Für Bundeskanzlerin Angela Merkel sind die Bürger-Dialoge inzwischen zur Routine geworden. Seit vergangenem Herbst stellt sie sich in der digitalen Dialogreihe „Die Bundeskanzlerin im Gespräch“ den Bürgerinnen und Bürgern. In der Pandemie haben die Treffen allerdings an Aufmerksamkeit gewonnen.
Denn Corona zehrt an Kräften und Nerven – entsprechend deutlich fielen einige Rückmeldungen gegenüber Kanzlerin Angela Merkel bei vergangenen Treffen aus. Am Dienstag wird sie ab 14 Uhr mit 14 Vertreterinnen und Vertreter der Kunst- und Kulturwirtschaft sprechen. Wir werden einen entsprechenden Stream hier bereitstellen. Die große Frage im Vorfeld: Fliegt der Kanzlerin wieder der Corona-Frust um die Ohren?
Angela Merkel im Bürger-Dialog: Ab 14 Uhr hier im Stream – blasen ihr die Künstler den Marsch?
15.30 Uhr: Die Bilanz von Heidrun Derks, Museumsleiterin, falle „sehr gemischt aus“. In Sachen Digitalisierung und Technologie habe man einen Quantensprung gemacht. „Dafür bin ich dieser Situation, das mag komisch klingen, dankbar.“ Gleichzeitig seien leider viel Bildungsangebote ausgefallen. Museen seien für viele Politiker noch Freizeitorte, der Bildungsaspekt spiele kaum eine Rolle.
Merkel bedankte sich zum Abschluss für die Teilnahme am Dialog. Sie werde sich das „alles ganz genau anschauen“. Man müsse nun für die Zukunft planen, auch mit Blick auf eine mögliche weitere Pandemie in ferner Zukunft. Sie machte den Teilnehmern Mut: Die Kultur werde weiter eine wichtige Rolle spielen. Damit ist der Bürgerdialog beendet.
15.15 Uhr: Katharina Schmidt, Schauspielerin, vorwiegend an Privattheatern beschäftigt. Sie habe das vergangene Jahr ALG 1 bekommen, doch nun drohe ihr Hartz 4. „Kann das nicht verlängert werden in Zeiten der Pandemie?“, will Schmidt wissen. „Wir müssten das dann für alle Bezieher von Arbeitslosengeld 1 ändern“, das sei nicht so einfach, so Merkel. Aufgrund von Perspektivlosigkeit würden sich in ihrem Umfeld bereits Menschen vom Beruf abwenden, das könnte die Theater vor Probleme stellen, fürchtet Schmidt.
15.10 Uhr: Farouk El-Khalili, Schauspieler: „Ich sehe schwarz für die Zukunft.“ Natürlich gebe es die Möglichkeit, in Film und Fernsehen aufzutreten, die Absicherung durch Theater-Schauspiel falle nun weg. „Jetzt überlege ich bei Lidl oder Rewe anzufangen, um mein Grundeinkommen zu bekommen. Ich kann nicht mit 720 Euro im Monat leben. Was soll ich tun? Ich kann keine Bank überfallen. Ich versteh die Maßnahmen, ich verstehe das alles“, aber die Transparenz für gewisse Antworten und eine Zukunftsperspektive fehlten einfach.
14.55 Uhr: Fiona Stevens, ebenfalls freie Musikerin aus Köln: In der Klassik werde es sehr viele Probleme nach der Pandemie geben, da es für Produktionen zum Teil zwei Jahre Vorlauf gebe: „Wir werden zwei Jahre brauchen, um überhaupt wieder auf die Füße zu kommen.“
14.53 Uhr: Christina Lux, freie Musikerin aus Köln: „Ich muss ihnen da doch deutlich widersprechen, dass die Wirtschaftshilfen da ankommen wo sie ankommen sollen. In meinem Fall ist das wie bei vielen Kollegen so, dass das nicht der Fall ist.“ Es habe einen „radikalen und schlimmen“ Einbruch gegeben. „Der Soloselbstständige ist ausgeliefert den Dingen, die da kommen, und hat im Fall eines Musikers kaum die Möglichkeit, eine wirkliche Kompensation zu erlangen. Es ist so schmerzhaft zu sehen.“ Sie habe noch rund ein Drittel oder weniger ihres ursprünglichen Monatseinkommen zur Verfügung. „Ich bin nur in der Lage, dadurch dass ich mir einen Fankreis aufgebaut habe, so weiterzugehen. Alle meine Kollegen können das nicht.“ Die Wirtschaftshilfen würden nicht da greifen, wo sie es müssten.
