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Bürgergeld-Empfänger aus NRW nach 30 Jahren harter Arbeit – „Bin zum Bettler geworden“

Sprüche wie „Schmarotzer“ tun Thomas Wasilewski besonders weh. Er bezieht seit 12 Jahren Bürgergeld und hat uns seine Geschichte erzählt.

Bürgergeld-Empfänger Thomas Wasilewski
© Chaleen Goehrke/ DER WESTEN

Das ist das Bürgergeld und so viel steht jedem zu

Wir verraten dir in diesem Video alles, was du über das Bürgergeld wissen musst.

„Schmarotzer“, „Faulpelz“, „Versager“ – solche Bezeichnungen müssen sich Bürgergeld-Empfänger wie Thomas Wasilewski aus NRW gefallen lassen. Menschen, die sich auf Kosten der Steuerzahler ein angenehmes Leben machen, anstatt selbst arbeiten zu gehen. Dieses negative Bild sei immer mehr in den Köpfen der Menschen. Doch in der WDR-Sendung „Hart aber fair“ fand der 60-Jährige unter anderem für CDU-Politiker Philipp Amthor, der staatliche Sozialleistungen für „Totalverweigerer“ kürzen will, deutliche Worte (hier mehr dazu).

Um die Außendarstellung eines Bürgergeld-Empfängers richtigzustellen, teilt der Mönchengladbacher auch sein eigenes Schicksal – auch wenn es ihm nicht leichtfällt. DER WESTEN hat er verraten, wie er nach 30 Jahren Vollzeitarbeit plötzlich in die „Armut“ rutschte.  

Bürgergeld-Empfänger aus NRW nach Schicksals-Schlag

„Ich würde mir wünschen, dass die Politiker aufhören, ein Schauspiel zu veranstalten und sie uns endlich mal zuhören“, ärgert sich Thomas Wasilewski am Freitagmittag (5. April) in einem Café in Mönchengladbach. Er bestellt einen kleinen Kaffee, im Kopf rechnet er wahrscheinlich schon durch, wo er dafür am Ende des Montas wieder Geld einsparen muss. Denn so sehe die brutale Realität für einen Bürgergeld-Empfänger wirklich aus.

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Von 563 Euro im Monat könnte sich niemand faul auf die Haut legen und ein schönes Leben machen. Seit 12 Jahren ist Thomas Wasilewski und seine Familie von Sozialleistungen des Staates abhängig. „Ich bin 2012 nach einer Herz-Operation erwerbsunfähig geworden. Ich lag drei Wochen im Koma und danach bin ich nicht mehr richtig wieder auf die Beine gekommen“, erinnert sich der 60-Jährige zurück. Auch seine Frau Esther könnte aufgrund einer körperlichen Behinderung keine Vollzeitstelle antreten.

Thomas Wasilewski selbst hat eigenen Angaben zufolge über 30 Jahre lang als gelernter Groß- und Außenhandelskaufmann gearbeitet. Unter anderem auch als Job-Coach, um Jugendliche sowie Langzeitarbeitslose in den Beruf zu führen. Dass er selbst einmal auf der anderen Seite stehen würde, hätte er nie für möglich gehalten. „Ich habe immer Vollgas gearbeitet und bin von heute auf morgen zum Bettler geworden. Man ist plötzlich abhängig vom Jobcenter – das ist ein ganz mieses Gefühl“, wird er deutlich und kämpft offensichtlich mit seinen Emotionen.

Kein Geld für Geschenke

Klamotten, Restaurant-Besuche oder auch der Kaffee, der vor ihm steht, seien alles Luxus-Artikel, auf die er zugunsten seiner drei Kinder normalerweise verzichte. „Bevor ich mir etwas kaufe, gebe ich meinen Kindern Geld“, macht er deutlich. Doch auch da sitze die Hose mehr als eng. „Ich glaube, dass es für meine Kinder total brutal war. Nichts Schickes an Kleidung kaufen zu können, bei einer Klassenfahrt nicht genug Kleidung oder Taschengeld zu haben. Den ersten Tag nach den Ferien sind sie lieber zuhause geblieben, weil sie sich den unangenehmen Fragen der Klassenkameraden nicht stellen wollten.“



Dass seine Kinder auf so viel verzichten müssten, schmerze den Familienvater besonders. Selbst an Weihnachten und Geburtstagen sei kein Geld für Geschenke übrig. Seine zwei größeren Söhne seien inzwischen in der Ausbildung. Wasilewski hofft, dass es ihnen eines Tages finanziell besser geht als ihm selbst.