver Mann auf mich zu, als ich auf Steinen saß, und forderte mich auf, mich zu verpissen. Er wurde bedrohlich, beugte sich über mich und hielt seinen Kopf nah an mein Gesicht. Ich stand auf und meinte, er solle sich erstmal beruhigen, weil man vernünftig reden kann. In diesem Moment kamen aus allen Himmelsrichtungen Rechtsextremisten. Auch die vier Verfolger. Man umkreiste mich und einer der Verfolger, Brian B., schubste mich zu Boden.“
Notruf befreit ihn aus der gefährlichen Situation
„Einige Neonazis wollten nach mir treten, als ich am Boden lag. Ein weiterer hielt die Menge zurück. Ich musste mich verteidigen, was ich erfolgreich schaffte. Es gibt mehrere Zeugen“, berichtet er von dem Vorfall in Dortmund. „Während der Rangelei riss Lennard K. meine am Rucksack befestigte Bodycam brutal ab. Ich schubste mich mit aller Gewalt aus dem Kreis heraus und konnte so Abstand zur Menge gewinnen. Dann rief ich den Notruf.“
Die Täter hätten sich in ein Haus in der Thusneldastraße zurückgezogen, wurden dort jedoch allesamt von der Polizei herausgeholt und vorläufig festgenommen. Während des Einsatzes musste er weiter üble Beleidigungen und Bedrohungen über sich ergehen lassen. Das brachte den Tätern weitere Anzeigen ein. „Zum Glück ist nichts Schlimmeres passiert“, resümiert Stefan. „Die hatten Schiss, mir etwas anzutun. Vermutlich wegen meiner Kamera.“ Während er bis auf einen Sturz aufs Knie unbeschadet aus der Situation herauskam, hagelte es Festnahmen und Anzeigen für die Extremisten aus dem Nazi-Kiez. Nun ermittelt der Staatsschutz.
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Zurück zuhause setzte er noch eine Botschaft an die Rechtsextremisten ab, die die zur Weißglut treiben dürfte. „Insgesamt ist die Nazi-Szene in Dorstfeld mehr als verkümmert. Total runtergekommene Räumlichkeiten in der Thusneldastraße und drum herum. Wenig Propaganda und verzweifelte Gewalttaten, um das frühere Bild des vermeintlich stolzen und starken Nazi-Viertels aufrecht zu erhalten. Dieses Viertel scheint nicht mehr lange zu bestehen.“
*Name geändert