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Michelle bemängelt Nachwuchs-Mangel im Schlager: „Alles ist ein Brei geworden“

2026 nimmt Michelle Abschied von der großen Bühne. Im großen Interview spricht die Sängerin über Nachwuchsmangel im Schlager.

© IMAGO/STAR-MEDIA

Styling-Queen mit großer Stimme

Sie ist eine Schlager-Legende: Michelle. Anfang der 90er-Jahre gelang der Sängerin, die im echten Leben Tanja Hewer heißt, der große Durchbruch. Seitdem ist Michelle aus der Musikszene dieses Landes nicht mehr wegzudenken.

Umso schwerer wird es ihren Fans fallen, sie im Frühjahr 2026 gehen zu lassen. Noch einmal wird Michelle im Rahmen ihrer „Zum letzten Mal – Flutlicht“-Tournee auf den großen Bühnen stehen. Dann ist Schluss. Warum sie das gar nicht beunruhigt, erzählt uns Michelle im großen Interview.

Wann reifte in dir der Entschluss zu sagen, jetzt ist Schluss?

Ich glaube, das war ein Prozess. Das ist keine Entscheidung, die ich aus einer Stimmung heraus getroffen habe. Es war wirklich ein längerer Prozess, der mich einige Zeit beschäftigt und am Ende zu diesem Entschluss gebracht hat. Das große Ding ist aber die ewige Reiserei, dieses ewige weg sein von zu Hause. Ich glaube, das ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um auch etwas Ruhe in mich selbst hineinzubekommen.

Ist es eine frühzeitige Rente?

Nein, ich bin kein Mensch, der sich auf die faule Haut legt. Das bin ich nicht und werde ich auch in meinem Leben nicht mehr werden. Es werden sich Türen öffnen, und wohin mich mein Weg dann führt, das muss ich sehen. Ich lasse mich einfach ein bisschen fließen und dann sieht man, wie es weiter geht. Oder auch was weitergeht (lacht).

Macht dir der Gedanke Sorge, dass plötzlich etwas ganz Neues beginnt?

Nein, Sorgen habe ich keine, was das angeht. Ich habe diese Entscheidung bewusst getroffen. Ich blicke voller Zuversicht in eine nächste Ära.

Die Konzerte starten im Januar kommenden Jahres. Sind die Vorbereitungen bereits gestartet?

Wir stecken schon ein bisschen in den Vorbereitungen. Die Setlist legen wir gerade fest. Welche Songs dürfen keinesfalls fehlen, was bauen wir drumherum, wie werden die Arrangements angelegt. Wir sind da jetzt in den ersten Zügen. Im Endeffekt geht die Zeit dann aber schnell um. Man sagt immer: Das ist noch ewig hin, und plötzlich stehen die Konzerte vor der Tür. Dazu kommt, dass ich ja auch jetzt noch jedes Wochenende unterwegs bin. Von daher bleibt erst mal noch alles beim Alten, und die Tourvorbereitung läuft parallel mit.

Du hast die Setlist angesprochen. Welche Lieder dürfen auf der Abschiedstour keinesfalls fehlen?

„Paris“ wird dabei sein, „Wer Liebe lebt“, „Nicht verdient“, „Idiot“ darf nicht fehlen. Die großen Hits. Wir versuchen aber die ganzen 33 Jahre abzubilden. Also auch Songs, die man auf Konzerten nicht so häufig gespielt hat, aber doch wichtige Wegweiser waren. Wir müssen natürlich darauf achten, dass wir nicht zu viel auswählen, wir können ja kein fünfstündiges Konzert spielen (lacht). Die Schwierigkeit wird also darin liegen, zu überlegen: Was nimmt man rein, was nimmt man raus? Wo ist es sinnvoll ein Medley zu machen?


Die Termine von Michelles „Zum letzten Mal – Flutlicht“-Tournee:

  • 18. Januar 2026 – Lingen
  • 19. Januar 2026 – Bielefeld
  • 21. Januar 2026 – Zwickau
  • 22. Januar 2026 – Berlin
  • 23. Januar 2026 – Leipzig
  • 25. Januar 2026 – Nürnberg
  • 27. Januar 2026 – Erfurt
  • 28. Januar 2026 – Hannover
  • 30. Januar 2026 – Magdeburg
  • 31. Januar 2026 – Hamburg
  • 1. Februar 2026 – Oberhausen
  • 3. Februar 2026 – Stuttgart
  • 4. Februar 2026 – Frankfurt
  • 5. Februar 2026 – Köln
  • 7. Februar 2026 – Cottbus
  • 9. Februar 2026 – Chemnitz
  • 10. Februar 2026 – Rostock
  • 13. Februar 2026 – Wien

Fünf Stunden Michelle – da würde sich sicherlich kein Fan beschweren.