14.45 Uhr: Marion Closmann, Kino-Betreiberin in Marburg: „Für uns Kinos wäre es immens wichtig, dass wir eine Perspektive haben, dauerhaft aufmachen zu dürfen“. Betrieb für zwei Wochen würden kaum etwas bringen, die Filmverleiher würden keine Filme auf den Markt bringen bei so vielen Unsicherheit. Ohne Filme sei ein Kino nun einmal nur sehr schwer zu betreiben. „Nochmal so wie im vergangenen Jahr, dass halten wir nicht nochmal durch“, appelierte Closmann.
Die Streamingdienste würden aktuell die Filme vom Markt „saugen“. „Es wäre für uns ganz wichtig, unsere Exklusivität am Anfang der Verwertungskette beizubehalten“, so Closmann. Man dürfe nicht der Macht der internationalen Betriebe ausgesetzt werden. Merkels Antwort: Schnelle Öffnungen ohne sinkende Inzidenz seien nicht realistisch.
14.40 Uhr: Arne Linde, Galleristin aus Leipzig, lobte die Senkung der Mehrwertsteuer im vergangenen Jahr, nun treffe sie die Erhöhung der Mehrwehrtsteuer. Sie habe eine „Ungleichbehandung der bildgenden Kunst gegenüber anderen Disziplinen“ wahrgenommen.
In der Bildenden Kunst und im Galleriebereich werde es viele Nachwirkungen geben, sonst werde „das dicke Ende“ noch kommen – „das seh ich ein“, so die Kanzlerin.
14.32 Uhr: Thomas Siffling, Jazzclub-Betreiber und Trompeter zum Thema Bewegung von Bevölkerung aufgrund von Kulturangeboten: „Bei allem nötigen Respekt, ich kann es nicht mehr hören.“ Wenn man über EM-Spiele in München rede, und der Kulturbereich weiter geschlossen bleibe, könne das niemand verstehen. „Wir haben aber noch keine Zuschauer zugesagt. Wir können nicht dem Fußball die Zuschauer geben, aber Ihnen nicht“, schiebt die Kanzlerin ein.
„Das ist überhaupt keine Perspektive, mit der wir arbeiten können“, so Siffling über die Corona-Maßnahmen. Merkel entgegnet, sie habe bei jedem Öffnungsschritt der geplant ist, auch einen Aspekt der Kultur berücksichtigt. „Ich glaube, dass wir doch eine bessere Perspektive haben. Ich weiß nicht wer sich noch erinnert, im letzten Sommer waren wir bei einer Inzidenz von 3“, so die Kanzlerin, und kündigte an: „Ich habe die Hoffnung, dass Sie im Sommer mehr kriegen, als nur die Überbrückungshilfe 3, sondern auch einige Konzerte.“
14.22 Uhr: Katrin Schmidt, seit 27 Jahren Buchhändlerin in Germering, kritisiert, dass Besteller-Bücher bei den Discountern zum Verkauf stünden, die Buchhändler aber ihr Angebot nicht bereitstellen dürfen: „Das ist für mich nicht nachvollziehbar und als Unternehmerin nur schwer auszuhalten.“ Zudem gebe es keine Planbarkeit: Ständig würden neue Regelungen gelten, mal seien Buchhandlungen systemrelevant, dann wieder nicht.
