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Hartz 4: Alleinerziehende fühlt sich im Stich gelassen – „Gehöre zu denen, die vergessen wurden“

Die hohe Inflation macht vielen Bedürftigen zu schaffen. Im Interview schildert eine Betroffene ihre Erfahrungen mit Armut und Benachteiligung.

© IMAGO / Panthermedia; Twitter/ Janina Lütt

Bürgergeld, Aktienrente und Kindergrundsicherung: Diese Reformen kommen

Wir stellen einige der geplanten Sozial-Reformen der Ampelkoalition vor.

Die steigende Inflation und der Ukraine-Krieg lassen die Lebensmittelpreise in die Höhe schießen. Dazu werden besonders in diesen Zeiten die Stimmen nach einem höheren Regelsatz für Kindergeld, Hartz 4 und dem im Januar folgenden Bürgergeld lauter.

Doch Bedürftige haben das Gefühl, dass von den Hilfeleistungen der Ampel-Regierung nur ein Bruchteil ankommt. Dabei sollen sie ihnen eigentlich unter die Arme greifen. Unter der Kampagne #Ichbinarmutsbetroffen teilen nun viele in den sozialen Medien ihr Schicksal. So auch Janina Lütt, die sich für höhere Regelsätze stark macht. Im Interview mit „Der Westen“ erzählt sie, wie sie mit geringem Einkommen umgeht. Und was die Politik schnellstens in den Griff kriegen sollte.

Hartz 4: Der harte Kampf mit Armut

In Elmshorn lebt die ehemalige Erzieherin Janina Lütt. Durch ihre chronische Depression ist sie erwerbsgemindert. Dazu gehören Personen, die weniger als drei Stunden auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein können. Zusammen mit ihrer neunjährigen Tochter wohnt sie in einer 1,5-Zimmer-Wohnung. Für Lütt stellte sich die Wohnungssuche damals als große Herausforderung heraus. „Sobald etwas mit Amt oder Hartz 4 ist, lehnen die meisten Vermieter direkt ab. Da ist eine große Form von Klassismus immer noch vorhanden. Besonders die Debatte um das Bürgergeld hat gezeigt, wie armutsfeindlich Deutschland eigentlich ist. Mir hat das richtig Angst gemacht“, erzählt sie unserer Redaktion.

Lütt erhält den Hartz 4-Regelsatz von 449 Euro im Monat vom Sozialamt. Auch das Kindergeld bekommt sie, doch trotz Entlastungspaketen der Ampel kommt bei der Erwerbsminderungsrentnerin nur wenig an. „Für mich ist das keine Entlastung. Ich gehöre zu den Personen, die vergessen worden sind“, sagt die alleinerziehende Mutter. Mitte des Monats bleibt ihr durch die hohen Lebensmittelpreise kaum noch Geld übrig.

Mit ihrer Tochter lebt Janina Lütt in einer 1,5-Zimmer-Wohnung. Foto: Twitter/ Janina Lütt

Dabei ist sie auf Hilfe von außen angewiesen. Freunde und Bekannte leihen ihr Geld oder geben ihr gebrauchte Sachen wie Kleidung. Reicht das Geld für Lebensmittel nicht, besucht sie die Tafel. „Die Tafel hat mir ermöglicht, Besuch zu empfangen. So konnte ich als Gastgeberin auch mal Essen anbieten. Man möchte gerne teilen, aber die Mittel sind einfach nicht da.“ Für Bedürftige mit schweren oder chronischen Erkrankungen wird es noch schwerer, besonders wenn die Kassen die Medikamente nicht übernehmen. „Manche Medikamente fallen aus der Verschreibungspflicht heraus. Es gibt Menschen, die sich Mitte des Monats überlegen, ob sie sich Medikamente oder Essen kaufen sollen.“

Hartz 4: SO muss der Staat unter die Arme greifen

Ab dem 1. Januar 2023 soll das Kindergeld auf einheitlich 250 Euro pro Kind monatlich erhöht werden. Für Janina Lütt muss jedoch noch mehr passieren, um Familien zu unterstützen. „Ich finde es toll, dass das Kindergeld zum Jahresanfang erhöht wird. Aber wenn sie etwas gegen Kinderarmut machen wollen, sollten sie entweder eine Kindergrundsicherung einführen oder das Kindergeld und den Unterhalt nicht dem anrechnen, was die Alleinerziehenden bekommen. Denn alleinerziehend sein, ist besonders ein Faktor für Armut in Deutschland.“

Das spiegelt sich auch in den Statistiken wider. Laut Bertelsmann Institut gelten 43 Prozent der Ein-Eltern-Familien als einkommensarm. Obwohl sie häufig einer Erwerbstätigkeit nachgehen, können viele Alleinerziehende keine gesicherte Existenz für sich selbst und ihre Kinder schaffen. Auch das Bürgergeld ist ein Schritt in die richtige Richtung, findet Lütt. „Es gibt einige Verbesserungen, die ich sehr wünschenswert finde. Zum Beispiel die Zuverdienstgrenzen von Schülern oder die geringeren Sanktionen. Aber diese 50 Euro mehr sind einfach zu wenig.“


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Trotz der prekären Lage half ihr der Austausch mit anderen Betroffenen der Bewegung #Ichbinarmutsbetroffen. Dies machte ihr klar, dass sie mit ihrer Situation nicht alleine ist. „Gerade jetzt hat jeder Probleme und Ängste mit und um Geld. Hier rücken die Armutsbetroffenen mit der Kampagne besonders in den Fokus.“