Er kam als großer Hoffnungsträger zum FC Schalke 04, am Ende wurde sein Vertrag aufgelöst: Timo Baumgartl war nicht lange beim Revierklub, erlebte dennoch sehr viel.
Über diese spannende Zeit beim FC Schalke 04 spricht der Verteidiger, der mittlerweile bei St. Louis City in der MLS unter Vertrag steht, im Interview mit DER WESTEN.
FC Schalke 04: Timo Baumgartl spricht über S04-Aus
DER WESTEN: Hallo Timo, nach Stationen in Stuttgart, Eindhoven, Union Berlin und Schalke bist du jetzt in der MLS bei St. Louis City. Was war der ausschlaggebende Punkt, dass du dich für diesen Schritt entschieden hast?
Timo Baumgartl: Im Endeffekt war es so, dass Lutz (Sportdirektor Pfannenstill, Anm. d. Red.) schon sehr lange bei mir angefragt hatte. Ich hatte für mich aber entschieden, dass ich erstmal abwarte und schaue, was das Richtige für mich ist. Er hat mir den Verein vorgestellt. Ich hatte noch zwei, drei andere Angebote aus der MLS, habe mich dann aber mit ihm getroffen, mit ihm gesprochen. Und gerade nach meiner Zeit auf Schalke war es mir wichtig, einen Verein zu finden, wo ich einfach auch wieder Spaß haben kann. Nicht, dass ich das bei Schalke nicht hatte. Es war natürlich eine schwere Situation für mich. Und dann habe ich entschieden, dass ich nach Amerika gehe. Meine Freundin weiß schon seit ich 18 bin, dass ich immer mal nach Amerika wollte, um dort Fußball zu spielen, und dann hat es sich ergeben. Seitdem sind wir hier sehr glücklich und fühlen uns alle echt wohl.
Gab es Angebote aus Deutschland oder anderen europäischen Ländern?
Ja, gab es, aber ich habe mich bewusst entschieden, den Schritt nach Amerika zu gehen. Ich habe schon viel erlebt in Europa: Habe in der Bundesliga und international gespielt. Jetzt wollte ich etwas Neues machen und einfach eine neue Kultur kennenlernen. Das hat mich gereizt. Ich fand die MLS schon immer interessant. Jetzt, wo ich drin bin, weiß ich, dass es eine sehr gute Liga ist. Am Ende habe ich mich entschieden, dass ich es mache. Meine Freundin hat zugestimmt, mein Hund hat auch genickt.
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Nach anfänglichen Schwierigkeiten scheinst du in St. Louis endgültig angekommen zu sein. Wie wichtig ist es dir, nach fast einem Jahr ohne Fußball endlich wieder eine Stammkraft zu sein?
Am Anfang war es mir klar. Ich habe auch vom Verein einen Plan vorgelegt bekommen, da ich länger nicht gespielt hatte. Es waren fast zehn oder elf Monate ohne Pflichtspiel. Nach der Vorbereitung hier war es klar, dass es Zeit braucht. Nach einigen kurzen Einsätzen in der 2. Mannschaft wurde ich immer mehr zu den Profis hingeführt. Jetzt bin ich einfach froh, dass ich wieder Fußball spielen kann. In den letzten 24-25 Tagen hatte ich sieben oder acht Spiele. Das war doch ein ganz schönes Pensum. Abends müde ins Bett fallen: Das habe ich vermisst. Dann kenne ich auch noch viele Jungs hier, mit denen ich schon zusammengespielt habe. Deshalb macht es umso mehr Spaß.
Es ist eine bislang schwierige Saison für euch. Warum klappt es noch nicht so, wie ihr euch das vorgestellt habt?
Es läuft leider noch nicht so gut. Das Gute ist, dass man eigentlich nur gewinnen kann, weil man für die Playoffs spielt. Wir sind jetzt nicht uneinholbar hinter den Playoffs und hatten leider einige Verletzungssorgen gehabt. Jetzt hoffen wir natürlich, dass diese Spieler wiederkommen und wir auch wieder mehr Spiele gewinnen. Irgendwann muss man mal anfangen zu punkten, und das ist unser Ziel in den nächsten Wochen.

Blicken wir auf deine Deutschland-Zeit zurück, die aus deiner Sicht nicht so schön zu Ende gegangen ist. Du kamst als Hoffnungsträger nach Gelsenkirchen: Warum glaubst du, hat es sportlich für dich und Schalke nicht so funktioniert, wie viele erwartet hatten?