Insgesamt gebe es auch mit Hygienekonzepten mehr Bewegung: Wenn Einzelhändler öffneten, also auch die Bundesländer, kämen die Menschen wieder in die Innenstädte. „Mit dem Virus kann man nicht verhandeln“, so Merkel. „Keiner Versteht es mehr und stellt deswegen auch alles andere in Frage. Wenn die Leute nichts mehr haben, woran sie sich halten sollen, dann stellen sie alles in Frage. Und das Virus lacht sich ins Fäustchen“, kritisierte Schmidt. Merkel daraufhin: „Ich kann Sie nur um Verständnis bitten, und dass es schnell jetzt in eine andere Richtung geht.“
14.12 Uhr: Martin Hennecke, Schlagzeuger am Saarländischen Staatstheater, hofft auf baldige Öffnungen und lobte die Modellregion Saarland. Hier seien erste Konzerte in den vergangenen Wochen möglich gewesen, nun habe die Corona-Notbremse alles wieder gestoppt. „Das dumme ist nur, dass das Saarland nun wieder über 100 ist“ – entgegnet Merkel mit Blick auf die Inzidenz. Prinzipiell könnten alle Länder Konzepte für Kultur vorstellen, dafür müsse die Inzidenz aber nun einmal unter 100 liegen. Mit Testen und einigen Tagen Lockdown müsse man nun dafür kämpfen, dass es das Saarland wieder dahin schaffe. „Unter 100 und Sie können wieder das machen, was Sie vorher gemacht haben.“
Hennecke äußerte die Sorge, dass die harte Zeit auf die Theater erst komme, wenn die Corona-Maßnahmen aus den vergangenen Monaten bezahlt werden müssten. Dann könnten die Kultur-Etats deutlich beschnitten werden. „Jetzt sorgen wir erst mal dafür, dass sie alle wieder spielen können, musizieren können“, versuchte Merkel ihm die Sorgen zu nehmen. Eine Prognose für die nächsten Jahre wollte sie aber nicht treffen.
14.05 Uhr. 90 Minuten sind für das Gespräch vorgesehen. „Ein herzliches Willkommen an Sie alle“, richtet sich Merkel an die Künstler und Künstlerinnen. „Ich freu mich von Ihnen zu lernen und mit ihnen zu sprechen.“ Gestartet hatte Merkel die Reihe vor dem harten Winter, nun sei ein Licht am Ende des Tunnels erkennbar. Die Zeit der Entbehrung werde „nicht mehr so lang“ sein.
Merkel sagte, sie könne den aktuellen Frust der Künstler verstehen. „Dass man seinen Beitrag zur jetztigen Zeit leisten will, das versteh ich sehr gut“. Kunst sei mehr als nur die staatlichen Hilfen. „Wer jetzt nicht singen kann oder sprechen kann, da gehen auch Fähigkeiten verloren. Es ist eine traurige Zeit.“
13.55 Uhr: Das Gespräch mit der Bundeskanzlerin startet in wenigen Minuten
Im März hatte Kanzlerin Angela Merkel mit Mitarbeitenden von Seelsorgetelefonen in Deutschland gesprochen. Diese hatten die schwere Lage vieler Anrufer verdeutlicht und eindringlich geschildert, wie viele psychologisch nur noch auf dem Zahnfleisch gingen.
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Das ist Angela Merkel:
- Geboren am 17. Juli 1954 in Hamburg als Angela Kasner
- Wenige Wochen nach ihrer Geburt zog Merkels Familie in die DDR, weil ihr Vater dort eine Stelle als Pfarrer antrat
- 1978 schloss Merkel ihr Diplom mit der Note „sehr gut“ ab und machte 1986 ihren Doktor im Bereich Chemie
- Nach dem Fall der Mauer begann Merkel, sich politisch zu engagieren, trat 1990 schließlich in die CDU ein
- Nach sieben Jahren in der Opposition wurde Merkels CDU bei der vorgezogenen Bundestagswahl 2005 knapp zur stärksten Kraft – und sie damit zur Kanzlerin
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Auch der Bürger-Dialog Anfang Februar hatte für Furore gesorgt. Insgesamt 14 Mütter und Väter äußerten viel Kritik – und vergossen auch Tränen. Vor allem die Schilderungen einer Migrationshelferin aus Bochum sorgten für bewegende Momente.
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Am Dienstag um 14 Uhr sind es Menschen aus Musik und Schauspiel, Film und Buchhandel, Kunstwirtschaft, Museumslandschaft sowie Vertreter der freien Berufe, die mit der Kanzlerin in Dialog treten. Das bietet einiges an Spannungspotenzial: Schließlich liegen kulturelle Angebote seit über einem Jahr fast durchgehend brach.
Thematisch soll es unter anderem um die Erfahrungen aus der Pandemie, den unmittelbaren Handlungsbedarf sowie die digitalen Perspektiven der Kulturwirtschaft für die Zeit nach der Pandemie gehen.
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(dav)