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„Nord Nord Mord“ im ZDF ist mehr Reisemagazin als Krimi

„Nord Nord Mord“ im ZDF ist mehr Reisemagazin als Krimi

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Nord Nord Mord - Clüver und die fremde Frau Foto: ZDF/ Gorden A. Timpen
Nervige Gören, grobe Charaktere und bemühte Lustigkeit: Der ZDF-Krimi am Dienstagabend „Nord Nord Mord – Clüver und die fremde Frau“ kann nicht überzeugen. Ein Postkarten-Idyll von Sylt ist ein bisschen wenig für solch ein Nordsee-Drama.

Essen. 

Sylt ist, wie allseits bekannt, die Insel der Schönen und der Reichen. Selbst der Polizist residiert unterm noblen Reetdach, bettet sein weises Haupt auf mondänem Satin und bereitet den Darjeeling First Flush in einer ganz entzückenden Landhaus-Küche zu.

Erstaunlicherweise fährt er nicht Porsche, wie alle anderen auf Sylt, sondern Opel, aber das erklärt sich letztlich durch einen Blick auf die Sponsorenliste im Abspann des Krimis „Nord Nord Mord – Clüver und die fremde Frau“, den das ZDF am Mittwoch um 20.15 Uhr ausstrahlt.

Robert Atzorn gibt den Kommissar Clüver, schon zum zweiten Mal, und alles in allem hat die Produktion in Erwartung eines Serienhits die Besetzungsliste prominent gefüllt. An Drehbuch und Dialogregie wurde dagegen gespart. Die Geschichte um eine geheimnisvolle Wasserleiche, die zu einem Sündenpfuhl voll Erpressung, Erbschleicherei und Gier führt, wird nicht besonders clever erzählt und leidet vor allem an einer folgenschweren Fehlbesetzung.

Eis essen in Venedig

Henrike von Kuick soll einen rätselhaften Vamp spielen, nervt uns aber stattdessen als zickige Göre. Das raubt dem Drama die Glaubwürdigkeit. Wer der Sylter Männerwelt den Kopf verdreht und sie dazu bewegen will, zum Eis essen nach Venedig zu segeln, sollte nicht wie eine Rockerbraut über den Sand latschen. Eis essen in Venedig – das ist auch ein weiteres Problem dieser Reihe, die ihren Rhythmus noch nicht gefunden hat.

Man will Humor zeigen und verfällt zu oft in bemühte Lustigkeit. Cluevers Assistent, eigentlich gut ausgesucht mit dem pfiffigen Oliver Wnuk, ist beispielsweise viel zu grobschlächtig auf den neunmalklugen Streber festgelegt, der mit den neuesten Erkenntnissen der Wissenschaft auf Täterjagd gehen will und dabei das Polizeirevier mit dem Chemiebaukasten ausräuchert, hahaha.

Sieben Leichen, ohne Gewähr

Was denn nun genau geschah und wer der Mörder ist, wird wie in der guten alten Zeit erst ganz am Ende aufgeklärt. Bis dahin haben wir immerhin sieben Leichen gezählt, ohne Gewähr. Da könnte man doch auf die Idee kommen, es handele sich hier um ein prall gefülltes Drama, bei dem keine Minute zu viel ist. Weit gefehlt. Man hätte das ganze auch auf die Hälfte dieser angestrengten 90 Minuten eindampfen und im Vorabend ankern können.

So ertappt sich der Zuschauer dabei, den ausgewalzten Mittelteil als Reisemagazin zu missdeuten. Der Kommissar ermittelt vor Ort auf Sylt rund um einen furchtbaren Massenmord, und unsereins denkt: Ach guck mal, ist das nicht die reizende Boutique in Kampen, wo schon das T-Shirt 200 Euro kostet, und hat man jemals erlebt, dass der Parkplatz in Tinnum so leer war?

Postkarten-Idyll – das ist erst mal ein bisschen wenig für dieses Nordsee-Drama, aber was nicht ist, kann ja noch werden. Wie sagt man auf Sylt: abwarten und Tee trinken, natürlich in einer ganz entzückenden Landhaus-Küche.