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Gelsenkirchen: Ein Tag in der JVA – plötzlich allein mit einem Häftling eingeschlossen

DER-WESTEN-Reporter Stefan Schier erlebt, wie ein Haftantritt in der JVA Gelsenkirchen aussieht. Inklusive einer Überraschung, die Mut erfordert.

JVA Gelsenkirchen: Das spielt sich bei einem Haftantritt ab.
© IMAGO/Funke Foto Services

Gewahrsam? Festnahme? Was diese Polizei-Begriffe wirklich bedeuten

Was passiert eigentlich genau hinter den hohen Gefängnismauern, wenn ein Häftling seine Haftstrafe antreten muss? Die JVA Gelsenkirchen hat mir die Möglichkeit gegeben, einen Haftantritt selbst hautnah zu erleben. In Teil 1 der DER-WESTEN-Reportage (hier nachzulesen) erlebte ich das erste Mal, wie sich Gefängniszellen von innen anfühlen. Außerdem wurde ich komplett mit Sträflingskleidung ausgestattet.

Jetzt stehen für mich die ersten Gespräche auf der Zugangsstation und der wichtige medizinische Test an. Dazwischen hatte ich allerdings eine Begegnung der besonderen Art, die mir viel Mut abverlangte.

JVA Gelsenkirchen mit besonderem Auge auf Suizid-Gefahr

„Sind Sie Raucher oder gibt es irgendwelche Besonderheiten bei Ihren Mahlzeiten?“, fragt mich der JVA-Zugangsbetreuer. Veganes Essen können sie in der JVA Gelsenkirchen nicht anbieten, aber laktosefreie Produkte schon, so erklärt der Betreuer. Außerdem möchte er wissen, ob ich zum ersten Mal im Gefängnis bin, denn das ist wichtig, um den richtigen Zellenplatz zu finden. Auf der Zugangsstation werde immer versucht, den Häftlingen ein wenig den Stress zu nehmen.

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Besteht ein Drogen- oder Alkoholproblem? Falls ja, dann wird der Häftling in einer Sicherungszelle untergebracht. Es wird auch immer darauf geachtet, ob eine Suizid-Gefährdung besteht. Für all diese Fragen ist der Zugangsbetreuer da. Er führt mit jedem einzelnen Häftling das Aufnahmegespräch über 10 bis 15 Minuten. 

Einzelhaftraum bewohnt.
Bewohnter Einzelhaftraum in der JVA Gelsenkirchen. Foto: Marisa Schräder

Am Ende wird entschieden, ob die Inhaftierten in eine Einzelzelle kommen. So eine Zelle ist sehr beliebt bei den Häftlingen. Alternativ geht es auf eine Vier-Mann-Zelle mit Hochbetten und dementsprechend wenig Privatsphäre. Um meine persönliche Unterbringung in einer Zelle abzuschließen, muss ich noch zum Sanitätsdienst, um mich einmal komplett durchchecken zu lassen.

Plötzlich mit einem Häftling eingeschlossen

Bevor ich zur Gefängnisärztin komme, werde ich noch in einer Wartezelle untergebracht. Diesmal bin ich aber nicht allein. In der abgeschlossenen Zelle, mit dünnen und dicken Gitterstäben vor dem Fenster, sitzt mir jetzt ein anderer Häftling auf der Bank gegenüber. Ich komme rein, wir grüßen uns kurz. Ich setze mich auf die linke Bank und schaue mich um. Unsere Blicke kreuzen sich und wir gucken uns tief in die Augen.

Wer ist der Mann? Herrscht hier Gefahr? Ich versuche, ihn immer im Blickwinkel zu haben. Wir warten beide auf das gleiche: die medizinische Untersuchung, um eingestuft zu werden. Als er aufsteht und scheinbar in meine Richtung kommt, bin ich wachsam. Er wendet sich aber von mir ab, stellt sich genau vors Fenster und schaut heraus. Er trägt schwarze Schuhe, eine blaue Jeans und einen burgunderroten Pullover, genau wie ich!

Er hat eine Glatze, trägt eine silberfarbene Brille mit dünnem Gestell und ich schätze ihn zwischen 50 und 60 Jahren ein. Er wippt mit den Füßen hin und her und wirkt genervt. Dann atmet er tief durch und raunt: „Immer diese Warterei.“ Ich stimme ihm zu.

JVA Gelsenkirchen: Wir kommen ins Gespräch

Die Situation entspannt sich ein wenig, weil wir ins Gespräch kommen. „Ich bin wegen einer blöden Sache hier. Wegen einer Rechnung, die ich nicht bezahlt habe. Ich habe nicht drauf geachtet und andere auch nicht. Dann kam vor einer Woche die Polizei und sagte, dass ich in Haft muss. Wie lange? Keine Ahnung. Ich bin wegen 1.500 Euro im Knast.“

Ich frage ihn, wie die ersten Stunden für ihn im Gefängnis waren. „Bis jetzt war alles gut, aber wie es in Zukunft ist, wird man sehen.“ Er meint damit seine zukünftigen Mithäftlinge. Er fragt mich: „Was haben die für Zellen hier?“ „Einzelzellen und Vier-Mann-Zellen“, antworte ich dem Mann. Er nickt.


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Die Strafe des Häftlings nennt man Ersatzfreiheitsstrafe, erklärt mir JVA-Pressesprecherin Marisa Schräder später. Also eine Freiheitsstrafe, die verhängt wird, wenn eine vom Gericht im Strafverfahren auferlegte Geldstrafe nicht bezahlt werden kann und auch die Zwangsvollstreckung nicht erfolgreich ist. Das kann entweder aufgrund fehlender finanzieller Mittel oder bewusster Verschleierung sein, so Schräder.

Becher für die Urinprobe in der JVA Gelsenkirchen.
Becher für die Urinprobe in der JVA Gelsenkirchen. Foto: Marisa Schräder

Anschließend werde ich von einem JVA-Mitarbeiter aufgerufen. Ich solle in einen Plastikbecher pinkeln. Wie die medizinische Untersuchung im Gefängnis genau abläuft und wie es sich anfühlt, das erste Mal allein in einer Zelle zu sein, erfährst du hier in einem weiteren Artikel.