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Grünen-Parteitag: Atomstreit spitzt sich zu! Ricarda Lang: „Wird es mit uns nicht geben“

Der Ampel-Zoff um die Atomenergie bestimmt den ersten Tag des Parteitags der Grünen. Kann Habeck eine Lösung präsentieren. Der News-Blog:

Ricarda Lang auf dem Grünen-Parteitag
© IMAGO / Political-Moments

Die Ampel-Minister Habeck, Baerbock, Lindner privat

Das sind die Ampel-Minister

In der alten Hauptstadt Bonn treffen sich die Grünen zu einer mit Spannung erwarteten Bundesdelegiertenkonferenz. Ukraine-Krieg mitsamt den Waffenlieferungen in das Krisengebiet, drohende Rezession, die Inflation von 10 Prozent, Energiepreiskrise und vor allem der Koalitionsstreit um die Atomenergie beherrschen im Vorfeld die Schlagzeilen. Die Regierungspartei muss Antworten finden auf die drängenden Fragen der Zeit – und genau dieses Motto hat der Parteitag auch: „Wenn unsere Welt in Frage steht: Antwort“.

Zu später Stunde am Freitagabend wird Vizekanzler Robert Habeck nochmal im World Conference Center in Bonn vor den 817 Delegierten sprechen. Zum ersten Präsenz-Parteitag seit 2019, seit den Corona-Jahren. Dann wird es um die Atom-Frage gehen. Und es wird gleich brisant!

Der Grünen-Parteitag in Bonn im Newsblog

22.40 Uhr: Atomkraft nur bis Ende des Winters

Die Grünen legen sich fest: Es bleibt beim Atomausstieg, dafür mit AKW-Reserve im Winter. Danach soll Schluss sein. Realpolitik, aber mit einer dicken roten Linie. Damit endet der erste Tag des Parteitags in Bonn.

22.10 Uhr: Habeck warnt vor möglichen „Stresssituation“ im Winter

Energieminister warnt, dass es im Winter zu einer „Stresssituation“ kommen könne. Laut dem Strom-Stresstest könnten die beiden süddeutschen Atomkraftwerke dann „ein bisschen“ helfen. Sie würden das Problem zwar nicht lösen, aber sie könnten einen Beitrag leisten, neben anderen Maßnahmen, die nun gegangen werden, argumentiert Habeck.

„Darum bitte ich euch als Minister, der am Ende für die Versorgungssicherheit Deutschland verantwortlich ist, diese Möglichkeit zu schaffen“, appelliert der Vizekanzler an den Parteitag.

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21.48 Uhr: „Es ist eine Zumutung“, beklagt Ministerin Steffi Lemke

Bundesumweltministerin Steffi Lemke tut sich schwer damit, dass die beiden süddeutschen Atomkraftwerke nach den Willen der Grünen als Reserve im Winter weiterlaufen sollen. „Jetzt stehe ich hier auf einem Grünen Bundesparteitag und werbe um diese Zumutung“, beklagt sie. In ihrer Rede offenbart sich, wie schwer es für die Grünen als Anti-AKW-Partei ist, diesen Frosch zu schlucken.

21.35 Uhr: Ricarda Lang nimmt sich die FDP zur Brust

Klare Ansage von Parteichefin Ricarda Lang an Christian Lindner: Die Grünen stehen nur zur Verfügung, die beiden süddeutschen AKWs in Einsatzreserve zu halten. Die schlechten Wahlergebnisse der FDP dürften keine Begründung sein, den Kompromiss in Frage zu stellen. „Es ist nicht die Zeit für Parteispielchen“, so Lang. Es brauche die Einsatzreserve für die Netzstabilität in Bayern und Süddeutschland, weil dort Stromttrassen nicht ausgebaut wurden, gibt Lang auch der CSU einen mit.

„Neue Brennstäbe, ein Wiedereinstieg in die Atomkraft, das wird es mit uns nicht geben“, sagt Lang und auch diese Statement ist mindestens genauso an die FDP wie an die eigene Truppe gerichtet. An der Basis kommt diese Ansage gut an.

