Veröffentlicht inPolitik

Bürgergeld: Alleinerziehende erlebt eine Pleite nach der anderen – „Familie geht durch die Hölle“

Für Bürgergeld-Empfänger übernimmt das Jobcenter die Miete. Doch das trifft auf Frau K. nicht zu, sie musste notgedrungen in eine Obdachlosenunterkunft.

Für Bürgergeld-Empfänger übernimmt das Jobcenter die Miete. Doch das trifft auf Frau K. nicht zu, sie musste notgedrungen in eine Obdachlosenunterkunft.
© IMAGO/Westend61

Das ist das neue Bürgergeld

Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss haben Bundestag und Bundesrat die Einführung des Bürgergelds beschlossen. Damit kann die neue Grundsicherung für Langzeitarbeitslose wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten.

„Es ist nicht so, dass sie nicht schon alles versucht hätte – sie hat wirklich Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt“, sagt Helena Steinhaus über eine alleinerziehende Frau, die mit ihren zwei Kindern die Wohnung verlassen musste. Danach sei die Empfängerin des Bürgergelds aus der Not heraus in einer kommunalen Obdachlosenunterkunft untergekommen.

An allen Stellen, wie auch beim Jobcenter, habe Frau K. Ablehnung erfahren, daraufhin habe sie sich Hilfe suchend an den Verein Sanktionsfrei e.V. gewandt. Gründerin Helena Steinhaus erläutert im Interview mit dieser Redaktion die Dramatik dahinter.

Bürgergeld: „Auf Dauer ist das kein Zuhause“

Frau K. musste die Wohnung verlassen, weil die Wohnung Eigentum der Eltern des Ex-Partners sei, erläutert Steinhaus im Gespräch. „Obwohl sie die Kinder hat, konnte sie deshalb rausgeschmissen werden“. Anschließend sei Frau K. dann in eine Notunterkunft gekommen, ein sogenanntes Clearinghaus, die relativ günstig sei. Das Jobcenter habe die Kosten zwischen 300 und 400 Euro auch übernommen, so Steinhaus. Ob diese Unterkunft vom Jobcenter vorgeschlagen, oder von der Frau selbst ausgewählt wurde, wisse die Gründerin von Sanktionsfrei e.V. nicht. „Es ist im Grunde auch unerheblich, auf Dauer ist das kein Zuhause, sondern eine Notunterkunft“, macht Steinhaus deutlich.

Aus diesem Grund hat Frau K. dann nach einem echten Zuhause gesucht – und auch eine Wohnung gefunden. Das große Aber: „Das Jobcenter hat nicht nur die Angemessenheit nicht akzeptiert, sondern hat auch gesagt, dass der Umzug nicht nötig gewesen sei, weil sie für weniger Geld im Clearinghaus wohnen könnte“, betont Steinhaus.

Bürgergeld: Wann übernimmt das Jobcenter Miete und Umzug?

Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) muss vor Vortragsunterzeichnung für eine neue Wohnung die „Zusicherung des Jobcenters zu den Aufwendungen für die neue Unterkunft“ eingeholt werden.

Und: Ein Jobcenter sei zu einer Zusicherung verpflichtet, wenn ein Umzug erforderlich sei und wenn die Aufwendungen für die neue Unterkunft angemessen seien. Doch was bedeutet angemessen? Das ist von Kommune zu Kommune unterschiedlich. Einige ziehen als Kriterium Höchstmieten oder Quadratmeterpreise heran, andere die Wohnfläche. Dafür gibt es sogenannte Richtwerte:

  • Für eine Person: 45-50 m²
  • Für zwei Personen: 60 m² oder zwei Wohnräume
  • Für drei Personen: 75 m² oder drei Wohnräume
  • Für vier Personen: 85-90 m² oder vier Wohnräume
  • Für jedes weitere Mitglied: + 15 m² oder ein Wohnraum mehr

Steinhaus betont dazu: Umzüge seien nur genehmigungsfähig, „wenn es einen triftigen Grund gibt und wenn die Wohnung günstiger oder maximal so teuer wie die Wohnung davor ist“. Im Fall von Frau K. sei das „natürlich eine völlig abstruse Regelung“.

Bürgergeld: „Sehr ungerecht und entrüstend“

Der Verein Sanktionsfrei ist deshalb dagegen anwaltlich vorgegangen. Das Ergebnis bislang: „So wurde rückwirkend zu der Zeit der Antragstellung erst mal nur die angemessenen Kosten der Unterkunft genehmigt“, teilt die Gründerin mit. Die Wohnung liege 50 bis 100 Euro über der Angemessenheitsgrenze. „Das ist natürlich total krass für jemanden, der mit Kindern von Bürgergeld lebt“, mahnt Steinhaus und weiter: „Es ist natürlich aus all diesen Gründen einfach sehr ungerecht und entrüstend“.

Auch kämpft der Verein für eine Erstausstattung. Diese gebe es aber auch nur, wenn die Wohnung angemessen und der Umzug genehmigt worden sei, so Steinhaus. „Da beißt sich die Schlange in den Schwanz“. Für eine komplette Übernahme der Mietkosten befindet sich Sanktionsfrei deshalb weiter im Rechtsstreit mit dem Jobcenter.

Die Wohnungssituation sei ohnehin schon schwierig für Menschen in Bürgergeld, so Steinhaus. Die Mieten, die das Jobcenter akzeptiere, seien oft zu niedrig. „Deswegen müssen super viele die Miete und Nebenkosten noch anteilig aus dem Regelsatz bezahlen – aus diesem Grund leben sie ständig unter dem Existenzminimum“.

Bürgergeld: Wieder zurück in Obdachlosenunterkunft?

Und der dramatische Fall von Frau K. hat noch kein Happy End. Die neue Wohnung wurde ihr gekündigt, und das fristlos. Denn: Das Jobcenter übernehme eine Kaution nur bei einem genehmigten Umzug. Mit gerade dieser Kaution war Frau K. deshalb schon mehrere Monate im Rückstand.


Mehr dazu:


Steinhaus schreibt dazu auf Twitter: „Die Familie geht seit Monaten durch die Hölle. Jetzt heißt es zurück in eine Obdachlosenunterkunft?“ Bürgergeld habe zwar einen klangvollen Namen, sei aber „eigentlich nur Puderzucker über einer brutalen Wirklichkeit“. Die einzige Hoffnung: Sanktionsfrei und Gründerin Helena Steinhaus kämpfen weiter für Frau K. und ihre zwei Kinder – wie es genau weitergeht, wissen sie nicht.