Veröffentlicht inPolitik

Wolfgang Kubicki mit Frontalangriff – „Söder muss auf den Deckel kriegen“

Zwischen den Ampelkoalitionären fing alles so harmonisch an. Doch die letzten Monate offenbarten ein Klima der Verachtung. Kubicki bewertet nun die Lage.

Wolfgang Kubicki
© IMAGO/Political-Moments

Das ist die aktuelle Bundesregierung

Seit 2021 besteht die Bundesregierung aus diesen 17 gewählten Politikern und Politikerinnen.

Was mit Innigkeit – festgehalten auf einem legendären Selfie – begann, entwickelte sich zu einer streitgeplagten Beziehung. Der ewige Zank schien zuletzt aus der selbsternannten Fortschrittskoalition eher eine Regierung des Stillstands zu machen. Bei einem Interview mit unserer Redaktion bewertet der Silberrücken der FDP, Wolfgang Kubicki, die Situation des Kabinetts, seiner Akteure und teilt ordentlich gegen die Union aus.

Herr Kubicki, welche Note würden Sie der Bundesregierung geben?

Kubicki: Deutlich verbesserungsfähig. Ich gebe eine 3 Minus.

Was ist verbesserungswürdig?

Kubicki: Alle Koalitionspartner versuchen immer wieder von den gemeinsamen Vereinbarungen des Koalitionsvertrages abzuweichen und die eigene Agenda durchzusetzen. Das ist natürlich nicht sehr hilfreich. Mein Lieblingsbeispiel ist: Wir haben im Koalitionsvertrag ausgeschlossen, dass es ein Tempolimit gibt, und trotzdem wird gefühlt jeden Tag über ein Tempolimit diskutiert.

Wolfgang Kubicki: „Ich halte Olaf Scholz für einen ordentlichen Kanzler“

Sie werfen Ihren Koalitionspartnern also vor, sich illoyal zu verhalten. Nun ist es so, dass auch Sie und andere FDP-Persönlichkeiten wie Marie-Agnes Strack-Zimmermann gerne und kräftig gegen die Koalitionspartner austeilen. Inwiefern ist das für die Koalitionsharmonie zuträglich?

Kubicki: Selbstverständlich sind Marie-Agnes Strack-Zimmermann und ich streitbare Persönlichkeiten. Aber wir sind immer darauf fokussiert, ein möglichst vernünftiges Ergebnis zu erzielen. Sie haben weder bei Marie-Agnes noch bei mir bisher abweichende Erklärungen zu unserem Koalitionsvertrag gehört – es sei denn, es hat sich etwas dramatisch verändert, sodass, wie bei der Kernkraft, zwingend neue Antworten her müssen, die der Koalitionsvertrag nicht geben konnte. Koalitionen sind nicht darauf ausgelegt, Harmonie zu verbreiten, sie sind darauf ausgelegt, ein möglichst gutes Ergebnis zu erzielen.

Und welche Note vergeben Sie an Kanzler Scholz?

Kubicki: Ich halte Olaf Scholz für einen ordentlichen Kanzler, da er ein sehr besonnener und abwägender Mensch ist. Nicht alles, was er sagt und tut, gefällt mir. Wir hatten schon schlechtere Kanzler. In einer Situation, in der der Krieg vor unserer Haustüre steht, sind mir besonnene Menschen lieber, als diejenigen, die glauben sie müssten uns in einen heldenhaften Kampf führen. Seine Note fällt jedenfalls besser aus, als die der Regierungskoalition: eine Zwei Minus. Immer noch verbesserungsfähig, was die Kommunikation angeht, aber jedenfalls ein ordentlicher Kanzler.

Es gab also schon schlechtere Kanzler. War Angela Merkel schlechter?

Kubicki: Es war eine andere Zeit. In den 16 Jahren von Angela Merkel wurde die Infrastruktur bis auf die Narbe heruntergewirtschaftet. Wir beklagen die Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr. Wir wissen, dass die Straßen und Brücken marode sind, dass zu wenig in die Bahn geflossen ist und dass bei der Digitalisierung bis 2021 nichts passiert ist. Viele Milliarden, die im Haushalt eingestellt waren, wurden einfach nicht abgerufen.

Merkel lebte von der Geschichte, sie dachte alles vom Ende her, was schlicht und ergreifend eine gute PR-Leistung war. Es ist ein Eindruck erzeugt worden, der durch die Wirklichkeit nicht bestätigt wurde.

Wolfgang Kubicki: „Meine Partei kann in der Kommunikation noch deutlich besser werden“

Und was bekommt die FDP?

Kubicki: Meine eigene Partei kann in der Kommunikation auch noch deutlich besser werden. Sie bekommt eine Drei Plus.

Wer nervt sie eigentlich mehr, die Sozialdemokraten oder die Grünen?

Kubicki: Wenn mich jemand mehr nervt, dann sind es die Grünen, weil der Eindruck entsteht, sie hätten die Weisheit mit der Muttermilch aufgesogen oder seien von Gott gesandt worden, um die Welt zu retten. Aber ob jemand nervt, ist in der Politik nicht relevant, denn man muss selbst dafür sorgen, dass man gewählt wird. Ich halte die Überlegung für unpolitisch, dass wir Opfer von anderen seien, dass uns unsere Mitbewerber nichts gönnen. Dass die anderen Politik machen, können wir nicht beklagen. Das Entscheidende ist, wir müssen entsprechend auch Politik betreiben. Wir müssen wahrnehmbar sein, wir müssen die Herzen der Menschen erreichen, nicht nur ihren Verstand. Ich bin ein Anhänger des wunderbaren Satzes von Fisherman’s Friends: Sind sie zu stark, bist du zu schwach.

Wie heißt der nächste Kanzler?

Kubicki: Weder Markus Söder noch Friedrich Merz. Der wird Olaf Scholz heißen.

Und warum nicht Friedrich Merz?

Kubicki: Weil der Vorsitzende der CDU erstmal seinen eigenen Laden in den Griff bekommen muss. Niemand kann sagen, er wolle ein Land wie Deutschland regieren, während er jedoch gleichzeitig dokumentiert, dass die Union unter seiner Führung immer noch keine geschlossene Kampfformation ist, die sich außerdem dauernden Nickeligkeiten aus Bayern ausgesetzt sieht. Ganz offen: Markus Söder muss in Bayern auf den Deckel kriegen, damit er endlich begreift, dass das seine Heimat ist und er nicht zu Höherem berufen ist.