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Ruhrgebiet: Frauen teilen trauriges Schicksal mit Michael Jackson – „Bin in Tränen ausgebrochen“

Was verbindet zwei Frauen aus dem Ruhrgebiet und Michael Jackson miteinander? Alle drei teilen ein trauriges Schicksal …

Ruhrgebiet Michael Jackson
© IMAGO / Newscom World/ Chaleen Goehrke/ DER WESTEN

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Michael Jackson ist als King of Pop in die Musikgeschichte eingegangen. Doch auch abseits galt der Sänger als einer der schillerndsten Persönlichkeiten seiner Zeit. Seine Karriere begann der Afro-Amerikaner als dunkelhäutiger Jugendlicher, doch mit den Jahren wurde sein Hautbild durch dermatologische Eingriffe immer heller.

Zum Zeitpunkt seines Todes war die Haut von Michael Jackson komplett weiß. Bis heute streiten sich Kritiker darum, ob die Musik-Legende einem europäischen Schönheitsideal hinterhergeeifert sei oder an einer schlimmen Hautkrankheit namens Vitiligo gelitten habe.

Schätzungsweise leiden weltweit etwa 0,5 bis 2% der Bevölkerung unter einer Vitiligo. Laut dem Berufsverband der Deutschen Dermatologen (BVDD) sind etwa 650.000 Menschen in Deutschland (Stand 2023) von der Hautkrankheit betroffen. DER WESTEN hat mit zwei betroffenen Frauen unterschiedlichen Alters im Ruhrgebiet gesprochen. Beide leiden immens unter der Krankheit und haben nur einen Wunsch.

Ruhrgebiet: Scham und Angst bestimmen den Alltag

Vitiligo oder besser bekannt als Weißfleckenkrankheit bezeichnet man eine chronische Erkrankung der Haut. Die Pigmentstörungen zeigt sich bei Betroffenen in Form von weißen Flecken, die in unterschiedlichem Ausmaß auftreten können. Es gibt verschiedene Behandlungsformen, die den Verlauf verlangsamen sollen. Eine Heilung von Vitiligo gibt es bislang jedoch nicht. Für viele Erkrankte ist dieser Zustand kaum zu ertragen, sie schämen sich, öffentlich zu ihrer Krankheit zu stehen.

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So geht es auch Monika Lippke und Anna Müller (Name auf Wunsch von der Redaktion geändert). Bei beiden ist die Erkrankung erst nach ein paar Jahren aufgetreten. „Meine Eltern haben mit etwa 8 Jahren das erste Mal Flecken an meinem Körper gesehen. Sie dachten sich erstmal nichts dabei, doch mit der Zeit wurden es mehr“, berichtet die 16-jährige Anna gegenüber DER WESTEN. Die Flecken seien an den Kniekehlen, Ellenbogen, Händen und besonders im Bauchbereich zu sehen.

„Ich habe ein sehr großes Problem damit, denn ich fühle mich überhaupt nicht wohl und einfach nur hässlich. Ich verstecke die Flecken in der Öffentlichkeit. Niemand außer meiner Eltern und meiner besten Freundin wissen davon, weil ich mich dafür schäme“, gesteht sie schweren Herzens. Damit niemand ihre weißen Flecken sieht, hat sie sogar eine schwere Entscheidung getroffen. „Schwimmen gehe ich gar nicht. Ich habe sogar mit meinem Hobby Cheerleading aufgehört, weil ich nicht will, dass es jemand bemerkt. Vorher habe ich deshalb auch öfter das Training ausfallen lassen.“

„Dieser Tag hat mein Leben verändert“

Monika Lippke kann sehr gut nachempfinden, wie sich die Teenagerin fühlt. Als sie mit Mitte 20 die Diagnose Vitiligo vom Arzt bekommen hat, sei es ein heftiger Schock für die 62-Jährige gewesen. „Ich bin in Tränen ausgebrochen“, erinnert sie sich auch über 30 Jahre später noch. Das eigene Spiegelbild habe sie täglich belastet, doch schlimmer noch sei die Reaktion einiger Menschen gewesen.

