Duisburg.
Hass gegen Juden ist ein Thema, das auch unter muslimischen Jugendlichen in Deutschland auftaucht. Auch in Duisburg. Um den Jugendlichen eine neue Sicht zu ermöglichen und Extremismus vorzubeugen, fährt Burak Yilmaz seit 2012 mit jungen Muslimen von Duisburg nach Auschwitz.
Einmal im Jahr geht es nach Auschwitz
Burak Yilmaz (30) ist selbstständiger Pädagoge und Gruppenleiter im Projekt „Junge Muslime in Auschwitz“. Er arbeitet in Obermarxloh. Einmal im Jahr fährt Yilmaz mit muslimischen Jugendlichen in das ehemalige Konzentrationslager Auschwitz in Polen.
Zehn junge Männer zwischen 16 und 26 Jahre nehmen meistens daran teil.
Geschichten der Eltern haben die Jugendlichen geprägt
Ihre Eltern oder Großeltern sind aus der Türkei oder einem arabischen Land nach Deutschland gekommen. Die jungen Muslime lernen in der Schule nur die deutsche Geschichte. Über die historische Vergangenheit ihrer Herkunftsländer erfahren sie weniger. So sind es häufig nur die Schicksale und Meinungen ihrer Eltern, die ihre eigene Haltung zu Israel, dem Nahost-Konflikt (zwischen Israel und Palästina) und zu den Juden prägen.
Waren es früher Deutsche, die ihren Hass gegen Juden richteten, sind es heute auch Muslime, die gegen Israel hetzen. Auf Schulhöfen ist das Wort „Jude‟ längst wieder ein Schimpffwort geworden.
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Auch Muslime hetzen gegen Juden
Yilmaz sagt: „Der Kampf gegen Antisemitismus ist intensiv und langwierig. Er ist eine Lebensaufgabe.‟
Deshalb hat er mit dem Verein Junge e.V. und dem Duisburger Zentrum für Erinnerungskultur das Projekt „Junge Muslime in Auschwitz“ ins Leben gerufen.
Jugendliche Muslime haben oft Identitätskonflikte. Im Geschichtsunterricht werden die Geschichte der Gastarbeiter und des Nahost Konflikts ausgelassen. Außerdem machen viele junge Muslime Rassismuserfahrungen. Sie sind ausgeschossen aus der Erinnerungskultur der Deutschen.
Jugendliche schauen antisemitische Videos
Yilmaz erzählt: „Die Jugendlichen sind ständig im Internet. Dort gibt es viele antisemitische Videos. Juden werden dort als böse Strippenzieher dargestellt. Das kann einen fesseln und mitreißen. Außerdem gibt es türkische Fernsehserien, in denen Juden als hinterhältig dargestellt werden, die die Welt erobern wollen. Das sind Daily Soaps oder Serien wie bei Netflix.
Jugendliche, die schon vorher ein leicht einfaches Geschichtsbild haben, sind da anfällig. Alle sind neugierig, aber wir dürfen diesen Videos und Serien nicht das Feld überlassen.‟
Jugendliche müssen sich ein eigenes Bild vor Ort machen
Durch das Angebot, nach Auschwitz zu fahren, bekommen die Jugendlichen die Möglichkeit, sich ein eigenes Bild zu machen. In der Vorbereitungsphase lernen die Jugendlichen, wie es in Duisburg zur Nazizeit war. Sie rekonstruieren Geschichten von Juden aus Duisburg, die nach Auschwitz gebracht wurden. Sie sprechen über Antisemitismus, den Holocaust und auch den Nahost-Konflikt.
Dann schauen sie sich den gegenwärtigen Antisemitismus an und analysieren Videos.
Ende Mai geht es dann für alle nach Auschwitz. Drei Tage können die jungen Männer sich hier umschauen, lernen, was hier passiert ist und für sich begreifen, was Antisemitismus anrichten kann.
Danach startet ein kulturelles Programm in Krakau.
Nach dem Besuch in Auschwitz sind die Jugendlichen geschockt
Die Jugendlichen sind nach dem Besuch emotional beeindruckt. Samed sagt: „Ich habe Hass gegen die Nazis gespürt, ich war aber auch traurig.‟ Ein anderer sagt: „Ich hätte nicht gedacht, dass mich das so schockt.‟ Und weiter: „Wenn man hier war, ist es noch sehr schwer, das alles zu leugnen. Für mich war das sehr wichtig, hierher zu kommen.‟
Nachbereitung in Duisburg
Zurück in Duisburg gibt es dann ein abschließendes sechsmonatiges Theaterprojekt. In Auschwitz führen die Jugendlichen ein Gruppentagebuch, das sie innerhalb eines halben Jahres auswerten. Denn Yilmaz sagt: „Man kann nicht erwarten, dass Jugendliche innerhalb von einer Woche sensibel beim Thema Judenhass werden. Das braucht Zeit.‟
Und er fügt an: „So entsteht ein politisches Bewusstsein. Jugendliche brauchen Zeit für ihre Gedankengänge.‟
Für Yilmaz ist klar: „Erinnerungskultur geht alle etwas an. Jugendliche, die ausgegrenzt werden, brauchen ein Sprachrohr. Sie wollen gehört werden und brauchen die Ansprache, dass sie Teil unserer Gesellschaft sind.‟
Das Projekt braucht Förderer
Das Projekt wird vom Landschaftsverband Rheinland finanziert, jedoch ist Yilmaz momentan etwas beunruhigt, denn er weiß: „Es wird Einsparungen geben. Der Verein braucht neue Förderer, damit wir mit Bildung den Antisemitismus in all seinen Formen bekämpfen können.‟