Diese Noten bekommt das Kabinett Merz von den Bürgern
Am Mittwoch (30. Juli) hat Friedrich Merz seine letzte Kabinettssitzung vor seinem Urlaub. Damit wird es Zeit für ein Sommerzeugnis für ihn und seine wichtigsten Minister. Unsere Politik-Redakteure Henrik Zinn und Marcel Görmann bewerten die bisherigen schwarz-roten Leistungen.
Sommerzeugnis für die Bundesregierung: Noten für Merz und Co.
Kanzler Merz hat am Mittwoch seine letzte Kabinettssitzung vor seinem Sommerurlaub. Zeit für ein Zwischenzeugnis für ihn und seine führenden Minister. Unsere Politik-Redakteure Henrik Zinn und Marcel Görmann vergeben Noten. Foto: IMAGO (Fotomontage)Henrik Zinn: Meine Hoffnungen nach der Wahl von Merz waren sehr groß, geliefert wurde bis dato zu wenig. Außenpolitisch gibt Merz ein deutlich besseres Bild als sein Vorgänger ab, insbesondere die Intensität des neue Dreierbündnisses mit Macron und Starmer gefällt mir. Merz‘ Auftreten bei Donald Trump wurde mir dennoch zu sehr gelobt – er hat sich lediglich nicht blamiert und ist wie ein souveräner Staatschef aufgetreten. Das sollte man von einem Bundeskanzler erwarten. Innenpolitisch wurde viel angekündigt, zum Beispiel die Reform des Sozialstaats, passiert ist noch nichts. Daher lande ich bei einer 3- bis 4+. Foto: IMAGO/Chris Emil Janßen, Redaktion (Fotomontage)Marcel Görmann: Merz trat vor allem außenpolitisch mit viel Engagement auf. Bisheriges Highlight war sein souveräner Besuch bei Donald Trump. Auch versuchte er das Weimarer Dreieck mit Polen und Frankreich wiederzubeleben – doch durch die Grenz-Zurückweisungen gab es direkt die nächste Konfrontation mit Warschau. Immer wieder polarisiert Merz mit Aussagen wie “Drecksarbeit” (Krieg gegen den Iran) oder “Der Bundestag ist kein Zirkuszelt” (in Bezug auf die CSD-Demo). In der Innenpolitik macht er bisher nicht den Eindruck, die Koalition zu führen, etwa beim Stromsteuer-Ärger oder der gescheiterten Wahl von Brosius-Gersdorf. Er war bislang ein “Außenkanzler”. Note: 3-. Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur/Redaktion (Fotomontage)Henrik Zinn: Als Vizekanzler und Finanzminister ist Lars Klingbeil die zweitwichtigste Person im Kabinett, den Anforderungen wird er meiner Meinung nach noch nicht gerecht. Beispielsweise wurde den Bürgerinnen und Bürgern noch nicht transparent vorgestellt, was mit dem gigantischen Sondervermögen geschieht. Der Haushaltsentwurf für 2026, wonach Deutschland bis 2029 172 Milliarden fehlen, setzt ihn zusätzlich unter Druck. Auch beim G7-Gipfel der Finanzminister blieb er blass. Deutschlands Auftreten gegenüber Trump und seinen Zöllen ist sehr defensiv. Note: 4-. Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur, Redaktion (Fotomontage)Marcel Görmann: Klingbeil setzt auf eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Merz und will die Regierung so stabilisieren. Doch seine eigene Hausmacht wankt – auf dem SPD-Parteitag bekam er die Quittung für das Wahldesaster und sein (zu) forsches Vorgehen direkt im Anschluss bei der Koalitionsbildung. Nur 65 Prozent wählten ihn erneut zum SPD-Boss. Jetzt stehen große Aufgaben für Klingbeil an: Trotz Mega-Investitionspaket und Quasi-Blankoscheck für die Aufrüstung gibt es eine riesige Lücke von 172 Milliarden Euro im Bundeshaushalt bis 2029. Wird er die Koalition auf Sparkurs bekommen? Note: 5. Foto: IMAGO/IPON, Redaktion (Fotomontage)Henrik Zinn: Vor dem Wahlsieg hat sich die Union das Thema „Migration“ groß auf die Fahne geschrieben – und dieses