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Bunker im Ruhrgebiet – vom Ein-Mann-Schutz zum Riesenstollen

Bunker im Ruhrgebiet – vom Ein-Mann-Schutz zum Riesenstollen

bunker im ruhrgebiet - hochbunker Rudolf-Schock-Straße Duisburg-Hochfeld, heute Kletterturm
Der Bunker an der Rudolf-Schock-Straße in Duisburg-Hochfeld wird heute als Kletterturm genutzt Foto: WAZ FotoPool
In der „Waffenschmiede“ Ruhrgebiet wurden im Zweiten Weltkrieg mehr Bunker gebaut als anderswo. Die hiesige Industrie war Angriffsziel Nummer 1.

Ruhrgebiet. 

Die Luft im Bunker ist stickig und verbraucht, das Atmen fällt schwer. Säuglinge schreien, Kinder schmiegen sich ängstlich an ihre Mütter, Alte klammern sich an ihre kleinen Koffer. Hunderte Menschen kauern eng aneinandergepresst auf den Bänken entlang der kahlen Betonwände. Sie schweigen. Lauschen dem dumpfen Dröhnen der Bomben, die da draußen ihre Stadt in Schutt und Asche legen.

Plötzlich ein stumpfer Schlag, die Mauern beben, die Luft vibriert. Die nackte Glühbirne an der Decke flackert ein letztes Mal auf – und erlischt. Dunkelheit. Ein unterdrückter Schrei geht durch den Bunker: War das ein Einschlag in unser Haus? Unser Schlafzimmer? Oder hat es das Nachbarhaus getroffen, das, in dem die Zwillinge leben? Und was ist eigentlich mit der Familie von nebenan? Ihre Stammplätze im Bunker sind leer…

Bunker lassen sich nicht einfach abreißen

Noch heute, 70 Jahre nach dem Krieg, sind vielen die bangen Stunden im Luftschutzbunker fest ins Gedächtnis gebrannt. Erinnerungen, die sich nicht einfach einreißen lassen. Genauso wenig wie die Bunker selbst: Die mächtigen Betonklötze der Nationalsozialisten stehen meist nutzlos im Weg. Einfach plattwalzen kann man sie nicht.

Sie erfüllen ihren Zweck noch immer: Ihre Mauern halten. Was sollte der dicke Stahlbeton auch tun? Für den Städtebau ist das vielerorts ein Problem – und eine Chance. Aus den Bauwerken werden werden Architekten-Wohnhäuser und Kulturzentren, Wellness-Oasen und Museen. Manche werden für teuer Geld gesprengt und langsam abgetragen um Platz für Neues zu schaffen.

Die meisten Bunker sind Bundeseigentum, verwaltet von der „Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“ (Bima) in Bonn. In NRW gehören der Bima 90 Hochbunker, deutschlandweit rund 170. Aber die Zahl sinkt stetig: Der Bund hat schon über 110 Hochbunker und etwa 10 Tiefbunker in NRW verkauft. „Kaufinteressenten sind Städte, Architekten, Projektentwickler, Privatleute, Künstler, Vereine“, erklärt Bima-Sprecher Thorsten Grützner.

Kosten für Wartung und Verwaltung: Betriebsgeheimnis!

Die Bima verkauft nach und nach alle Liegenschaften, die nicht mehr gebraucht werden. Derzeit ist aber kein Objekt im Angebot. Die Kosten, die die Staatskasse jährlich für die Bundesbunker zahlen muss (Wartung, Instandhaltung, Verwaltung, Schutz), gibt die Bima nicht Preis: „Bei den laufenden Kosten handelt es sich um ein Betriebsgeheimnis“, heißt es aus der Pressestelle nur. Auch Listen aller Bunker in NRW und Deutschland mag die Behörde nicht herausgeben.

Schon in den 30ern ließen die Nationalsozialisten erste Bunker anlegen. Der richtige Bunker-Boom entbrannte aber erst 1940 mit dem Luftschutz-Sofortprogramm („Führer-Sofortprogramm“): In 76 politisch oder industriell wichtigen Städten sollten möglich schnell möglichst viele Zivilschutzbunker entstehen. Markant: 36 dieser Städte liegen im erweiterten Ruhrgebiet. Somit gibt es im und ums Revier keine Stadt ohne Bunker. Die „Waffenschmiede“ lässt grüßen.

„Führer-Sofortprogramm“ für Bunker im Ruhrgebiet

Bis 1942 waren die meisten Bunker fertig, erklärt Karsten Leidiger vom Oberhausener Bunkermuseum „Alte Heid“. Das Programm war zwar bis 1945 ausgelegt, aber in den letzten Kriegsjahren fehlte es an Zeit, Material und Arbeitskraft. Ohnehin mussten im Bunkerbau meist Zwangsarbeiter schuften – rein durften sie bei einem Luftschlag aber nicht. Bei vielen Werksbunker in der Industrie war das anders, weiß Leidiger: Die Unternehmen brauchten „ihre“ Zwangsarbeiter und schützten sie.

Probleme mit neugierigen Schleichern (Menschen also, die sich in Bunker einschleichen) gebe es übrigens nicht, versichert Bima-Sprecher Grützner. „Die Bunker sind in der Regel fest verschlossen.“ Aber Fotos in einschlägigen Online-Foren zeugen vom Gegenteil. Immer wieder knacken Schleicher die dicken Vorhängeschlösser und schmuggeln sich illegal ein. Je größer das Schloss, desto spannender der Inhalt!