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„Menschenverachtende Tat“: Gericht verurteilt Frau und zwei Männer zu überraschend langen Haftstrafen

„Menschenverachtende Tat“: Gericht verurteilt Frau und zwei Männer zu überraschend langen Haftstrafen

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Das Essener Landgericht hat Britta Assauer wegen Unterschlagung in zweiter Instanz zu einer Bewährungsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Foto: Oliver Müller / WAZ FotoPool
  • Sie lockten einen Bekannten in ihre Wohnung und quälten ihn stundenlang
  • Dafür müssen eine Frau und zwei Männer nun lange ins Gefängnis
  • Das Opfer trägt für immer Narben von dem Martyrium davon
  • Gericht nennt Taten „perfide und menschenverachtend“

Essen. 

„Feige, perfide, absolut menschenverachtend“: So nennt die Richterin in ihrer Urteilsverkündung das, was Manuela S., ihr Verlobter Frank K. und Ex-Freund Uwe B. ihrem Bekannten Tobias L. angetan haben.

Entsprechend hart fällt das Urteil am Landgericht Essen aus: Als die Richterin es verkündet, geht ein Raunen durch den Saal.

Opfer hat Tränen in den Augen, als das Urteil verkündet wird

Für acht Jahre muss Manuela S. ins Gefängnis, Frank K. für fünf Jahre und sechs Monate – wegen Geiselnahme und gefährlicher Körperverletzung. Manuela S. wird außerdem wegen sexueller Belästigung verurteilt, weil sie einer Polizeibeamtin bei ihrer Festnahme fest in den Schritt gegriffen hatte. Der dritte Angeklagte Uwe B. kommt wegen Beihilfe für dreieinhalb Jahre ins Gefängnis.

Dem Geschädigten traten bei der Urteilsverkündung Tränen in die Augen. Als das Gericht noch einmal das Martyrium zusammenfasste, mahlte er heftig mit den Kieferknochen.

„Die Narbe wird nie wieder weggehen“

Im November 2011 hatten die drei Angeklagten Tobias L. in der Wohnung von Frank K. stundenlang geschlagen, gequält und erniedrigt – davon ist das Gericht überzeugt. Das Opfer trägt immer noch eine große, deutlich sichtbare Narbe am Arm. „Die wird auch nie wieder weggehen“, so ein Sachverständiger.

Manuela S. hatte mit einem Messer ein „T“ in den Unterarm geritzt. Die Wunde ist zwar laut dem Sachverständigen eher oberflächlich – doch Tobias L. muss nun für immer mit der Narbe leben.

Benutzt, um Rachepläne auszuführen

„Und das alles wegen rein gar nichts“, so die Staatsanwältin in ihrem Plädoyer. Manuela S. hatte immer wieder behauptet, Tobias L., der der Vater eines ihrer neun Kinder ist, habe sie gestalkt. Beweise oder stichhaltige Anhaltspunkte dafür sah das Gericht indes nicht.

Manuela S. soll federführend bei der Tat gewesen sein und habe Frank K. und Uwe B. benutzt, um ihre Rachepläne umzusetzen.

Nach Ansicht des Gerichts spielte sich die Tat so ab:

Manuela S. und Frank K. waren am 18. November 2016 in einen heftigen Streit geraten. Es ging um Eifersucht. K. sah in Manuela S.s Exfreund Uwe B. einen möglichen Nebenbuhler.

In der Nacht entstand der Racheplan

S. rief B. an, der den Streit schlichten sollte. In Frank K.s Wohnung versöhnten sich schließlich alle drei, verbrachten den Abend biertrinkend. Irgendwann gegen Mitternacht kam Manuela S. dann auf die Idee, Rache an Tobias L. zu üben.

Ihn machte sie offenbar für alles verantwortlich, was in ihrem Leben schiefgelaufen war. Also rief sie L. an und machte ihm weis, dass sie K. verlassen wolle und er sie abholen müsse. Sie sei allein in der Wohnung von Frank K.

Kopfnüsse und Schläge ins Gesicht

Als Tobias L. dann die Wohnung betrat, gab Frank K. ihm unvermittelt mehrere Kopfnüsse. L. musste sich auf einen Stuhl setzen. Manuela S. schlug ihm dann mit der Faust ins Gesicht und auf die Augen, trat ihm in den Brustkorb, so dass L. mit dem Stuhl umfiel.

