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Wohngeld-Chaos: Lange Wartezeiten bringen Familien in finanzielle Notlage

Laut Bundesregierung könnten rund 1,4 Millionen weitere Haushalte einen Anspruch auf das Wohngeld haben. Doch die Bearbeitungen können zum Problem werden.

Laut Bundesregierung könnten rund 1,4 Millionen weitere Haushalte einen Anspruch auf das Wohngeld haben. Doch die Bearbeitungen können zum Problem werden.
© IMAGO/Kosecki

Hilfe vom Staat: So gibt es Wohngeld, Lastenzuschuss und WBS

Geringes Einkommen, aber hohe Miete und Wohnkosten? Wer von dieser Konstellation betroffen ist, kann Wohngeld oder einen Wohnberechtigungsschein (WBS) beantragen. Das ist dabei zu beachten.

Seit diesem Jahr können mehr Menschen vom neuen Wohngeld Plus profitieren. Auch gibt es mehr Geld im Monat – durchschnittlich 370 Euro, statt wie 2022 noch 180 Euro.

Doch zum Start des staatlichen Wohnzuschusses war mit einigen Problemen zu rechnen, Behörden befürchteten, der steigenden Anträge nicht gerecht zu werden. Einiges hat sich nun bewahrheitet. Die neuen Regeln zur Berechtigung haben eine Lawine von Verzögerungen bei der Bearbeitung von Wohngeldanträgen ausgelöst. Das Ergebnis: Horrende Nachzahlungen. Was erst einmal positiv klingt, könnte Familien in finanzielle Not treiben.

Wohngeld und Bürgergeld: Ein finanzieller Haken

Wohngeldnachzahlungen mögen auf den ersten Blick wie eine erfreuliche Nachricht für die Betroffenen wirken – doch der Schein trügt. Denn was passieren kann: Eine Familie hat eigentlich Anspruch auf 600 Euro Wohngeld im Monat. Ein Antrag wird zu Jahresbeginn gestellt, doch die Bewilligung lässt auf sich warten – bis Dezember. Was tun in der Zwischenzeit? Bürgergeld in Anspruch nehmen, was seit November bewilligt wurde.

Endlich – im Dezember 2023 kommt die frohe Kunde: Der Wohngeldantrag wird bewilligt. Doch dann der Schock! Eine Wohngeldnachzahlung von sage und schreibe 6.000 Euro für die Monate Januar bis Oktober 2023. Aber genau hier kommt der Clou: Die Nachzahlung wird nicht einfach gutgeschrieben. Nein, sie wird über sechs Monate hinweg verteilt.

Das Jobcenter beschließt, diese Nachzahlung ab Januar 2024 als Einkommen zu werten und es auf die kommenden sechs Monate zu verteilen. Das bedeutet, dass die Familie nun weniger Bürgergeld erhält, um die Wohngeldnachzahlung auszugleichen.

Wohngeld: Kritik von Experten

Das Problem liegt in einem Gesetz – im Paragraf 11 des Sozialgesetzbuches (SGB). Das Zuflussprinzip besagt, dass Einkommen im Monat des Zuflusses auf das Bürgergeld angerechnet wird. Doch bei Wohngeldnachzahlungen wird diese Anrechnung auf sechs Monate verteilt. Das führt zu einer verzwickten Situation, in der Bürgergeldempfänger plötzlich weniger Unterstützung erhalten, um die Wohngeldnachzahlung zu stemmen, wie das Portal „gegen hartz“ berichtete.

Da mischt sich auch das Bundessozialgericht ein. Zwar hält es die Anrechnung für rechtmäßig, doch gibt es viele Experten, die diese Entscheidung in Frage stellen. Besonders pikant: Während des Zeitraums des Wohngeldanspruchs wurde kein Bürgergeld bezogen. Die Nachzahlung wird also ohne ersichtlichen Grund doppelt abgezogen.


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Bernd Eckhardt von „Sozialrecht-Justament“ lässt kein gutes Haar an dieser Regelung. Andere Sozialleistungen wie Asylbewerberleistungen, Sozialhilfe und Kinderzuschlag werden nicht auf diese Weise angerechnet.

Er schlägt eine Änderung vor: Warum nicht einfach eine Anrechnungsfreiheit von Wohngeldnachzahlungen in der Bürgergeldverordnung festlegen? Dann würde die Berechnung der Sozialleistungen nicht von Wohngeldnachzahlungen beeinflusst. Das würde nicht nur den Betroffenen helfen, sondern auch für mehr Gerechtigkeit im System sorgen.