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Doc Caro aus Duisburg: „Arschlöcher ändert man eben nicht“

Doc Caro aus Duisburg hat ihr neues Buch veröffentlicht. Im Interview erklärt sie, wie sie mit „Arschlöchern“ in ihrem Job umgeht.

Doc Caro
© Stefan Arend / FUNKE Foto Services

Rettungsgasse

So bildest du sie richtig

Spätestens seit den letzten Wochen dürfte Dr. Carola Holzner, alias Doc Caro, die bekannteste Notärztin Deutschlands sein. Denn seitdem ist die Medizinerin aus Duisburg mit ihrer Sat.1-Doku „Einsatz mit Herz“ zur Primetime auf Sendung. Am Donnerstag (26. Oktober) veröffentlicht Doc Caro nun ihr neues Buch „Keine halben Sachen“.

Die Mission bleibt die gleiche: möglichst vielen Menschen Einblick hinter die Kulissen von medizinischen Notfall-Einsätzen blicken lassen. Im ersten Teil des Interviews mit DER WESTEN erklärt Doc Caro, warum sie das für so wichtig hält. Außerdem verrät sie, was ihr in ihrem Berufsalltag Sorgen macht und wie sie mit „Arschlöchern“ im Kollegium umgeht.

DER WESTEN: Glückwunsch zum neuen Buch – da ist sicher eine ordentliche Last abgefallen bei der Abgabe? Oder haben Sie da so viel Routine bei wie in Ihrem Job als Notärztin?

Doc Caro: Das Schöne ist, dass die ganzen Geschichten ja in mir drin sind und es nur darum geht, es zu Papier zu bringen. Aber jeder, der mal ein Buch geschrieben hat, weiß, wie viel Arbeit das ist und da sehr viel Recherche dahintersteckt. Nichtsdestotrotz ist es wie mit dem Kinder kriegen: auch beim zweiten Kind freut man sich genauso wie beim ersten. Das wird also nie Routine sein, aber das ist die Notfallmedizin auch nicht. Von daher passt das ganz gut.

„Arschlöcher ändert man eben nicht. Man muss einfach akzeptieren, dass es sie gibt. Und das überall. “

Sehr schönes Zitat (lacht).

Das stammt aus ihrem neuen Buch. Ein Denkzettel an einen ihrer Kollegen. Haben Sie keine Scheu vor schlechter Stimmung?

Ich rede nie um den heißen Brei herum. Ich bin sowohl zu meinen Patienten als auch zu meinen Kollegen ehrlich und bitte auch mein Umfeld das mir gegenüber zu sein. Ehrlichkeit währt am längsten ist für mich nicht nur ein Sprichwort, sondern eine Lebenseinstellung. Man muss natürlich an vielen Stellen aber auch einfach mal tief durchatmen und die Dinge so hinnehmen, wie sie sind. Und ich bin mittlerweile ganz gut darin – das war wirklich ein Stück harte Arbeit – dass ich sage: Dinge die ich nicht ändern kann, nehme ich hin. Und wo ich aktiv etwas ändern kann, da hänge ich mich rein. Und Ehrlichkeit hat noch nie jemanden geschadet, ist meine Meinung (lacht). Muss man abkönnen.

Doc Caro
Doc Caro aus Duisburg hat nach „Eine für Alle“ ihr zweites Buch veröffentlich. (Archivbild) Foto: Stefan Arend / FUNKE Foto Services

In ihrem Buch berichten Sie von dramatischen Einsätzen, liefern aber auch die ein oder andere Anekdote. Dabei versuchen Sie viel zu erklären über die Notfallmedizin. Warum ist das aus Ihrer Sicht so nötig?

Weil ich glaube, dass viele Leute nicht wissen, was bei uns wirklich passiert und wie es hinter den Kulissen abgeht. Auch womit wir so konfrontiert werden. Und damit meine ich nicht nur unseren Beruf, sondern auf die gesamte Gesellschaft bezogen. Wir kommen ja uneingeladen und häufig in Wohnungen rein. Dabei lernen wir immer wieder Menschen außerhalb unseres sozialen Radius‘ kennen. Und diese Einblicke sind ja einfach nicht jedem gewährt. Ich bin immer wieder erschrocken, wenn ich mit sozialen Verhältnissen konfrontiert werde, dich ich einfach nicht kenne und die mich sprachlos zurücklassen. Aber nur weil ich etwas nicht kenne, heißt es ja nicht, dass es das nicht gibt. Deshalb ist es mir wichtig zu zeigen, was die alltäglichen Probleme der Menschen sind.

Gibt es Tendenzen in den letzten Jahren, die Ihnen Sorgen bereiten?

Auf jeden Fall. Die Anzahl der Einsätze, die eigentlich keine Notfälle sind, hat definitiv zugenommen. Das liegt, dass muss man auch offen und ehrlich sagen, am Anspruchsdenken der Leute, die sagen: ‚Wenn nix mehr geht, rufe ich den Rettungsdienst. Das ist immer noch billiger als ein Taxi und dann muss ich auch nicht so lange warten wie beim Facharzt.‘ Da krankt einfach das System, weil wir nur bestimmte Ressourcen in der Notaufnahme und im Rettungsdienst besitzen. Die 112 und die Notaufnahme mutieren immer mehr zur Problemlösehotline.

Liegt das Problem vielleicht auch darin, dass es Patienten an Ansprechpartnern mangelt?

Das ist natürlich beim Blick auf die Verteilung von Hausärzten und den Facharztmangel verständlich. Wenn Sie als Patient keinen Ansprechpartner haben, dann suchen sie sich natürlich einen. Und wer ist es dann: Die Notaufnahme und der Rettungsdienst. Da ist einfach in den letzten Jahren nicht adäquat drauf reagiert und die Patienten im Regen stehen gelassen worden. Ich kann Angehörige verstehen, wenn sie ihre Mutter ins Krankenhaus bringen. Denn da kriegen sie die benötigte Magenspiegelung nicht erst in sechs Monaten.

Was müsste aus Ihrer Sicht geändert werden?

Man muss mehr Geld in die Hand nehmen und Ärzte ausbilden. Davor sträuben sich viele Länder. Weil es teuer ist. Es ist aber nachhaltiger als Personal aus dem Ausland einzustellen. Und um Nachwuchs im Pflegebereich zu bekommen, müssen die Arbeitsbedingungen verbessert werden. Ich bin aber kein Freund von Dauernörgeln. Wir tun uns keinen Gefallen, wenn wir immer wieder erzählen, wie schlimm alles ist. Für mich ist es der geilste Job der Welt. Und nur so kriegen wir junge Leute in die Krankenhäuser. Gleiches gilt auch für den Rettungsdienst. Die Leuten sollen das tun, was sie gelernt haben, nämlich für Notfälle da sein und keine unnötigen Taxifahrten übernehmen.


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„Das Wunder von Wittlich“ oder der Appell eines Vaters, der gerade erst sein Kind verloren hat – in ihrem Buch beschreiben Sie einige Situationen, die ihr (Berufs-)Leben für immer geprägt haben. Was macht es mit Ihnen als Notärztin, dass Sie die Menschen meist nur in absoluten Extrem-Situationen kennenlernen?

Es ist oft schwer damit umzugehen. Ich habe für mich meine Pferde, die dafür sorgen, dass ich abschalten kann. Ich suche mir einen Ausgleich. Aber ich habe mir den Job ja auch ausgesucht, weil ich jemand bin, der Extremsituationen sucht. Akut helfen und akut bessern. Da muss man halt der Typ für sein.