Weihnachten steht vor der Tür und bringt Wärme in die kalte Jahreszeit. Doch während draußen die Straßen festlich geschmückt und von Menschen bevölkert sind, verbergen sich hinter manchen Fenstern Geschichten der Stille und der Einsamkeit. Inmitten des festlichen Trubels bleibt eine schmerzliche Realität oft unbeachtet: Viele Menschen erleben in dieser festlichen Saison Einsamkeit – gerade ältere Menschen wie Rentner.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) kümmert sich in der Weihnachtszeit verstärkt um Menschen, die unter Einsamkeit leiden. Simone Real ist Referentin und stellvertretende Leiterin der SoVD-Abteilung Sozialpolitik und betont im Gespräch mit dieser Redaktion: „Man spürt, dass die Menschen sich gerade an Weihnachten einsam fühlen.“
Rente: „Im höheren Alter verstärkt von Einsamkeit betroffen“
Schon bereits vor Corona fühlt sich mehreren Umfragen zufolge fast jeder Fünfte in Deutschland einsam, wie aus einem SoVD-Gutachten zum Thema Einsamkeit hervorgeht. „Mittlerweile fühlt sich laut der Deutschen Depressionshilfe jeder Vierte einsam“, betont Simone Real.
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Und gerade an den Feiertagen sei Einsamkeit sehr deutlich zu spüren. „Für viele Menschen hat die Weihnachtszeit eine besondere Bedeutung, sie ist mit gemeinsamen Festen mit der Familie oder Freunden verbunden“, so die stellvertretende Leiterin der SoVD-Abteilung Sozialpolitik. „Menschen, die vor allem unfreiwillig alleine sind, fühlen sich gerade zu der Zeit besonders einsam.“ Außerdem seien viele Institutionen, öffentliche Räume oder Orte der Begegnung über die Feiertage geschlossen.
Einsamkeit könne laut Expertin nicht nur ältere Menschen treffen, sondern jeden – zum Beispiel durch Verlust des Partners. „Einsamkeit ist weder an ein bestimmtes Alter, noch an eine bestimmte Lebenslage gebunden. Einsamkeit ist das subjektive Gefühl, zu wenige Kontakte zu haben, keine Nähe zu spüren“, erklärt Real gegenüber dieser Redaktion. In Deutschland betreffe das je nach Studie vier bis neun Millionen Menschen. Aber: „Junge Erwachsene, Menschen im mittleren Alter (um die 60) und im höheren Alter (ab 75 Jahren) sind verstärkt von Einsamkeit betroffen.“
Auch mache Armut einsam und grenze aus. „Pflegebedürftige und chronisch Kranke haben leider ein erhöhtes Risiko, einsam zu sein. Und auch Menschen mit Behinderungen haben häufig geringere gesellschaftliche Teilhabe-Chancen, und das führt natürlich zur Isolation und auch zur Exklusion“, erklärt die Referentin. Denn Entfernungen zu öffentlichen Einrichtungen oder Parks und fehlende barrierefreie Zugänge vergrößern laut Real das Einsamkeitsrisiko.
Möglichkeiten, sich weniger einsam zu fühlen
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) will diesem Problem entgegenwirken und telefoniert beispielsweise regelmäßig mit seinen Mitgliedern, besucht diese oder übernimmt Einkäufe oder kleinere Reparaturen im Haushalt. In der besinnlichen Zeit leistet der SoVD so verstärkt Hilfe.
In der Zeit um die Feiertage bieten zahlreiche Verbände, Organisationen und zivilgesellschaftliche Gruppen verschiedene Angebote an, um Hilfe zu leisten oder Menschen miteinander zu vernetzen. So startet beispielsweise das Feiertagstelefon des Silbernetz e.V. für Menschen über 60 Jahre an Heiligabend zum siebten Mal. „Wer sich einsam fühlt, kann zum Hörer greifen“, erklärt Real. Bis Neujahr um 22 Uhr ist das Telefon deutschlandweit erreichbar.
„Einsamkeit ist das subjektive Gefühl, zu wenige Kontakte zu haben, keine Nähe zu spüren.“
– Simone Real, SoVD
Auch aus der Zivilgesellschaft gibt es über die Feiertage zahlreiche Hilfsangebote. Unter dem Hashtag „keine(r)bleibtallein“ werden für Weihnachten und Silvester potenzielle Gastgeber und Gäste zusammengebracht. Noch bis zum 21. Dezember könne man sich in den Sozialen Netzwerken für Weihnachten anmelden, für Silvester sogar noch bis zum 28. Dezember.
Der Verein „Wege aus der Einsamkeit“ organisiert eine digitale Weihnachtsfeier für ältere Menschen, die über Zoom stattfindet. Neben vielfältigen Programmpunkten wie Spiele, Rätsel oder Kurzgeschichten besteht vor allem die Gelegenheit, gemeinsam das Weihnachtsfest zu feiern. Menschen, die sich einsam fühlen können sich am ersten Weihnachtsfeiertag (25. Dezember, 15 Uhr) digital zuschalten – die Zugangsdaten erhält man unter der E-Mail info@wegeausdereinsamkeit.de. Und: „Auf der Internetseite des Kompetenznetzes Einsamkeit findet man tolle Angebote für Hilfe gegen Einsamkeit. Die Expertise des SoVD ist in die Arbeit des Kompetenznetzwerkes eingeflossen“, betont Real.
Einsamkeit: „Thema stärker sichtbar machen“
Auch die Bundesregierung will gegen soziale Isolation vorgehen, hat eine Einsamkeitsstrategie beschlossen. Die Maßnahmen, vorgeschlagen von Familienministerin Lisa Paus (Grüne), umfassen Förderprogramme für Projekte, eine verbesserte Vernetzung der Angebote durch eine „bundesweite Koalition gegen Einsamkeit“ und die Einführung einer Aktionswoche namens „Gemeinsam aus der Einsamkeit“. Der SoVD wurde dafür ins Ministerium eingeladen, nahm an Gesprächen teil. „Wir begrüßen das voll und ganz“, betont Real, „wir finden es gut, das Thema stärker sichtbar zu machen und die Öffentlichkeit für diese Thematik zu sensibilisieren“.
Andererseits übt der SoVD auch Kritik: „Es fehlt an finanziellen Mitteln. Kommunen brauchen mehr Geld, damit sie Hilfsangebote dauerhaft finanzieren können.“ Nur so könne man Einsamkeit begegnen. „Konkret fordern wir einen gut ausgebauten und barrierefreien ÖPNV, öffentliche Begegnungsorte wie Bibliotheken, Schwimmbäder, Ärztehäuser und Quartiersläden, inklusive Schulen und Kitas, ein lückenloses Breitbandnetz und entsprechende Schulungen gerade auch für ältere Menschen“, macht Real deutlich. Soziale Teilhabe könne ohne digitale Teilhabe nicht funktionieren. Um „mehr Geld in die Kassen zu spülen“ fordert der SoVD „die Vermögenssteuer wieder zu erheben, den Spitzensteuersatz zu erhöhen und hohe Erbschaften gerechter zu versteuern“.
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„Für uns liegt der Schlüssel im Kampf gegen Einsamkeit und sozialer Isolation in der gesellschaftlichen Teilhabe. Egal, was der Grund für Einsamkeit ist – Armut, Krankheit oder Alter – wenn wir das Gefühl haben in der Gesellschaft dazu zu gehören, mitzugestalten und geschätzt zu werden, dann sind wir nicht allein“, so Real.