21.20 Uhr: AKW-Debatte beginnt

Auf dem Parteitag geht es nun um einen neuen Themenblock, der mit Spannung erwartet wird: „Sichere Energieversorgung für den Winter“. Die Atomdebatte wird nun auf dem Parteitag geführt. Es gibt einen Gegenantrag unter anderem vom Berliner Kreisverband Friedrichshain-Kreuzberg, der ein AKW-Aus zum 31. Dezember 2022 fordert, also keine AKW-Reserve für den Winter. Der Bundesvorstand will den 15. April 2022 als Enddatum.

19.15 Uhr: Standing Ovations für emotionale Rede von Habeck

Das erste große Highlight des Parteitags: Vizekanzler Robert Habeck ist da! Robert Habeck teilt aus: „Wir müssen nicht überlegen, wofür wir gegründet wurden und was unser Profil ist.“ Ein Seitenhieb auf die FDP, die aktuell die Sinnfrage der Ampel stellt und sich nach jüngsten Wahlpleiten behaupten will.

„Nie war ich so stolz auf diese Partei“, so Habeck, dem in diesem Moment die Stimme sogar leicht bricht. Er wird aufgefangen vom Applaus der Delegierten. Die Partei wachse über sich hinaus, sagt er danach. Ein emotionaler Habeck zählt grüne Erfolge in der Regierung auf und seine Stimme überschlägt sich, weil er so schnell spricht.

„Es ist manchmal gar nicht schön anzuschauen“, räumt er dann mit Blick auf den Koalitionsstreit mit den Liberalen ein. Es sei aber wichtig, dass Deutschland nun eine progressive Regierung habe, weil die Status-Quo-Politik das Land erst in die derzeitige Lage geführt habe.

Vizekanzler Robert Habeck auf dem Parteitag
Eine energische Rede von Robert Habeck auf dem Parteitag in Bonn. Foto: IMAGO / Political-Moments

Kreml-Herrscher Wladimir Putin wirft Habeck einen „Angriff auf die Menschen“ vor, auch auf die Bevölkerung Russlands. Ein Großteil der Rekruten, die er nun an die Front schicke, werde sterbe oder schwer verwundet werden.

„Wir werden Anfeindungen erleben in diesem Winter“, bereitet der Minister die Parteibasis auf die kommenden Monate vor. „Wir stehen für all das, was Putin und seine deutschen Trolle hassen.“ Doch werde man dadurch nicht schwächer, sondern stärker werden, „als Partei, als Deutschland, als Europa, zu dem die Ukraine gehört“. Die Halle erhebt sich für Standing Ovations.

18.24 Uhr: Ricarda Lang heizt ein – „Karren aus dem Dreck ziehen“

Parteichefin Ricarda Lang heizt den Parteitag ein. „Wer sich in den Sturm stellt, der kann auch mal nass werden“, so Lang. Man dürfte sich aktuell nicht wegducken, sondern müsse Verantwortung übernehmen, schwört sie die Halle ein. Man müsse die verfehlte fossile Energiepolitik der Großen Koalition korrigieren. Die Politiker der Union sollten nicht „besserwisserisch“ daneben stehen, während die Grünen „den Karren aus dem Dreck ziehen“, fordert sie unter großem Applaus der Delegierten. Der Union wirft sie weiter vor, vor der Landtagwahl in Niedersachsen rechte Narrative und russische Propaganda verbreitet zu haben. Es sei sei gut, dass Friedrich Merz keine Verantwortung in diesem Land habe, posaunt sie unter dem Jubel der Basis.

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Den berühmtesten Satz von Altkanzlerin Angela Merkel wandelt sie ab, indem sie ihn erweitert. Es gelte nun: „Wir schaffen das, weil wir handeln!“

Ricarda Lang fordert an die Adresse der FDP ein Tempolimit auf Autobahnen und ein Ende der „Nein-Sager in Ministerien“ für mehr Klimaschutzpolitik. Man brauche „Regierungspartner, die auch mal Ja sagen“. Die FDP würde den Grünen hier freilich das Nein zu längerer AKW-Nutzung entgegenhalten.

