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„Jupiter Jones“-Sänger Nicholas offen – „Es gibt Dinge, die ich nicht machen sollte“

Mehr als elf Jahre nach ihrem Superhit „Still“ melden sich „Jupiter Jones“ zurück. Wir haben mit der Band gesprochen.

Jupiter Jones
„Jupiter Jones“-Sänger Nicholas Müller bei einem Konzert im August 2022. Foto: IMAGO / BOBO

Ende des Jahres ist es so weit. Am 30. Dezember veröffentlichen „Jupiter Jones“ ihr neues Album „Die Sonne ist ein Zwergstern“. Elf Jahre nach ihrem Superhit „Still“ ist die Band aus der Eifel also wieder am Start.

Wir haben mit Nicholas Müller und Sascha Eigner über den Neustart mit „Jupiter Jones“, Nicholas‘ Angststörung und das neue Album gesprochen.

Redaktion: Anfang Januar 2021 erschien eure Single „Überall waren Schatten“, Ende dieses Jahres erscheint das dazugehörige Album. Warum habt ihr euch so lange Zeit gelassen?

(Beide lachen)

Sascha Eigner: „Wie viel Zeit hast du?“

Ich habe heute nichts mehr vor.

Nicholas Müller: „Ich glaube, die unpopulärste Antwort ist auch die zutreffendste. Zwischendrin war halt Corona. Wir haben 2019 um Ostern herum beschlossen, dass wir wieder eine Band sein wollen und haben dann auch schon angefangen, Songs zu schreiben. Eigentlich gab es das hehre Ziel, Ende 2020 mit dem damals stattfindenden Reeperbahn-Festival wieder an die Menschen heranzutreten. Dann kam jedoch Corona und alles, was wir uns so schön zurechtgelegt haben, war Makulatur. Genauso ging es dann auch mit der Produktion der Platte weiter.“

Inwiefern?

Nicholas: „Wir sind oft an ganz simplen Themen hängengeblieben. ‚Lass doch mal treffen‘ oder ‚lass doch mal ein paar Musikerinnen und Musiker ins Studio einladen‘. Das ging streckenweise gar nicht. Dann kam hinzu, dass wir trotzdem auch touren wollten. Wir haben zwei schöne und erfolgreiche Festivalsommer gespielt, die aber wahnsinnig viel Zeit in Anspruch genommen haben. Das Ergebnis aus alldem ist ein Album, das zwei Jahre gebraucht hat.“

Sascha: „Dazu kam auch noch, dass wir nach fünf Jahren Pause so ein bisschen reinkommen mussten. Bis wir so ein festes Setup hatten, mit dem wir uns wohlgefühlt haben und mit dem es dann auch richtig funktioniert.“

Glaubt ihr, dass diese zwei Jahre dem Album gutgetan haben?

Nicholas: „Es war tatsächlich Fluch und Segen. Auf der einen Seite hast du mehr Zeit, auf der anderen Seite gibt es dir aber auch wahnsinnig viele Möglichkeiten und Gelegenheiten, Sachen zu zerdenken. Ich erinnere mich an ‚Vielleicht‘, die Single zum Album. Der Song ist schon sehr früh entstanden und den haben wir so oft auf links gezogen, dass wir irgendwann selbst nicht mehr so richtig wussten, worum es eigentlich geht.“

Sascha: „Rein vom Klang her klingt ein Song wie „Überall waren Schatten“, der sehr früh veröffentlicht wurde, anders, als „Bleibt zusammen“. Einfach weil eine so lange Strecke dazwischenliegt und so viel passiert ist. Das wäre so nicht passiert, wenn wir das kompakter gemacht hätten. Ich wäre etwas zufriedener, wenn es etwas kompakter gewesen wäre (lacht). Aber es ist nun so, wie es ist. Ich bin am Ende trotzdem glücklich mit der Platte.“

