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NRW: Experten enthüllen traurige Statistik – „Nur die Spitze des Eisbergs“

NRW hat sich dem Kampf eines großen strukturellen Problems verschrieben. Doch scheint sich die Situation immer mehr zu verschlimmern.

Frau faltet Hände im Stracheldrahtzaun
© imago images/Future Image

Verbrechen in NRW: So viel Arbeit hat die Polizei wirklich

Laut der Polizei-Kriminalstatistik ist die Kriminalität in NRW 2022 leicht angestiegen. In den vergangenen sechs Jahren war sie noch stetig gesunken. Mit knapp 1,37 Millionen Delikten gab es einen Anstieg um 13,7 Prozent zum Vorjahr.

Zum Welttag gegen Menschenhandel am Sonntag (30. Juli) macht die NRW-Vernetzung der spezialisierten Fachberatungsstellen erneut aufmerksam auf das schlimme und nach wie vor allgegenwärtige Thema.

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NRW, das erste Bundesland, das sich die Bekämpfung des Menschenhandels auf die Fahne geschrieben hat, muss sich nun eine bittere Wahrheit eingestehen.

NRW: Weniger Opfer finden Beratungsstellen

Zur NRW-Vernetzung gehören acht vom Land geförderte Fachberatungsstellen für Frauen und Mädchen, die von Menschenhandel, sexueller Ausbeutung oder Zwangsprostitution betroffen sind. Dazu zählen Agisra aus Köln (für von Rassismus Betroffene), die Fach- und Beratungsstelle Nachtfalter der Caritas in Essen, die Diakonie Mark-Ruhr, die Dortmunder Mitternachtsmission, das Eine Welt Zentrum Herne (Flüchtlingsarbeit), die Frauenberatungsstelle Düsseldorf, Nadeschida in Herford und Solwodi (Solidarität mit Frauen in Not) in Duisburg.


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Zum Welttag teilen die Fachberatungsstellen eine traurige Erkenntnis mit: „In den letzten 5 Jahren kamen, außer in Düsseldorf, weniger als 10 % der Klientinnen über die Polizei in den Kontakt mit den Beratungsstellen.“ Vor 20 Jahren seien es sogar noch mehr als 50 Prozent gewesen. „Es ist klar, dass die Betroffenen, die jetzt selbst oder über Dritte in die Beratungsstellen gelangen, nur die Spitze eines Eisberges sein können.“

Beratungsstellen fordern mehr

Mit Blick auf den Welttag haben die Beratungsstellen gemeinsam Forderungen an die Landesregierung gestellt. Dabei geht es um mehr Kontrollmöglichkeiten durch die Polizei, eine bessere Aufdeckung von Täterstrukturen, weitere spezifische Schulungen und eine Aktualisierung der Runderlasse zum Menschenhandel. Diese seien nämlich seit 1994 nicht erneuert worden – also seit mittlerweile knapp 30 Jahren!

Für eine Umsetzung dieser Forderungen seien die vernetzten Stellen auch zu einem „intensiven Austausch mit den entsprechenden Ermittlungsbehörden“ bereit. Allerdings sei schon jetzt abzusehen, dass es mit der aktuellen finanziellen, zeitlichen und personellen Situation schwierig werden könnte, die oben genannten Punkte umzusetzen, wie die Beratungsstellen wüssten. „Das spielt den Täter*innen in die Hände und bedeutet für die Betroffenen Kränkung und Demütigung.“

NRW: Menschenhandel „im Dunkelfeld der Prostitution“

Schlüssel bei der Bekämpfung von Menschenhandel seien deshalb nach wie vor die Opferzeugen, sagen die Beratungsstellen. „Für eine wirksame Bekämpfung werden handfeste Aussagen von Zeuginnen benötigt, die einhergehen mit Ermittlungsergebnissen der Polizei, damit diese entsprechend vor Gericht anerkannt und bewertet und Täter*innen verurteilt werden.“


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Da sich die Betroffenen aber oft „im Dunkelfeld der Prostitution“ wiederfinden würden, sei es unfassbar schwierig, an sie heranzukommen. Meist wüssten sie nicht einmal, von wem und in welcher Stadt sie festgehalten werden. So führen ihre Aussagen oft nicht zu einer Ergreifung der Täter, schildert die NRW-Vernetzung.