(lacht) Ein bisschen überziehen werden wir sicherlich. Aber klar, wir dürfen den Rahmen nicht massiv sprengen. Ganz egal, welche Songs wir spielen, irgendjemand wird immer sagen: ‚Warum habt ihr den Song nicht gespielt? Man, das ist doch mein Song.‘ Zu hundert Prozent gerecht werden, kann man keinem. Aber das ist auch nicht die Aufgabe. Es geht darum, gemeinsam einen schönen Abend zu verbringen. Und das werden wir zu 100 Prozent.

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Du spielst am 11. Juli mit Eric auf Rügen. Worauf dürfen sich die Fans freuen?

Ich muss gestehen, dass ich noch gar nicht so recht einschätzen kann, wie das Publikum dort sein wird. Rügen ist keine „Michelle-Ecke“. Es gibt Ecken, die typische „Michelle-Ecken“ sind, aber auch welche, in denen man weniger präsent ist. Ich freue mich riesig auf das Konzert, live mit Band, eine schöne Location. Ich hoffe, dass das Wetter mitspielt und wir einen tollen Abend haben.

Wo liegen denn die „Michelle-Ecken“?

Auf jeden Fall im NRW-Bereich. Aber auch Berlin, Dresden, Wien, der Ruhrpott natürlich. Das ist so der Kern. Aber alles, was hinter Hamburg liegt, wird schwer. Man hat einfach Ecken, in denen man selten stattfindet, weil es einfach kein Michelle-Publikum ist. Woran das auch immer liegt, das haben wir noch nicht herausgefunden. Aber ich glaube, das gibt es bei jedem Künstler.

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Verfolgst du eigentlich noch den ESC?

Auf jeden Fall. Ich muss aber auch ehrlich sagen, dass ich in den vergangenen Jahren selten einen ESC konsequent durchgucken konnte, weil es eben auch sehr langweilig war. Den letzten aber habe ich komplett geschaut. Ein riesiges Kompliment an die Schweiz, das Bühnenbild war unfassbar. Was da auf die Beine gestellt wurde, war wirklich beeindruckend, und das sage ich wirklich selten. Jeder Song hat wie ein Video gewirkt, der Sound … das war einzigartig. Ich bin mir sicher, das wird keiner mehr so hinbekommen wie die Schweiz. Das kann man fast nicht besser machen.

Aber Lust zum Abschied noch einmal anzutreten, hast du nicht?

Nein! Wir sind in einer völlig anderen musikalischen Zeit angekommen. Der Song, der dieses Jahr gewonnen hat, zeigt mir aber, dass es wieder um Emotionen und Musik geht. Es geht um anders sein, um besonders sein, und nicht um bummbumm und lala. Das hat mir wirklich sehr gut gefallen.

Wobei ich auch unserem Song ein paar Punkte mehr gewünscht hätte.

Man darf nicht vergessen, das ist ein internationaler Wettbewerb. Und da ist natürlich die Aussage „Baller“ ein bisschen zu wenig. Ich würde mir wünschen, dass es auch bei uns wieder mehr in Richtung Tiefe geht. Wir haben gerade eine sehr schwere Zeit, auch im Schlager. Ich habe das Gefühl, dass sich viel zu wenig tut. Es geht immer weniger um Inhalte, alles ist sehr oberflächlich.

Was braucht es, dass der deutsche Schlager wieder auf ein höheres Niveau kommt?

Ich glaube, die Corona-Krise hat an der derzeitigen Situation einen maßgeblichen Anteil. Die Leute haben das Gefühl, dass sie wieder mehr feiern müssen. Deswegen boomt diese ganze Ballermann-Geschichte so. Die Menschen haben immer noch einen Nachholbedarf an Einfachheit und Leichtigkeit. Ich will das gar nicht stumpf nennen. Das ist Geschmackssache. Alles hat seine Berechtigung.

Aber ich glaube schon, dass es gerade im Schlagerbereich massiv an weiblichen Künstlern mangelt. Es kommt nichts Neues, Spezielles, Exklusives nach. Da ist keine auffällige Stimme. Nichts, wo man sagt, das ist wirklich gut. Alles ist ein Brei geworden.



Auffällige Stimmen wie du, Andrea Berg, Helene …

Das ist ja die alte Garde. Bis auf Helene. Von den Neuen fallen mir nicht viele ein, bei denen ich denke, dass es sie auch in zehn Jahren noch erfolgreich sind. Ich bin sehr gespannt, wo das hinläuft. Aber ich bin da sehr neugierig und werde es weiterverfolgen.

Was ist mit Marie?

Marie ist ein Paradiesvogel, sie ist in ihrer Art einzigartig und passt noch in keine Schublade. Ich glaube, deswegen hat sie es im Moment auch noch nicht so leicht. Viele Newcomer sind eher vorsichtig, bleiben relativ neutral. Und da kann sich Marie abheben. Eben, weil sie anders ist. Sie muss sich aber treu bleiben. Das ist ein Weg. Aber diesen Weg wird sie gehen, ich kenne ja meine Tochter.