Am Donnerstag besuchte Kanzler Olaf Scholz den Ruhrpott. Zum Kanzlergespräch waren 150 Bürgerinnen und Bürger in die Zeche Zollverein eingeladen. Genau 90 Minuten lang ging es um Rentenerhöhungen, Lehrermangel, Existenzsorgen, aber auch um den Ukraine-Krieg.
Olaf Scholz bedankte sich in Essen, wie es seine Art ist, immer wieder „schön für die Frage“, und versuchte sich hier und da auch als Charmeur. Bei einer Frage wurde es besonders emotional.
Kanzler Olaf Scholz in Essen: Die Frage eines Gastes sorgt für einen Lacher
Ab und an wurde auch auch gelacht an dem Donnerstagabend. Etwa als ein Mann provokativ nachfragte: „Telefonieren sie eigentlich jeden Tag mit ihren Ministern? Das scheint nämlich nicht so …“ Scholz versicherte, dass das Koalitionsklima passe. Bei der jüngsten Klausur im Schloss Meseberg sei es „abends sogar auch fröhlich“ zugegangen. Er telefoniere ganz oft mit den Kabinettsmitgliedern und treffe sie auch immer wieder, unterstrich der Regierungschef.
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Aber richtig sei auch, dass aktuell Entscheidungen getroffen werden müssten, die keiner so vor der Koalitionsbildung der Ampel vorhersagen konnte, so Scholz. Man werde stets zum richtigen Zeitpunkt mutige Entscheidungen treffen, versprach er – wie beim Sondervermögen für die Bundeswehr.
„Da können Sie sich drauf verlassen“: Scholz bemüht sich, Angst vor Krieg mit Russland zu nehmen
An anderer Stelle gab Scholz ein weiteres Versprechen, nämlich dass er besonnen und überlegt handeln wolle im Ukraine-Krieg. Ein Senior äußerte zuvor seine große Sorge vor einer kriegerischen Eskalation mit Russland bis hin zu einer möglichen atomaren Katastrophe. Putin sei schließlich kein Gorbatschow.
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„Da können Sie sich drauf verlassen, bei jeder Entscheidung, die wir treffen, dass es uns nicht gefährdet“, versuchte ihn der Kanzler zu beruhigen. Gleichzeitig machte er klar, dass er Putins Plan einer Grenzverschiebung in Europa nicht dulden werde: „Damit darf niemand mehr durchkommen“, zeigte sich der SPD-Mann entschlossen und erhielt dafür viel Applaus.
Olaf Scholz in Essen: Der emotionalste Moment des Abends
Besonders emotional wurde es, als eine Frau im Rollstuhl das Mikrofon bekam und mit tränenerstickter Stimme davon sprach, dass pflegende Angehörige mehr Anerkennung von der Politik verdienen würden. Ein schwieriger Moment für den eher kühlen Hanseaten Scholz. Was hätte ein Robert Habeck in dieser Situation gemacht? Wie herzlich und empathisch hätte eine Annalena Baerbock reagiert?
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Olaf Scholz versuchte es zugewandt und unterstrich, welch „tolle und großartige“ Arbeit in Familien mit Pflegebedürftigen geleistet werde. Letztlich aber konnte er nur phrasenhaft antworten, dass man sich in der Regierung des Themas bewusst sei und überprüfen wolle, wie man Angehörige besser unterstützen könne. Etwas dürftig.
Kanzler Scholz versucht den Charmeur zu geben
An anderen Stellen probierte es Scholz mit Schmeicheleien. Gleich zweimal schmierte er Damen Honig um den Mund: „Sie sehen ja sehr jung aus, aber Sie haben ja eben berichtet, dass Sie schon etwas älter sind“, sagt er zu der einen. Einer 74-Jährigen, der es „vor dem Heim graut“, antwortete er: „Sie sehen ja noch sehr weit weg davon aus.“
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Der Kanzler auf dem absteigenden Ast: Hilft das Kanzlergespräch in Essen gegen den Trend?
Laut einer am Donnerstag veröffentlichen Umfrage von Infratest dimap für die ARD sind nur noch 35 Prozent der Befragten mit der Arbeit von Scholz zufrieden. Ein Minus von sieben Prozentpunkten. Ob Abende wie dieser in Essen daran etwas ändern werden?
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Keine Frage: Scholz bemühte sich sichtlich, mischte sich unters Volk und hörte auch bei kritischen Fragen zu, doch seine Antworten wirkten oft aus der Konserve, eben Politiker-Sprech. Er versuchte die Menschen mit warmen Worten zu gewinnen – doch konkrete Vorhaben nannte er kaum. Zusagen für weitere Entlastungen blieben ziemlich vage. Ob das reicht, um so die Stimmung zu drehen? (mars und mag)