Es war eine Zeit, die sehr lehrreich war. Ich will sie nicht missen. Ich habe auf Schalke viele Menschen kennengelernt, mit denen ich noch in Kontakt stehe, mit denen ich auch Spaß hatte. Ich glaube, es war eine Kombination aus verschiedenen Faktoren, die nicht funktioniert haben – und ich habe sicher auch meinen Teil dazu beigetragen. Da bin ich auch selbstkritisch genug und weiß, dass es nicht so funktioniert hat, wie wir es alle gewünscht haben. Wie es dann zu Ende gegangen ist, finde ich schade. Aber ich hatte nie ein Problem mit den Verantwortlichen. Ich glaube, ich bin auch gut auseinandergegangen mit Ben Manga und Rene Grotus. Da haben wir uns dann auch geeinigt. Es gab für beide Seiten Sachen, die nicht so cool waren. Ich bin kein Mensch, der nachtragend ist. Ich bin ein Mensch, der trotzdem Schalke verfolgt hat, weil ich einfach die Jungs noch kenne, weil ich mit vielen von ihnen zusammengespielt habe, weil ich auch viele von früher schon kenne. Ich habe ihnen die Daumen gedrückt und bin froh, dass sie einigermaßen unbeschadet aus der Saison rausgekommen sind. Jetzt hoffe ich, dass der Verein zeitnah die richtigen Weichen stellt, um wieder oben anzugreifen. Das ist mein Wunsch für Schalke. Ich bin – wie gesagt – nicht nachtragend und werde auch Personen, mit denen ich vielleicht nicht so gut ausgekommen bin, immer respektieren. Das habe ich von Grund auf so gelernt. Wenn ich diese Personen auch wieder sehe, werde ich mit ihnen sprechen, ganz normal grüßen. So gehört sich das. Das ist einfach Anstand und den habe ich. Ich schaue trotzdem mit etwas Stolz auf die Zeit zurück, weil ich bei so einem großen Verein zusätzlich gespielt habe. Ich glaube, in meiner Vita habe ich viele coole Vereine gehabt, und Schalke ist einer davon.
Du wurdest zunächst unter Thomas Reis für ein Spiel degradiert, weil du öffentlich kritisiert hast. Und später hat dich auch Karel Geraerts in die U23 geschickt. Wie blickst du auf diese bitteren Momente zurück?
Ich bin ein emotionaler Mensch. Ich habe da einen Fehler gemacht, das habe ich auch sofort zugegeben. Das habe ich auch den Verantwortlichen gesagt. Ich habe meine Strafe abgebüßt, sehe das natürlich auch ein. Das war der falsche Ort und der falsche Zeitpunkt. Ich rate immer, nur im Sinn der Mannschaft zu helfen. Ich wollte da jetzt niemanden persönlich kritisieren, sondern einfach die Zeit, so wie sie damals gelaufen ist, darauf aufmerksam zu machen. Im Endeffekt habe ich daraus gelernt und klar, auch mit ihm (Karel Geraerts, Anm. d. Red.) würde ich ganz normal reden, wenn er es mit mir wollen würde, weil das einfach Anstand ist. Für mich ist das Thema erledigt. Ich wünsche ihm auch alles Gute in seiner weiteren Karriere. Was in der Vergangenheit passiert, kann ich eh nicht ändern. Deshalb sollte man vorausblicken. Das ist so mein Credo. Ich glaube, da bin ich reifer geworden.
„Der Verein gehört in die Bundesliga“
In der Kritik stehen neben den Spielern vor allem aber auch die Verantwortlichen. Was muss sich deiner Meinung nach hier ändern, damit Schalke irgendwann wieder ruhigere Zeiten haben kann?
Es ist immer schwer, von außen das jetzt zu beobachten. Ich habe das ja dieses Jahr nicht mitbekommen, nur durch die Jungs. Es ist natürlich schon so, dass Schalke mit seiner Stahlkraft einfach auch eine Wirkung hat. Ich glaube, das Stadion kann einen tragen, aber auch vielleicht einen hemmen. Natürlich ist dann auch ein bisschen Druck da, wenn man eine negative Phase hat. Wenn jetzt die richtigen Weichen gestellt werden, kann es nur wieder aufwärts gehen. Der Verein gehört nämlich in die Bundesliga. Das haben die Fans und die Region verdient.
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Wie oft hast du den heftigen Druck auf Schalke erlebt? Unterschätzt man das als Spieler vorher?
Ich glaube, man unterschätzt das nicht. Man weiß, was für eine Stahlkraft, was für eine Wirkung dieser Verein hat. Man muss ja nur die Mitgliederzahl mal sehen. Das ist der Wahnsinn. Erfolg hängt auch immer ein bisschen davon ab. Es gibt auch Menschen, nicht nur den Fußball, das ist immer die Verantwortung, die ich auch für mich sehe. Es gibt Menschen im Bereich von Fußball, aber es gibt auch die Menschen in der Geschäftsstelle, für die man Verantwortung trägt. Und das ist für mich immer der größte Druck. Da geht es um einen Job von Menschen, die nicht mal einen Einfluss auf das Fußballspiel haben, sondern wir Spielen für so viele Mitarbeiter. Es geht dort um Existenzen. Das sollte vielen Spielern bewusst sein. Und man merkt einfach, wie viel der Verein den Menschen in Gelsenkirchen bedeutet. Nach dem Kapitel bin ich etwas enttäuscht rausgegangen, weil ich es den Menschen nicht zurückgeben konnte. Ich hoffe sehr, dass diese wunderbaren Fans bald wieder mehr feiern können.
Wie würdest du heute – mit etwas Abstand – deine Zeit auf Schalke in einem Satz zusammenfassen?
Schwierig, aber lehrreich.