Monika Lippke
Monika Lippke hat mit etwa 25 die Diagnose Vitiligo bekommen. Foto: Chaleen Goehrke/ DER WESTEN

„Ich habe damals in einer Arztpraxis gearbeitet und auch die Kommentare der Patienten waren zum Teil sehr verletzend. ‚Oh, Sie sehen ja aus, wie die lila Kuh, so gefleckt wie Sie sind.‘ Aber mein Chef hat toll reagiert, als ich weinend zu ihm kam, und hat die Patientin direkt rausgeschmissen“, berichtet sie von einem traumatischen Erlebnis.

Da auch zahlreiche Behandlungen durch Strahlen oder auch Cremes nicht den gewünschten Effekt gebracht hätten, sei sie sogar zu einer drastischen Maßnahme bereit gewesen. „Ich war sogar so weit, dass ich meine Kniekehlen am liebsten braun tätowieren hätte lassen.“ Doch ihre Tochter hatte eine bessere Idee: Spray Tan.

Bei dieser Airbrush-Methode wird einem hoch konzentrierten Selbstbräuner via Sprühpistole auf die Haut aufgetragen. Viele Menschen nutzen das Angebot, um im Sommer einen schönen braunen Teint zu haben. Die Wirkung lässt jedoch nach etwa sieben bis zehn Tagen nach. Doch Anna und Monika möchten nie wieder darauf verzichten. „Meinen ersten Termin hatte ich am 17.4.2014, das weiß ich noch so genau, weil dieser Tag mein Leben verändert hat. Seitdem komme ich einmal die Woche. Wenn ich das finanziell nicht könnte, würde ich auf alles andere verzichten“, betont die 62-Jährige.

Ruhrgebiet Spray Tan
Bilder vor und nach der Spra-Tan-Behandlung. Foto: privat

Natürlich hat Spray Tan auch seinen Preis. Anna und Monika haben in Bottrop mit dem Beautyfact Tanning Studio ihr Kosmetikstudio des Vertrauens gefunden. Kosmetikerin Gudrun Schmid hat noch drei weitere „Patienten“, wie sie sagt. „Eine Behandlung dauert für gewöhnlich maximal 30 Minuten, doch bei Vitiligo-Betroffenen brauche ich für eine gleichmäßige Optik etwa eine Stunde. Für gewöhnlich kostet eine Ganzkörper-Behandlung 30 Euro, doch durch die Dauer kann sich der Preis auf 40 Euro erhöhen.“


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Kostenübernahme? Krankenkasse mit klarer Ansage

Das sind unter Umständen bis zu 200 Euro im Monat, nicht wenig Geld. Deshalb wünschen sich die beiden Frauen eine Kostenübernahme der Krankenkasse. Doch die Chancen stehen schlecht. Denn DER WESTEN hat bei verschiedenen Krankenkassen wie AOK, Barmer, Techniker und Co. nachgefragt und eine einheitliche Antwort erhalten: „Beim Spray Tanning handelt es sich weder um ein zugelassenes Arzneimittel noch um eine medizinische Behandlungsmethode, sondern um eine kosmetische Behandlung. Daher übernimmt die Gesetzliche Krankenkasse (GKV) die Kosten dafür nicht. Das gibt das Gesetz so vor.“

Auf Nachfrage beim GKV-Spitzenverband gibt uns die Pressesprecherin eine genauere Definition.

„Erforderlich ist vielmehr, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder dass er an einer Abweichung vom Regelfall leidet, die entstellend wirkt. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Abnormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit und damit zugleich erwarten lässt, dass die oder der Betroffene ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Beachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzuziehen und zu vereinsamen droht, sodass die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft gefährdet ist.“

Ob es sich am Ende um einen solchen Krankheitsfall handle, sei „jeweils individuell durch die Krankenkasse – gegebenenfalls unter Einbindung des Medizinischen Dienstes – zu beurteilen.“

Eine ernüchternde Antwort für Vitiligo-Betroffene wie Anna und Monika. Doch unterm Strich bedeutet sie, dass die ästhetischen Beweggründe für eine Kostenübernahme- oder Unterstützung alleine nicht ausreichen. Somit müssen sie die Kosten für Spray Tan weiterhin aus eigener Tasche finanzieren.