Zum Ende ihrer Rede richtet Lang eine Kampfansage an aggressive Wut-Demonstranten und die AfD. Deutschland lasse sich nicht spalten, „und wir werden nicht weichen, denn wir werden gebraucht“. Als sie dafür erneut einen kräftigen Applaus bekommt, ergänzt sie: „Ich gehe mal von der Bühne, bevor ich anfange zu heulen“. Diese Rede ist definitiv Balsam für die grüne Seele.

16.40 Uhr: Stürmischer Empfang für die grünen Delegierten

Vor dem World Conference Center in Bonn haben sich einige Demonstranten eingefunden, die den Delegierten der Grünen ihre Botschaften mit auf den Weg geben. Vehemente Kritiker der Waffenlieferungen an die Ukraine haben sich versammelt, ebenso strikte AKW-Gegner und Vertreter von Fridays for Future, die sich für den Verbleib der Ortschaft Lützerath stark machen.

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In der Kohle-Einigung zwischen der schwarz-grünen Landesregierung und dem Energiekonzern RWE wurde entschieden, dass Lützerath den Baggern weichen muss. Dieses Thema könnte besonders am Sonntag, dem finalen Tag des Parteitags, noch für hitzige Diskussionen sorgen. Dann spricht auch auch FFF-Frontfrau und Grünen-Mitglied Luisa Neubauer.

Proteste vor Grünen-Parteitag
Demonstranten vor dem grünen Parteitag in Bonn. Foto: Marlen Schubert

16.20 Uhr: Atomstreit der Ampel ist bestimmendes Thema vor dem Grünen-Parteitag

Um kurz nach 16 Uhr ging es los mit dem Parteitag der Grünen in Bonn. Parallel ist der Ampel-Streit um die Atomkraftwerke noch nicht beigelegt. Die SPD macht Druck. Parteichef Lars Klingbeil sagte bei „Markus Lanz“ am Donnerstagabend: „Ich will, dass das in dieser Woche abgeräumt wird.“ Und zwar unideologisch. Eine Spitze des Sozialdemokraten an die Adresse der Grünen?


Spannender Antrag auf dem Parteitag: Grüne: Post an alle Haushalte? DAS könnte bald in deinem Briefkasten landen


Die FDP will durchsetzen, alle alle drei verbliebenden und noch aktiven Atomkraftwerke, also auch das im Emsland, über den 31. Dezember im Betrieb bleiben. Mehr noch: Die Liberalen verlangen sogar, dass Deutschland neue Brennelemente bestellt und die AKW angesichts der Gas- und Stromkrise bis mindestens 2024 am Laufen hält. Die Grünen sagen Stopp! Neue Brennelemente werde es mit ihrer Partei nicht geben, machte Vorsitzende Ricarda Lang im Vorfeld des Parteitreffens im Bayerischen Rundfunk klar.

Habeck Parteitag
Robert Habeck unter Druck: Findet der Ampel-Vizekanzler einen Ausweg aus dem Ampel-Streit? Foto: IMAGO / Political-Moments, IMAGO / Marc John

Die Parteispitze will, dass nur die beiden süddeutschen AKW Isar 2 (Bayern) und Neckarwestheim 2 (Baden-Württemberg) als Notreserve für den Winter zur Verfügung stehen. Ein Streckbetrieb bis spätestens Mitte April 2023. Und dann Ende! Dies sei „ein guter Kompromiss“, findet Lang an die FDP gerichtet.


Noch ein brisanter Antrag: Energiekrise: Brisante Idee bei Grünen! Nur noch jeden zweiten Sonntag Autofahren?


Wie die Ampel den grundsätzlichen Konflikt lösen will, steht in den Sternen. Durch die jüngsten Wahlpleiten will die FDP einen Erfolg vorweisen, doch auch die grüne Basis wird nicht abweichen wollen vom Anti-AKW-Kurs als DNA der Partei. Auch wenn selbst Greta Thunberg lieber auf aktive Atomkraftwerke als auf die Reaktivierung von Kohlekraftwerke setzen würde.

Ob die Antwort auf den Ampel-Zoff ausgerechnet auf dem Grünen-Parteitag gefunden werden, ist unwahrscheinlich. Wie sehr der Ampel-Streit am Nervenkostüm von Energieminister Habeck nagt, war bei seinem Interview in den ARD-Tagesthemen zu sehen.