So musste er stundenlang liegenbleiben und litt Todesängste, während die drei Angeklagten ihn bedrohten.

Das Opfer droht sich umzubringen, wenn man ihn nicht gehen lässt

Im Verlauf der Nacht gelangte Tobias L. an ein Küchenmesser, das er auf sich selbst richtete, und damit drohte, sich umzubringen, wenn man ihn nicht in Ruhe lasse.

Uwe B. soll ihn daraufhin mit einem Teleskopschlagstock gedroht haben. Das Gericht deutet das so, dass B. verhindert wollte, dass L. sich verletzt. Uwe B. verließ die Wohnung schließlich am frühen Morgen.

Angeklagte sprüht Putzmittel auf die Wunden

Manuela S. ritzte Tobias L. dann mit einem Messer ein T in den Arm – mit den Worten: „Damit du immer an mich denkst“. Außerdem biss sie ihm blutige Wunden ins Gesicht. In die Wunde sprühte sie Sagrotan-Putzmittel.

„Er hat immer noch kein Pipi gemacht“

Danach wollten S. und K. ihr Opfer noch weiter demütigen: S. schminkte ihren Ex-Freund, machte ein Foto des Gepeinigten und schickte eine Whatsapp-Nachricht an Uwe B. mit den Worten „Er hat immer noch kein Pipi gemacht“.

„Jetzt siehst du aus wie eine Tunte“

Schließlich wollten Manuela S. und ihr Verlobter das Opfer zwingen, sich ganz auszuziehen. „Jetzt siehst du ja aus wie eine Tunte“, sagten sie zu ihm. Ein Nachbar, der auf sowas stehe, werde sich dann jetzt bestimmt gerne auf ihn stürzen.

Da gelang Tobias L. die Flucht. In einer nahen Tankstelle fand er Hilfe.

„Das wirkt wie eine Doku-Soap“

Manuela S. hatte an einem früheren Verhandlungstag unter heftigen Weinattacken von ihrer schwierigen Kindheit berichtet. Frank K. wiederum hatte einigermaßen wirr Zitate aus dem „Zauberer von Oz“ vorgetragen. Beeindrucken ließ sich das Gericht davon nicht: „Was sie da abgezogen haben, wirkt wie aus einer Doku-Soap“, so die Richterin.

Uwe B. entschuldige sich schon früh am letzten Prozesstag beim Angeklagten. „Tut mir echt leid, ich hätte eingreifen müssen. Hoffe, dass das alles noch gut wird und du bald wieder auf dem Damm bist“, sagt B. Für das Opfer klang das offenbar so aufrichtig, dass er die Entschuldigung annahm: „Kriegen wir schon alles wieder hin.“

Angeklagter fasst sich mit zitternden Händen ins Gesicht

Die Entschuldigungsbitten von Manuela S. und Frank K. in deren Schlussworten nahm Tobias L. indes lediglich zur Kenntnis.

Uwe B. nahm das Urteil zumindest dem Anschein nach gefasst auf. Er ist der einzige, der bis zum Haftantritt aus der Untersuchungshaft entlassen wurde.

Manuela S. starrte auf den Tisch, Frank K. fasste sich mit zitternden Händen ins Gesicht. Für ihn seien die Jahre im Gefängnis wohl härter, so die Richterin: Denn K. leidet an Leberzirrhose, einer lebensverkürzenden Krankheit.

„Ich bin im Gefängnis Bedrohungen ausgesetzt“

„Und außerdem bin ich im Gefängnis Bedrohungen ausgesetzt“, platzte K. in die Urteilsverkündung.

Die Härte der Urteile gegen S. und K. begründet das Gericht mit der Perfidie der Tat und damit, dass die beiden Täter in ihren Einlassungen die Tat heruntergespielt hätten. „Noch im Prozess haben Sie von einer gemütlichen Runde geredet. Das ist unverschämt“, so die Richterin.

Frank K.s Verteidiger Hans-Hermann Marold wertet die Urteile als zu hart. „Damit hatten wir nicht gerechnet“, so Marold.

Die Verurteilten können in Revision gehen – ob sie das auch machen werden, ist noch nicht klar.

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