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Bürgergeld: Bestehen Sanktionen weiterhin? Bundesagentur für Arbeit spricht Klartext

Sozialverbände verurteilen Sanktionen bei Sozialleistungen. Können Jobcenter auch beim neuen Bürgergeld weiterhin Leistungsminderungen verhängen?

Ab Juli wird beim Bürgergeld ein neuer Kooperationsplan eingeführt. Können trotzdem noch Sanktionen verhängt werden?
© IMAGO / Future Image

Das ist das neue Bürgergeld

Nach der Einigung im Vermittlungsausschuss haben Bundestag und Bundesrat die Einführung des Bürgergelds beschlossen. Damit kann die neue Grundsicherung für Langzeitarbeitslose wie geplant zum 1. Januar in Kraft treten.

Mit dem Bürgergeld wurde nicht nur das Hartz-4-System abgeschafft, sondern auch der Vermittlungsvorrang. Dadurch konnten Jobcenter Arbeitssuchende in eine Beschäftigung drängen.

Auch sollen die Eingliederungsverfahren bald Geschichte sein. Zur Jahreshälfte soll der Kooperationsplan eingeführt werden. Können Jobcenter dadurch trotzdem weiterhin Beziehende sanktionieren?

Bürgergeld: Kooperationsplan löst Eingliederungsverfahren ab

Jobcenter fördern Bürgergeld-Beziehende mit verschiedenen Maßnahmen, um diese „individuell bei der Eingliederung in Arbeit zu unterstützen“, so die Bundesagentur für Arbeit (BA).

Auf Anfrage dieser Redaktion teilt die BA mit, welche Leistungen dafür unter anderem in Frage kommen:

  • Förderangebote zur Verbesserung der Integrationschancen
  • Berufliche Weiterbildung
  • Maßnahmen zur Unterstützung der Arbeitsaufnahme
  • Maßnahmen der Berufsorientierung, Berufsvorbereitung, Unterstützung der Berufsausbildung
  • Förderangebote für Selbständige

Noch bis Ende Juni 2023 sollen diese Maßnahmen über die Eingliederungsvereinbarung laufen. Danach soll der Kooperationsplan in Kraft treten. „Bis Ende 2023 werden im zweiten Halbjahr 2023 auslaufende Eingliederungsvereinbarungen sukzessive in Kooperationspläne überführt“, teilt die BA mit. Dieser „basiert auf einer Abstimmung zwischen Bürger und Jobcenter über die Strategie zur Eingliederung in Arbeit oder Verringerung der Hilfebedürftigkeit durch Arbeit“.

Bürgergeld: Wird weiter sanktioniert?

Dieser soll keine Rechtsfolgebelehrung enthalten: Kann das Jobcenter dennoch Sanktionen verhängen? „Ja, denn auch einzelne Bescheide der Behörden können mit Rechtsbehelfsbelehrungen versehen sein, beispielsweise zur Wahrnehmung von Terminen“, teilt der Paritätische Gesamtverband auf Anfrage dieser Redaktion mit.

Die BA erklärt zwar, dass der Kooperationsplan frei von Rechtsfolgen und Rechtsfolgenbelehrungen sein soll, allerdings nur so lange wie die Kooperation auch funktioniert. „Funktioniert die Kooperation nicht mehr, können Bestandteile des Kooperationsplans eingefordert werden und bei weiterer Weigerung können Leistungen gemindert werden“, so die Bundesagentur gegenüber dieser Redaktion.

Konkret werden dem Kooperationsplan im Paragraphen 15 des Zweiten Sozialgesetzbuches folgende Absätze hinzugefügt:

(5) Die Agentur für Arbeit überprüft regelmäßig, ob die erwerbsfähige leistungsberechtigte Person die im Kooperationsplan festgehaltenen Absprachen einhält. Aufforderungen hierzu erfolgen grundsätzlich mit Rechtsfolgenbelehrung, insbesondere bei Maßnahmen gemäß §§ 16, 16d ist eine Rechtsfolgenbelehrung vorzusehen.

(6) Wenn ein Kooperationsplan nicht zustande kommt oder nicht fortgeschrieben werden kann, erfolgen Aufforderungen zu erforderlichen Mitwirkungshandlungen mit Rechtsfolgenbelehrung.

Dadurch werden auch die Vorschriften zu Sanktionen, beziehungsweise Leistungsminderungen, angepasst. „Leistungen werden ab dem 01.07.2023 gemindert, wenn sich Beziehende von Bürgergeld weigern, einer Aufforderung gemäß § 15 Absatz 5 oder Absatz 6 nachzukommen“, stellt die BA klar.

Bürgergeld: „Regelsatz deutlich zu niedrig“

Daneben gibt es noch weitere Fälle, in denen Leistungsminderungen für Empfänger drohen: „Bei einem Meldeversäumnis wird der Regelbedarf um 10 Prozent für einen Monat gemindert. Bei der ersten Pflichtverletzung wird der Regelbedarf um 10 Prozent für einen Monat, bei einer zweiten Pflichtverletzung um 20 Prozent für zwei Monate und in der letzten Stufe um 30 Prozent für drei Monate gemindert“, so die Bundesagentur. Mehr als 30 Prozent Minderung sehe das Bürgergeld allerdings nicht vor.

Der Paritätische Gesamtverband lehnt Sanktionen grundsätzlich ab: „Sanktionen führen zu einer Kürzung der Regelsätze, die ohnehin schon deutlich zu niedrig bemessen sind und nur ein Existenzminimum abdecken sollen.“ Ein Minimum dürfe aber nicht gekürzt werden.

Weiter mahnt der Verband: „Sanktionen sind zudem kontraproduktiv, gefährden eine vertrauensvolle Zusammenarbeit bei der Arbeitsmarktintegration, treffen häufig gehandicapte Menschen, die der Jobcenterbürokratie nicht gewachsen sind und führen dazu, dass Menschen trotz Unterstützungsbedarfs aus dem Hilfesystem fallen.“

Bürgergeld: Darauf solltest du bei Sanktionen achten

Laut Bundesagentur für Arbeit werden bei nur rund fünf Prozent der Kunden Leistungen gekürzt. Durch ein gemeinsames Gespräch können Minderungen auch wieder aufgehoben werden. Vorausgesetzt: „Betroffene kommen die der Minderung zugrunde liegenden Pflicht nach oder erklären sich nachträglich ernsthaft und nachhaltig bereit, ihren Pflichten zukünftig nachzukommen.“ Die Bundesagentur wolle auch durch ein unabhängiges Schlichtungsverfahren Sanktionen in Zukunft weniger Gewicht verleihen.


Weitere Themen:


Wer einen Sanktionsbescheid erhält, sollte diesen laut Paritätischen genau prüfen und im Fall der Fälle Widerspruch einlegen. Auch könne eine fachkundige Beratungsstelle oder anwaltliche Beratung hinzugezogen werden.