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Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet: Mildere Strafen als gefordert – so begründet der Richter das Urteil

Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet: Mildere Strafen als gefordert – so begründet der Richter das Urteil

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Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet: Mildere Strafen als gefordert – so begründet der Richter das Urteil

Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet: Mildere Strafen als gefordert – so begründet der Richter das Urteil

Urteil zu Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet

Die fünf Täter müssen mehrere Jahre ins Gefängnis. Landgerichts-Sprecher Johannes Hidding und Verteidiger Hans Reinhardt erklären und kommentieren die Urteile.

Essen. 

Das Urteil zu den Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet ist gefallen! Alle fünf Mitglieder der Bande müssen für mehrere Jahre ins Gefängnis. Das Strafmaß für die jungen Männer, die Mädchen in eine Falle lockten und gemeinsam vergewaltigten, liegt zwischen drei Jahren und neun Monaten sowie sechs Jahren und drei Monaten.

Mit diesem Urteil blieb die Kammer unter den Forderungen der Staatsanwaltschaft. Die hatte für die Gruppenvergewaltiger zwischen fünfeinhalb Jahre und sieben Jahre neun Monate für die Bande gefordert.

Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet: Richter erklärt das Strafmaß

In einer langen Urteilsbegründung erklärte der vorsitzende Richter Volker Uhlenbrock sehr genau, wie es zu den milderen Urteilen kam.

„Hinter jeder Tat steckt auch ein Mensch“, sagte Uhlenbrock. „Was für Menschen mit welcher Geschichte auf der Anklagebank sitzen und wer bei den Taten welche Rolle spielte“ wurde dabei sehr genau erörtert.

>> Urteil zu Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet: So lange müssen die Banden-Mitglieder ins Gefängnis

Denn nicht jeder der jungen Männer war an jeder Tat beteiligt. Antonio H. und sein Bruder Gianni waren an vier der sechs Taten beteiligt, Enrico F. beispielsweise nur an einer. Letzterer kam deshalb mit der geringsten Haftstrafe davon.

Uhlenbrock machte aber auch deutlich, dass es sich ohne Wenn und Aber um „scheußliche Taten handelte“ und das Urteil den Tätern, aber auch den Opfern gerecht werden müsse.

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Mehrere Aspekte sprachen dabei für die mehrjährigen Haftstrafen, die die Bande schließlich auch aufgebrummt bekam. Sie hatten die Taten und die perfide Masche, mit der sie die jugendlichen Mädchen in eine Falle gelockt hatten, von langer Hand geplant.

In den beiden WhatsApp-Gruppen, in denen die Pläne geschmiedet wurden, sprachen sie menschenverachtend über die Opfer, machten sich auch nach den Vergewaltigungen auf widerlichste Weise über sie lustig.

+++ Nach Urteil zu Gruppenvergewaltigungen im Ruhrgebiet: So geht es den Opfern der Bande ++++

Während der Tat gab es von jedem Angeklagten Geständnisse, die jedoch teilweise spät und wenig umfassend waren und sogar später relativiert wurden. Die Entschuldigungen wurden von den Opfern, die schwerst traumatisiert sind, teils abgelehnt.

„Man zuckt als Mensch und als Jurist, wenn man von einem Angeklagten hört: ‚Ich habe die Tat zwar gestanden, aber eigentlich erinnere ich mich gar nicht mehr daran‘“, lässt Uhlenbrock einblicken.

Vier der fünf Gruppenvergewaltiger nach Jugendstrafrecht verurteilt

Einige Argumente sprachen jedoch auch für eine geringere als die geforderte Strafe. Keine Frage, die Männer hatten nicht nett um Geschlechtsverkehr gebeten. „Es artete teilweise aus“, so Uhlenbrock. Die jungen Frauen wurden angeschrien und ihnen wurde Gewalt angedroht. Die Bande setzte diese Drohungen jedoch nie um. „Geschlagen werden darf ein Opfer nicht“, nannte der Richter eine oberste Regel der Gruppe.

Zudem: Die Täter waren von schweren Kindheiten und Rückschlägen in ihrem Leben geprägt. Außerdem handelt es sich, bis auf den 24-jährigen Enrico F., um Jugendliche oder Heranwachsende, die aufgrund mangelnder Reife nach Jugendstrafrecht verurteilt wurden.

Richter: „Höhere Strafen wären möglich gewesen“

„Dabei geht es in erster Linie nicht um Sühne oder Vergeltung, sondern darum, erzieherisch auf die Jugendlichen einzuwirken“, erklärt Gerichtssprecher Johannes Hidding gegenüber DER WESTEN. Klar war für Uhlenbrock aber auch, dass die Strafe einen Ausgleich für die schweren Leiden der Opfer darstellen muss.

„Höhere Strafen wären möglich gewesen“, so Uhlenbrock. Die Höchststrafe im Jugendstrafrecht liegt bei zehn Jahren.

Hans Reinhardt, Verteidiger von Dean Martin L., nennt das Urteil und die Begründung der Kammer „außergewöhnlich ausgewogen und auch sehr überzeugend. Das Gericht hat eine schwierige Aufgabe zu meistern. Es muss den erzieherischen Gedanken Rechnung tragen und andererseits natürlich den Opferschutz nicht vernachlässigen“.