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Grüne: Finanzminister Danyal Bayaz über Herausforderungen – „Die Zahlen müssen runter“

Vier Tage lang treffen sich die Grünen zu ihrem Parteitag in der Stadt, in der sie sich einst gründeten. Überschattet wird er dabei von kontroversen Themen.

Vier Tage lang treffen sich die Grünen zu ihrem Parteitag in der Stadt, in der sie sich einst gründeten. Überschattet wird er dabei von kontroversen Themen.
© imago images/Jürgen Heinrich

Bundesverfassungsgericht kippt Haushaltsmanöver der Bundesregierung

Die Bundesregierung hat vor dem Bundesverfassungsgericht eine Niederlage einstecken müssen. Konkret ging es um die Frage, ob die Bundesregierung Kreditermächtigungen in Höhe 60 Milliarden Euro, die ursprünglich zur Bewältigung der Corona-Pandemie vorgesehen waren, für Klimaschutzmaßnahmen verwenden kann. Die Richter erklärten das Vorhaben für verfassungswidrig und gaben damit einer Klage der Unionsfraktion im Bundestag statt.

Die Grünen treffen sich in ihrer Gründungsstadt zu einer der größten Bundesdelegiertenkonferenzen ihrer Geschichte. In Karlsruhe stimmen Delegierte über den Bundesvorstand, die Europawahlliste und das Grünen-Europawahlprogramm ab.

Baden-Württembergs Finanzminister Danyal Bayaz (Grüne) gibt dieser Redaktion Einblicke in die Stimmung innerhalb der Partei und in die kontroversen Themen des Parteitags: Haushaltsloch und Migration (mehr dazu hier).

Wo können Einsparungen vorgenommen werden?

Wie empfinden Sie die aktuelle Stimmungslage innerhalb der Partei mit Blick auf den Parteitag in Karlsruhe?

Wir Grüne sind auf dem Papier in einer der erfolgreichsten Phasen unserer Geschichte gemessen an den Regierungsbeteiligungen. In der Realität aber erleben wir eine äußerst schwierige Phase und haben es selbst in der Hand, wie es weitergeht. Viele unserer Kernthemen werden durch die laufenden Krisen einem Praxischeck unterzogen. Entscheidend ist, dass wir uns jetzt nicht in die Nische zurückziehen, sondern offensiv auf die Mitte der Gesellschaft zugehen und die Idee der Bündnispartei wiederbeleben.

+++ Entwicklungen des Parteitags im News-Blog +++

Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts fehlen der Ampel Milliarden. Wie wirkt sich die Entscheidung auf den Klimaschutz aus?

Der Klimaschutz hängt ja nicht allein am Klima- und Transformationsfonds. Aber damit hätten wesentliche Projekte für den Industriestandort Deutschland finanziert werden sollen, etwa Wasserstoffprojekte in Baden-Württemberg oder die Förderung von grünem Stahl in Nordrhein-Westfalen. Die Ampel muss Lösungen dafür finden. Wir sollten auch mehr auf den CO2-Preis setzen. Das ist ein sinnvolles marktwirtschaftliches Instrument, um fossile Energien teurer zu machen und klimafreundliche Energien günstiger.


Grüne: Experte über Kontroversen beim Parteitag – „Starker Gegenwind“ – DerWesten.de


Was bedeutet das Urteil für das Land Baden-Württemberg?

Im Gegensatz zur Bundesregierung haben wir keine Corona-Kredite umgewidmet. Allerdings werden auch wir sehr genau prüfen müssen, was das Urteil in Bezug auf die Jährlichkeit von Kreditermächtigungen bedeutet. Das Urteil rüttelt jedenfalls an den Grundfesten bisheriger Haushaltspolitik in Bund und Ländern.

In welchen Bereichen könnten Einsparungen vorgenommen werden?

Da darf es kein Tabu geben und da sollten alle über ihren Schatten springen. Allerdings finde ich es unanständig, als erstes bei Kindern und Familien anzufangen und bei der Kindergrundsicherung zu sparen, wie einige vorschlagen. Aber wir müssen uns fragen, ob wir uns die Prestigeprojekte aus der Zeit der Großen Koalition wie die Mütterrente und die Rente mit 63 noch leisten können. Und wir müssen ran an die klimaschädlichen Subventionen.


„Wir müssen irreguläre Migration dringend eindämmen, viele Kommunen sind an den Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit.“

– Danyal Bayaz, Finanzminister von Baden-Württemberg

Migration: „Haben mehr Geflüchtete aufgenommen als Frankreich“

Großes Streit-Thema ist die Migration. So wirft die Grüne Jugend der Ampel eine „menschenfeindliche Abschottungspolitik“ vor – wie stehen Sie zu möglichen Verschärfungen des Asylrechts?

Nehmen Sie Baden-Württemberg: Wir haben als Bundesland letztes Jahr mehr Geflüchtete aufgenommen als Frankreich. Das zeigt, wie realitätsfremd der Vorwurf der Abschottung ist. Wir müssen irreguläre Migration dringend eindämmen, viele Kommunen sind an den Grenzen ihrer Aufnahmefähigkeit. In der Migration stehen wir weiter wie keine andere Partei für Menschlichkeit. Aber wenn wir die gesellschaftliche Integrationsfähigkeit und das Asylrecht erhalten wollen, müssen die Zahlen runter.


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Wie geht Baden-Württemberg mit der Herausforderung der Integration von Geflüchteten um?

Auch bei uns sind viele Kommunen an die Grenze ihrer Aufnahmefähigkeit gekommen. Trotzdem gelingt es weitgehend, Geflüchtete gut unterzubringen und zu versorgen. Dafür haben wir als Land die Kommunen auch zusätzlich finanziell unterstützt. Aber Integration ist ja mehr als ein Dach über dem Kopf. Und um Geflüchtete mit guter Bleibeperspektive besser integrieren zu können, brauchen wir auch entsprechende Ressourcen und Aufnahmekapazitäten. Dafür brauchen wir mehr Unterstützung durch den Bund. Ich fürchte nur, dass das angesichts der finanziellen Schwierigkeiten der Ampel in weite Ferne gerückt ist.