Warum vom Steinkohle-Bergbau im Revier mehr als nur ein Mythos bleibt
Die Steinkohle prägte das Ruhrgebiet wie kaum eine andere Region der Welt
Ende 2018 schließt mit Prosper-Haniel die letzte Zeche
Der Mythos der Kumpel macht in Zeiten des Strukturwandels Hoffnung
„Auf Kohle geboren“ – damit verbinden wir im Ruhrgebiet mehr als nur die Tatsache, dass unter unseren Füßen Unmengen an Brennstoff begraben liegen. Kohle bedeutet für uns die Tradition ehrlicher Maloche, Zusammenhalt und Integration.
Das Grubengold gab unseren Vorfahren Arbeitundlockte wegen der vergleichsweise guten Bezahlungmassenhaft Zuwandereraus den umliegenden Ländernund später aus der ganzen Welt in den Pott.
Wohin mit der Kohle?
Das hat unsere ganze Region geprägt. Aus Dörfern wurden Städte. Die Kameradschaft ging über reine Maloche hinaus. „Fußball, Kinos und Kneipen breiteten sich hier besonders früh aus“, schreibt Historiker Franz-Josef Brüggemeier im Vorwort zum Buch „Das Zeitalter der Kohle“ (Das Werk erschien begleitend zur gleichnamigen Ausstellung auf dem Gelände der Zeche Zollverein in Essen).
Unser Revier wäre ohne den Bergbau nicht das, was es ist. Kiosk-Kultur, Taubenvereine sowie das Derby zwischen dem, von Bergarbeitern gegründeten, FC Schalke 04und seinem ewigen Rivalen Borussia Dortmund. Das alles würde es in der Form ohne die Kohle nicht geben.
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Auf Kohle geboren ist der Titel unseres Specials zum Ende der Steinkohle-Ära im Ruhrgebiet. Bis zur Schließung der letzten Zeche Ende Dezember berichten wir wöchentlich über alles rund um den Abschied der Bergleute aus dem Revier. Echte Typen, ganz viel Tradition und noch mehr Herz – hier findest du alle Glückauf-Themen in der Übersicht.
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Der Einfluss der Kohle auf die europäische Geschichte
Was im Ruhrgebiet zu Tage gefördert wurde, hatte gigantische Ausmaße. „Kein anderer Stoff hat die Geschichte Europas in den vergangenen 200 Jahren so sehr geprägt wie die Steinkohle“, so Brüggemeier. Als Motor der Industrialisierung war sie Grundlage fürInnovation und Fortschritt. Ohne Kohle kein Stahl, keine Eisenbahn, kein Dampfschiff und auch kein Aspirin.
Doch die Förderung hatte auch ihre Schattenseiten: Ohne die Steinkohle hätten die beiden Weltkriege des vergangenen Jahrhunderts nicht ihre verheerendenAusmaße genommen. Ihre Energie befeuerte die Stahlproduktion und damit die Rüstungsindustrie.
Auch die Umwelt litt unter der Gewinnung der Kohle. Insbesondere die Freisetzung von Kohlenstoffdioxid und deren Nachwirkungen beschäftigen uns noch heute. Die schlechten Arbeitsbedingungen machten die Bergleute außerdem krank. Viele ließen früh, manche auch bei Grubenunglücken ihr Leben.
Doch je fortschrittlicher die Technik, desto sicherer und produktiver wurde die Arbeit auf dem Pütt. Zu Spitzenzeiten, Anfang der 1950er Jahre, arbeiteten knapp eine halbe Millionen Menschen im Ruhrbergbau und förderten jährlich weit über 100 Millionen Tonnen Steinkohle aus der Erde.
Kohlekrise leitet Ende der Steinkohle-Ära ein
Doch dann kam die Kohlekrise in den Jahren 1957/1958. Der deutsche Bergbau sah sich wachsender Konkurrenz auf dem Energiemarkt ausgesetzt. Deswegen wurden die Bergleute ihre vergleichsweise teure Steinkohle nicht mehr los. Das Zechensterben begann.
Mit aller Macht stemmten sich Kumpel, Gewerkschaften und Unternehmer gegen den Verlust der Arbeitsplätze. Die Politik reagierte mit Sozialplänen. Staatliche Subventionen ermöglichten den Betrieb einzelner Zechen bis über die Jahrtausendwende hinweg.
Es blieb allerdings nur ein Aufschub auf Zeit. Der Bundestag beschloss im Jahr 2007 das endgültige Ende der Finanzierung des deutschen Steinkohlenbergbaus.
Mit Prosper-Haniel fällt die letzte Bastion
Das endgültige Ende der Steinkohle-Ära im Revier wird somit durch die Schließung des Bergwerks Prosper-Haniel am 21. Dezember 2018 besiegelt. Es wird ein Abschied voller Wehmut.
Strukturwandel und Mythos
Seit Jahrzehnten bemüht sich das Ruhrgebiet deshalb um den Strukturwandel. Manche Städten kämpfen seitdem mit zunehmender Arbeitslosigkeit. Sie konnten den Wegfall der Industrie bislang nicht verkraften. Schrottimmobilien und hoher Leerstand in den Innenstädten sind ein Zeichen mangelnder Wirtschaftskraft.
Anderen Städten gelingt der Strukturwandel deutlich besser:Universitäten und Start-Ups gehören mittlerweile genauso zum Revier wie der Wandel der Bergwerke zu Orten der Industriekultur. Stellvertretend dafür steht die „Kathedrale der Industriekultur“, die Zeche Zollverein, ausgezeichnet als UNESCO-Welterbe.
Dazu beheimatet das Ruhrgebiet noch immer den größten Binnenhafen Europas, riesige Energie-Unternehmen und ist das Zentrum deutscher Stahlproduktion. Wir haben deshalb weiter allen Grund selbstbewusst in die Zukunft zu blicken. Die bereits erreichten Entwicklungen zeigen dass die Malocher-Mentalität mehr als nur ein Mythos für uns ist.