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Bürgergeld: Grünen-Chefin mit klarer Ansage – „Beträge reichen vorne und hinten nicht aus“

Seit 2023 ist Hartz 4 Geschichte. Das Bürgergeld bringt Vorteile für Empfänger. Doch reicht der Regelsatz zum Leben aus? Ricarda Lang spricht Klartext.

Ricarda Lang fordert Änderungen beim Bürgergeld.
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Entstehung und Geschichte der Grünen

Das BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind aus dem politischen Diskurs nicht mehr wegzudenken. Doch wie genau kam es eigentlich zur Entstehung der Partei?

Das Bürgergeld bietet im Gegensatz zu Hartz 4 bessere Möglichkeiten in Aus- und Weiterbildungen, höhere Schonvermögen und gestiegene Regelsätze.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) bezeichnete das Bürgergeld als „größte Sozialreform seit zwanzig Jahren“. Auch wenn Ricarda Lang dieser Aussage zustimmt, gibt es noch einige Punkte, die die Grünen in den nächsten Jahren anpacken wollen. Was sich genau ändern muss, verriet die Bundesvorsitzende der Grünen im Interview mit dieser Redaktion.

Bürgergeld: Neuberechnung der Regelsätze sei „klares Ziel“

Bürgergeld-Empfänger erhalten seit dem 01. Januar rund 50 Euro mehr im Monat. Angesichts immer noch hoher Kosten für Energie und Lebensmittel reißt die Diskussion um die Höhe des Bürgergelds noch lange nicht ab.

Für Ricarda Lang steht fest: „Langfristig bleibt für uns die bedarfsgerechte Neuberechnung der Regelsätze ein ganz klares Ziel.“ Dazu führt die Grünen-Chefin konkret aus: „Es geht darum, existenzielle Bedarfe anzuerkennen, die in der Vergangenheit kleingerechnet wurden, wie zum Beispiel in den Bereichen Mobilität oder Gesundheit.“

So setzt sich der neue Bürgergeld-Regelsatz aus verschiedenen Bedarfen zusammen: Für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren sind 174,19 Euro, für Bekleidung 41,65 Euro und für den Bereich Gesundheit und Pflege 19,16 Euro vorgesehen. Aus Sicht der Bundesvorsitzenden der Grünen ist das jedoch zu wenig: „Die dafür bereitgestellten Beträge reichen vorne und hinten nicht aus.“

Bürgergeld: „Familien wissen kaum, wie sie über Runden kommen“

Und vorwiegend Familien und Alleinlebende mit niedrigem Einkommen trifft die Inflation besonders hart. Wie eine Berechnung der Hans-Böckler-Stiftung zeigt, hatten diese im Februar mit je 9,9 Prozent die höchste Inflationsbelastung zu tragen.

„Gerade viele Familien wissen kaum, wie sie am Ende des Monats über die Runden kommen, geschweige denn als Familie gemeinsam etwas unternehmen oder Sportschuhe bezahlen sollen“, so Lang gegenüber dieser Redaktion. Wie Arbeitsminister Hubertus Heil betonte, habe das Bürgergeld den Anspruch, „sozialen Zusammenhalt zu stärken“ und „neue Chancen“ zu schaffen.

Auch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bestätigt, dass das Bürgergeld das „wirtschaftliche Existenzminimum“ sichere und eine „Teilhabe am kulturellen und sozialen Leben unserer Gesellschaft“ ermögliche. Jedoch mahnt die Grünen-Chefin: „Wenn wir von Chancengleichheit sprechen, dann müssen auch Kinder, die in Familien mit Bürgergeld aufwachsen, einen gleichberechtigten Zugang zu Bildung, zu Musik, zu Kultur haben. Dem werden wir bisher nicht gerecht.“ Ricarda Lang plädiert deshalb weiter: „Deshalb brauchen wir die Kindergrundsicherung.“

Bürgergeld: „Kinderarmut ist eine politische Entscheidung“

Denn auch in Deutschland ist jedes fünfte Kind von Armut betroffen. Wie die Bertelsmann Stiftung veröffentlichte, sind demnach 2,88 Millionen Kinder von Armut betroffen oder bedroht. „Armut, vor allem Kinderarmut, ist kein individuelles Versagen, sondern letztendlich eine politische Entscheidung“, so Grünen-Chefin Lang. Sie macht im Interview weiter deutlich: „Dass in einem Land wie Deutschland so viele Kinder in Armut leben, muss sich dringend ändern.“

Laut der 29-jährigen wird es Zeit, „dass wir die Debatten über Armut verändern.“ Denn: „Gerade Hartz 4 hat dazu geführt, dass Menschen, die von Armut betroffen waren, immer wieder das Gefühl gegeben wurde, irgendwie ’schuldig‘ zu sein.“ Wie kann das Bürgergeld es also schaffen, mit alten Hartz-4-Klischees zu brechen? „Mehr Ermutigung, Vertrauen und passgenaue Unterstützung stehen im Mittelpunkt des Bürgergelds.“

Empfänger können sich 49-Euro-Ticket nicht leisten

Die zu teils zu geringen Bedarfe spüren Empfänger wohl spätestens wieder ab Mai, denn dort geht der Nachfolger des erfolgreichen 9-Euro-Tickets an den Start. „Das 49-Euro-Ticket ist ein großer Fortschritt, sowohl was Klimaschutz als auch soziale Teilhabe angeht. Für viele Leute ist es eine große finanzielle Entlastung“, so Lang.


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Allerdings sieht das Bürgergeld 45,02 Euro für den Bedarf Verkehr vor – doch das deutschlandweite Ticket kostet 49 Euro. Kommt ein ermäßigtes Ticket für Bürgergeld-Empfänger? „Es ist gut, wenn Länder und Kommunen pragmatische Lösungen für Menschen mit sehr wenig Geld anbieten“, betont die Grünen-Chefin. Allerdings haben Bund und Länder ein gemeinsames Sozialticket bereits ausgeschlossen. Es liegt an den Ländern, verbilligte Tickets anzubieten.