Wobei der Schaffensprozess auch spannend für die Hörer ist…

Nicholas: „Das ist aber keine romantische Geschichte mehr, wie beispielsweise 1990, wo Bands fünf, sechs Jahre an ihrer Platte rumgefuhrwerkt haben, um sie dann zu produzieren und zu veröffentlichen. Mittlerweile musst du im Vorfeld einer Platte so viele Singles herausbringen, dass wir auch ständig produzieren mussten. Die ganze Musikwelt hat sich dahingehend gedreht, dass du aufgrund der Streamingplattformen ständig Songs herausbringen musst. Das war für mich tatsächlich komplett neu. Ich weiß nicht, ob das eine gesunde Entwicklung ist.“

Warum sollte man sich noch die Platte kaufen, wenn alles schon abrufbar ist?

Sascha: „Die Frage habe ich sehr oft unserem digitalen Vertrieb gestellt (lacht). Die Antwort ist: Die Leute, die sich ein physisches Produkt kaufen, sind Super-Fans. Die kaufen das gar nicht, um das zu hören, sondern um es sich ins Regal zu stellen.

Nicholas: „Wahrscheinlich laufen wir auf Produkte heraus, die dann noch eine besondere Haptik mit sich bringen, oder besonders gut riechen…“

Das gab es doch Anfang der 2000er schon mal. Ich erinnere mich an eine CD, die nach einem bestimmten Sommerduft roch.

Nicholas: „Ist das so? Dann wird es Zeit.“

Sascha: „Kollaboration mit Jeremy Fragrance.“

Nicholas: „Oh Gott…“

Ein Blick zurück: 2011 hattet ihr mit „Still“ einen Megahit. Spürt ihr den Druck, den Erfolg zu wiederholen?

Nicholas: „Man muss alles, was wir nach ‚Still‘ gemacht haben, entkoppelt von ‚Still‘ sehen. Wir haben uns selbst gewundert. Das war ein Song, der schon echt lange rumlag. Im ersten Textentwurf ging es um eine alte Frau, die nicht mehr selbst die Treppe herunterkam. Das wäre wahrscheinlich kein Hit geworden (lacht). Wir müssen uns nicht an ‚Still‘ messen. Ich finde es aber okay, dass ‚Still‘ in den meisten Fällen mit uns zusammen gedacht wird, da es uns einfach wahnsinnig viel Glück gebracht hat.“

Aber ihr habt euch nicht an ‚Still‘ sattgehört?

Sascha: „Nein, alles, was wir live spielen, mögen wir auch. Es gibt Songs, die funktionieren für uns nicht mehr. Bei ‚Still‘ macht es aber tatsächlich noch immer viel Spaß, ihn zu spielen.“


2023 gehen Jupiter Jones wieder auf Tour:

  • 6. Januar 2023 Hamburg, 7. Januar Bremen, 13. Januar Trier, 14. Januar Köln
  • 10. Mai 2023 Hannover, 11. Mai Bochum, 12. Mai Saarbrücken, 13. Mai Münster, 17. Mai Hannover, 18. Mai München, 19. Mai Dresden, 20. Mai Leipzig, 21. Mai Berlin

Nicholas, du hast 2014 die Band verlassen, weil eine Angststörung bei dir diagnostiziert wurde. Wie kommst du heute mit der Krankheit klar?