Vorhaben geht sie in Person des Innenministers auch mit dem nötigen Nachdruck an. Ich erhoffe mir jedoch eine bessere Zusammenarbeit mit den Nachbarstaaten und mehr Struktur zwischen dem Bund und den Ländern. Auch die Kompetenzerweiterung für die Bundespolizei finde ich grundsätzlich gut und wichtig. Note: 3+. Foto: IMAGO/Bernd Elmenthaler, Redaktion (Fotomontage)Marcel Görmann: Innenminister Dobrindt geht sein großes Thema, die “Migrationswende”, energisch an. Er macht den Eindruck großer Entschlossenheit, etwa durch die Zurückweisungen von Asylsuchenden an den Grenzen. Die Asylzahlen sinken deutlich – allerdings gab es den Trend schon zur Spätphase der Scholz-Regierung. Die Gewerkschaft der Polizei kritisiert, dass die intensiven Grenzkontrollen in keinem Verhältnis zum Erfolg stehen. So würden die Bundespolizisten massive Überstunden aufbauen, doch bis Ende Juni seien nur 285 Zurückweisungen dokumentiert. Darüber hinaus gibt es Trubel, weil Dobrindt ein Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin, das die Zurückweisungen als rechtswidrig ansieht, missachtet! Insgesamt viel Symbolpolitik. Note: 4-. Foto: IMAGO/Bernd Elmenthaler, Redaktion (Fotomontage)Henrik Zinn: Der Außenminister ist mir zu unscheinbar. Allen voran in Hinblick auf die Gaza-Politik hätte ich mir ein Einlenken zugunsten der Humanität gewünscht. Hier besteht das Risiko, dass Deutschland seine guten Beziehungen zu bspw. Frankreich wieder einreißt. Seine entschlossene Position an der Seite Ukraine gefällt mir. Note: 4. Foto: IMAGO/Redaktion, FotomontageMarcel Görmann: Außenminister Wadephul will mit Merz eine Außenpolitik “aus einem Guss” machen. Doch speziell in der Israel-Politik wurden häufiger Differenzen in den öffentlichen Statements bemerkbar. Während Merz die Zerstörung der iranischen Atomanlagen begrüßte, nannte Wadephul das Eingreifen Trumps in den Krieg “bedauerlich”. Dass er jedoch häufiger kritische Töne gegen Israel wagte, ist angesichts des Leids im Gaza-Streifen anzuerkennen. Note: 3. Foto: IMAGO/dts Nachrichtenagentur, Redaktion (Fotomontage)Henrik Zinn: Boris Pistorius ist nach wie vor der beliebteste Politiker im Land. Der Grund dahinter ist einfach: Er macht nichts falsch. Angesichts der aktuellen Gegebenheiten kann er aber auch nicht viel falsch machen. Die Auflockerung der Schuldenbremse zugunsten der Verteidigung hat ihm viel Spielraum gegeben, setzt ihn mittelfristig aber unter Zugzwang. Gleiches gilt mit Blick auf das 5-Prozent-Ziel der Nato. Sein Erfolg wird sich auch an der Errichtung der „Litauen-Brigade“ messen lassen. Sie soll ab 2027 komplett einsatzfähig sein. Eine aktuelle Bewertung ist daher schwierig. Note: 3. Foto: IMAGO/Sven Simon, Redaktion (Fotomontage)Marcel Görmann: Pistorius hat in den kommenden Jahren gigantische Mittel zur Verfügung, um die Bundeswehr auf Vordermann zu bringen und verteidigungsfähig zu machen. Mit der Schuldenbremse-Ausnahme konnte er seine Forderungen in den Koalitionsgesprächen durchsetzen. Er vermittelt öffentlichkeitswirksam das Image eines Machers. In der Bevölkerung ist er weiterhin der beliebteste Politiker und genießt viel Vertrauen. Ob er dieses rechtfertigen kann, wird sich erst in den nächsten Jahren zeigen. Etwa, ob er das Beschaffungswesen der Bundeswehr modernisieren und effektiver gestalten kann. Ob er seine Partei dabei immer an seiner Seite hat, ist offen. Das zeigt sich beispielsweise auch in der Wehrpflicht-Debatte. Note: 2-. Foto: IMAGO/Sven Simon, Redaktion (Fotomontage)