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WM 2022: Homosexueller aus Katar packt aus – „Jeden Tag Angst“

Ein homosexueller Mann aus Katar sprach mit unserer Redaktion. Er hat einen dringenden Rat an Besucher der WM 2022.

Wm 2022 Katar
© IMAGO / ANP

Das sind alle Stadien der WM 2022

Die Fußball-Weltmeisterschaft findet 2022 zum ersten Mal in Katar statt. Von den acht WM-Stadien sind sechs reine Neubauten. Wir stellen dir in diesem Video alle acht Austragungsorte vor.

Die skandalöse Aussage des katarischen WM-Botschafters Khalid Salman sorgte weltweit für Aufruhr. Homosexualität sei „haram“, also eine Sünde und ein „geistiger Schaden“, hatte er gesagt.

Doch wie ist die Lage in Katar wirklich? Wir haben nachgehakt und mit einem Homosexuellen aus dem Land gesprochen. Alle sind sich einig: Sie müssen die Kultur und die Religion in Katar akzeptieren, sonst gibt es harte Konsequenzen. Homosexualität ist dort verboten und kann mit einer Freiheitsstrafe von bis zu sieben Jahren sanktioniert werden.

Ein Homosexueller, der von den Philippinen nach Katar kam, verrät der Redaktion von seinem neuen Leben in Katar. Wie schwer es ihm am Anfang fiel, wie er seine Sexualität aktuell verstecken muss und was ihm vor dem Beginn der WM 2022 Angst macht.

WM 2022: „Jeden Tag Angst“

Seinen Namen will und darf der Mann nicht verraten, wenn er sicher leben will. Er lebt seit fünf Jahren in Doha und arbeitet in einem Coffee-Shop. Mittlerweile habe er sich der katarischen Kultur und dem Islam angepasst. Der 32-Jährige erzählt:

„Hier darf man schwul sein, solange man es nicht zeigt. Also man muss es für sich selbst behalten und nicht vielen Menschen erzählen. Man darf keine Frauenklamotten tragen oder sich schminken. In meinem Land ist die Lage ein bisschen entspannter. Dort kann man so etwas machen. Ich hatte am Anfang jeden Tag Angst, dass ich abgeschoben werde und damit meinen Job verliere. Oder dass ich im Gefängnis lande. Deswegen musste ich mich anpassen. Und so geht es vielen in Katar.“

Kataris seien aktuell „toleranter gegenüber LGBTQ-Personen“ im Vergleich zu vor 15 Jahren geworden, weil sie sich in dieser Zeit entwickelt und modernisiert hätten. Aber die Homosexuellen sind immer noch sehr eingeschränkt. Schwulenbars oder Clubs gibt es dort nicht. Intime Szenen in der Öffentlichkeit sind verboten.

„Küssen auf der Straße ist für alle verboten. Auch für verheiratete heterosexuelle Paare. Doch sie können sich umarmen und die Hände halten, wir aber nicht. Weil das ‚haram‘, also eine Sünde ist“, erzählt der Mann unserer Redaktion.

„Sie sehen uns als geistig behindert“

Die Aussage des WM-Botschafters überraschte viele Homosexuelle in Katar nicht, denn das sei die offizielle Haltung jedes Kataris. „Sie sehen uns als geistig behindert, weil wir anders sind. Dieses Thema ist heilig. Wir dürfen darüber nicht diskutieren. Also akzeptieren wir die Regeln. Weil wir hier bleiben und weiter arbeiten wollen. In meinem Heimatland herrscht Armut und wir finden dort keinen Job. Deswegen wollen wir die Regeln hier nicht brechen.“

Er selbst habe mehrere Abschiebungen mitbekommen. Ein Engländer wurde abgeschoben, weil er die LGBTQ-Flagge in der Öffentlichkeit zeigte. Und ein alter Freund aus Somalia, weil er diese aus seinem WG-Zimmer hängte.


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Der 32-Jährige glaubt, bei den Kataris drehe sich alles ums Image. Deswegen würden sie mit Gästen während der WM 2022 tolerant umgehen. „Nicht jeder Sünder wird im Gefängnis landen, sondern die Abschiebung wird die häufigste Strafe während WM 2022 sein“, mutmaßt er.

„Das macht mir Angst“

„Aber ich fürchte Angriffe von privaten Personen auf homosexuelle WM-Fans, falls sie die Regeln brechen oder wenn sie ihre sexuelle Orientierung in der Öffentlichkeit präsentieren. Das macht mir Angst“, offenbart der 32-Jährige.

Einen Rat hat er noch für die WM-2022-Besucher, die aus Deutschland und aus anderen Ländern in den Wüstenstaat kommen: „Trotz allem: Versucht eure Zeit hier zu genießen und bringt euch nicht in Gefahr, indem ihr die Menschen oder die Polizei hier provoziert. Zum Beispiel: Wenn ihr eure Homosexualität in der Öffentlichkeit zeigt.“