Nicholas: „Angst ist ein sehr breitgefächertes Ding und auch ein essenzieller Teil jedes Lebens. Deswegen würde ich das zweiteilen. Die pathologische Angst, also das, was mich wirklich davon abgehalten hat, ein ganz normales Leben zu führen, da ging es ja nicht nur um Shows – da ging es darum, in den Supermarkt zu gehen, Behördengänge zu machen oder morgens einfach aufzustehen und zu existieren, das ist mittlerweile Geschichte. Auf der anderen Seite ist Angst ein Instinkt und etwas, dass dich dein ganzes Leben lang begleitet, weil es sinnvoll ist und dich vor Dingen warnt und bewahrt, die du nicht machen solltest. Deswegen habe ich mittlerweile meinen Frieden mit der Angst gemacht. Ich weiß, dass sie ein Teil von mir ist und ich weiß, dass ich vulnerabel bin und auf mich aufpassen muss. Ich weiß aber auch, dass es Dinge gibt, die ich nicht machen sollte. Ich sollte zum Beispiel nicht irgendwo hochklettern, weil ich Höhenangst habe. Ich sollte also nicht in einen Hochseilgarten gehen, ich werde da eine Panikattacke haben. Das normale Leben und selbst das Leben unter Belastung, wie wir sie gerade alle spüren, macht mir keine Angst mehr. Das ist das Auskommen aus vielen Stunden Therapie und vielen Skills, die ich erlernt habe. Dementsprechend: Nein, die Angst hält mich von nichts mehr ab und wenn sie kommt, was sie super selten tut, das ist einmal im Jahr, würde ich sagen, dann lasse ich sie kommen, verhandele kurz mit ihr und bin dann froh, wenn wir unseren Frieden geschlossen haben.“

Um Angst geht es auch in eurem Song „Der wichtigste Finger einer Faust“. Für mich klingt darin auch die Intention an, euren Töchtern die Welt zu erklären und ihnen zu zeigen, dass nicht alles nur gut ist.

Nicholas: „Es gibt eine kurze Anekdote. Dieses Lied ist entstanden, weil meine Tochter eine große Aversion gegen den Mittelfinger hat. Ich habe ein Tattoo, da ist ein Mittelfinger drauf und sie findet das ganz schrecklich. Ich habe mich dann irgendwann mit ihr darüber unterhalten, dass es auch Menschen gibt, denen man den ruhig zeigen kann, weil sie halt irgendwas verkehrt machen. Jetzt wohnt sie mit ihrer Mutter zusammen in der Nähe einer germanischen Burschenschaft. Wann immer die an ihrem Zimmer vorbeimarodieren, steht sie an ihrem Kinderzimmerfenster und zeigt ihnen den Finger. Ich glaube, besser kann man den Song einfach nicht erklären.“


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In den letzten Jahren haben Jugendliche und auch Kinder immer mehr gelernt, auch den Mittelfinger zu erheben. Wie steht ihr zu Bewegungen wie beispielsweise „Fridays for Future“ oder der „Letzten Generation“?

Sascha: „Ich finde ‚Fridays for Future’ großartig. Die Intention von der „Letzten Generation“ finde ich gut, bin aber kein Fan davon, wie sie es machen. Ich finde es wichtig, weil viele stumpfe, altbackene Almans nicht verstehen, was mit der Welt los ist. Aber ich befürchte, so wie sie es machen, sprechen viele Leute mehr über die Methoden als über die Inhalte. Das ist oft am Ziel vorbei. Bei ‚Fridays for Future‘ finde ich es großartig, dass so eine große Menge an jungen Menschen den Politikern dermaßen in den Arsch getreten haben in den vergangenen Jahren, dass sie zumindest verstanden haben, dass da ein großes Problem ist.“

Nicholas: „Unterschreibe ich. In meiner Jugend, die in den 90er-Jahren stattgefunden hat, war das immer ein Job der Subkultur. Herauszugehen und auf die Kacke zu hauen. Ich bin so glücklich darüber, dass das mittlerweile Popkultur geworden ist. Und das sage ich ohne jede negative Konnotation. Es ist wichtig, dass es mittlerweile Teil der täglichen Nachrichten geworden ist, dass Menschen, die darum kämpfen und verhandeln, länger auf der Welt bleiben zu dürfen, eine Stimme bekommen. Ich freue mich auch, dass meine Tochter in eine Kita gegangen ist, die an diesen Demonstrationen teilgenommen hat. Ich freue mich, dass das für sie ein Thema ist und sie sieht und versteht, dass sie auch etwas ändern kann.“