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Türkei-Wahl: Erdogan vs. Kilicdaroglu – Oppositioneller jetzt chancenlos?

Die Erdogan-Abwahl schien geradezu nur noch eine Formalie. Doch es kam anders. Nun ist Kemal Kilicdaroglu auf ein Wunder angewiesen.

Erdogan
© IMAGO/Pacific Press Agency

Türkei steuert auf erste Präsidenten-Stichwahl ihrer Geschichte zu

Zum ersten Mal in der türkischen Geschichte kommt es zu einer Stichwahl um das Präsidentenamt. Den beiden Bewerbern, Recep Tayyip Erdogan und Kemal Kilicdaroglu, stehen zwei schwierige Wochen bevor. Sie müssen sich jetzt um den Dritten bemühen, den Nationalisten Sinan Ogan.

Das Unmögliche schien möglich zu werden. Sämtliche Umfragen malten vor der Präsidentschaftswahl in der Türkei am 14. Mai das Bild der Götterdämmerung. Die Tage des langjährigen türkischen Staatsoberhauptes Recep Tayyip Erdogan schienen gezählt. Doch es kam anders. Nun kann sein Herausforderer Kemal Kilicdaroglu nur noch auf ein Wunder hoffen.

Dabei rechneten viele Türkei-Experten bereits sicher mit einem neuen Präsidenten namens Kemal Kilicdaroglu. Sogar ein Sieg im ersten Wahlgang prophezeiten einige. Der Wahlsieg des Erdogan-Herausforderers schien geradezu nur noch eine Formalie zu sein, es wurde vielmehr bereits darüber diskutiert, ob Erdogan seine Macht bereitwillig abgeben werde.

Türkei-Wahl: Eine Stichwahl gab es unter Erdogan noch nie

Wie hinlänglich bekannt ist, lief die Wahl für Erdogan jedoch deutlich besser als erwartet. So verfehlte der Langzeitherrscher vom Bosporus im ersten Wahldurchgang am 14. Mai mit 49,5 Prozent der Stimmen die erforderliche Mehrheit nur knapp – während Kilicdaroglu nur 44,9 Prozent der Stimmen auf sich vereinen konnte. Ereignisse wie die Wirtschaftskrise und das katastrophale Krisenmanagement nach dem verheerenden Erdbeben taten der Zustimmung Erdogans keinen Abbruch.

Der 74-jährige Kilicdaroglu hat jedoch geschafft, was es unter Erdogan noch nie gab – eine Stichwahl. Kilicdaroglu, der seit 2010 an der Spitze der CHP (der Partei von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk) steht, verkörperte im Wahlkampf den Anti-Erdogan. Er wolle die „Demokratie wiederbringen“ und das von Erdogan eingeführte Präsidialsystem abschaffen, nannte es „Ein-Mann-Regime“.

Türkei-Wahl: Kilicdaroglu-Sieg scheint unwahrscheinlich

Nach der ersten Wahlrunde umwarb Kilicdaroglu dann jedoch auch die Wähler des rechtsnationalistischen Lagers um Ultranationalist Sinan Ogan, der bei der Wahl mit 5,17 Prozent Drittplatzierter wurde. Er kündigte insbesondere mit Blick auf Syrien in ungewohnt scharfem Ton an, er werde „alle Flüchtlinge nach Hause schicken, sobald ich an die Macht komme“.



Es scheint jedoch unrealistisch, dass das die Ogan-Wähler zu Kilicdaroglu treiben wird. Zumal Ogan derweil seine Zustimmung für Erdogan öffentlich machte. Es bleibt dennoch spannend, wie die Türkei am kommenden Sonntag (28.05.) abstimmen wird.