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Schule in NRW: Ex-Lehrer packt aus – „Es gab kein Klopapier und keine Kreide“

Der Lehrermangel an Schulen in NRW ist groß. Ein Ex-Lehrer erklärt nun, warum so viele Kräfte den Beruf wechseln.

Schule in NRW leeres Klassenzimmer
© IMAGO / photothek

In Duisburg herrscht Lehrermangel - Junge Lehrer sagen uns, was das Besondere an Duisburg ist

An den Duisburger Schulen gibt es viele Kinder mit Migrationshintergrund. Das schreckt viele junge Lehrer ab hier zu unterrichten. Wir fragten, warum es gar nicht so schlimm in Duisburg ist.

Wer Schule in NRW hört, der denkt oft an eines: den Lehrermangel. Für alle Betroffenen – Lehrer, Eltern, Schüler – ist es ein großes Thema. Denn so schnell wird sich das Problem für sie nicht lösen lassen.

Nun hat sich jedoch ein ehemaliger Lehrer an DER WESTEN gewandt und ein neues Fass aufgemacht. Für ihn reicht es nicht, nur darüber zu sprechen, dass Lehrermangel besteht und wie man diesen bekämpfen könnte. Er beschäftigt sich viel mehr auch noch heute damit, wieso so viele Kräfte fehlen.

Schule in NRW: „Die Realität ist eine ganz andere“

Markus L. ist 36 Jahre alt und ehemaliger Lehrer an einem Düsseldorfer Berufskolleg. Dort hat er noch bis vor vier Jahren gearbeitet, ist dann aber in die Medien- und Werbebranche gewechselt. Ein Grund für seinen Ausstieg aus dem Lehramt seien die Arbeitsbedingungen gewesen. „An der Schule, an der ich gearbeitet hab, fiel der Putz von der Decke. Es gab kein Klopapier oder Kreide“, erzählt der Ex-Lehrer im Interview mit DER WESTEN.

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Zwar habe er in seiner Zeit dort bereits eine positive Entwicklung erlebt, die sei aber hinter der in der freien Wirtschaft um Längen zurückgeblieben. Den direkten Vergleich hatte er als damals schon als ehemaliger Selbstständiger und heute umso mehr noch als Festangestellter. „Die Realität der Universität ist eine ganz andere als die Berufswirklichkeit“, bemerkt der 36-Jährige.

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Schule in NRW: „Wie bei der Bundeswehr“

Seit seinem Ausstieg unterstützt Markus L. andere Lehrer oder Referendare, die ebenfalls kurz davorstehen, zu kündigen. Er ist mit Ausbildern und Fachlehrern vernetzt sowie mit etlichen Facebook-Gruppen, in denen sich Tausende Lehrer und Referendare über ihre Ausstiegsmotive aussprechen.

„Diese Menschen stecken in einem Hamsterrad“, erklärt der ehemalige Beamte. Um sie aufzufangen, lautet seine Standardantwort auf die Anfragen meist: „Meld‘ dich krank!“. Und dann geht es erst einmal darum, die Probleme zu formulieren und eine Perspektive zu schaffen. Wo will ich hin? Manche Fälle reicht Markus L. auch gerne an seine Fachkollegin und Ex-Studienrätin Isabell Probst weiter.

Ein großes Problem sieht er aber weiterhin darin, dass es für Betroffene kaum Beschwerdemöglichkeiten gäbe. „Der Dienstweg ist wie bei der Bundeswehr.“ Da gibt es zwar den Personalrat, der auch Markus geholfen habe, aber auch der könne nur geringfügig etwas unternehmen. „Da heißt es meist, wenn nichts geht, dann kündige halt.“ Konstruktive Kritik? Fehlanzeige! Entweder du machst mit oder du gehst.

Heftige Prognose

Dass sich aber auch viele Verbeamtete für einen Ausstieg entscheiden würden, zeigt, wie schlimm die Situation für sie aktuell ist, argumentiert Markus L. Denn damit geht auch der Verlust der Hälfte ihrer Pension einher, weil sie keine Sozialbeiträge zahlen mussten. Wie viele Lehrkräfte ausscheiden oder teils schon während ihrer Ausbildung aufgeben – „so was wird kaum bis gar nicht erfasst oder thematisiert.“ Eine aktuelle Prognose des Verbandes Bildung und Erziehung (VBE) geht davon aus, dass in Deutschland bis 2035 über 100.000 Lehrkräfte fehlen werden.


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Doch blickt der Ex-Lehrer auch mit ein wenig Wehmut zurück. „Mir hat das Unterrichten grundsätzlich sehr viel Spaß gemacht“, gibt er zu. Die „Sinnhaftigkeit des Berufs“ und auch den Einfluss auf die Gesellschaft, das Miterleben der Entwicklungen der Schüler – „das vermisse ich schon“.