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Eiskalt, aber er stach 120 Mal zu. Psychologin erklärt den Doppelmörder von Herne

Eiskalt, aber er stach 120 Mal zu. Psychologin erklärt den Doppelmörder von Herne

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Foto: Polizei
  • Marcel H. gestand den den Doppelmord von Herne
  • In den Vernehmungen ist er „eiskalt“ und zeigt keine Reue
  • „Er fühlt sich überlegen“, sagt die Kriminalpsychologin Lydia Benecke. „Doch in Wirklichkeit ist er wohl eher ein Lebensversager“

Herne. 

Knallhart. Kontrolliert. Und supermächtig. So sieht sich der Killer von Herne selbst.

Die Ermittler sagen: Marcel H. (19) ist in den Vernehmungen „eiskalt“, zeigt keine Reue.

Im Netz kursiert eine Tonaufnahme von ihm, die die Polizei für echt hält. Darin beschreibt er in grausigen Worten den Mord an dem kleinen Jaden (9). Und wieder klingt seine Stimme emotionslos, fast sachlich.

Ist H. wirklich so abgebrüht, so gleichgültig? So böse?

„Er fühlt sich überlegen“, sagt die Kriminalpsychologin Lydia Benecke (34). „Doch in Wirklichkeit ist er wohl eher ein Lebensversager. Ein Niemand.“

Sie glaubt: „Vieles deutet auf narzistissche Persönlichkeitsanteile hin – allerdings die eines erfolglos narzisstischen Menschen.“

Der unscheinbare Marcel wurde früher wahrscheinlich wenig beachtet. Immer wieder wurde er enttäuscht. Diese Enttäuschungen verkehrte er durch seine grausamen Taten ins Gegenteil.

Bestialische Morde – wie passt das zusammen?

Heße tötete seine beiden Opfer auf bestialische Weise: Er stach 52 Mal auf Jaden ein – seinen 22-jährigen Bekannten ermordete er mit 68 Messerstichen. Im Fachjargon heißt das „übertöten“. Das klingt nicht nach Emotionslosigkeit – sondern nach Wut. Wie passt das zu der Gleichgültigkeit?

Für Lydia Benecke passt das brutale Verhalten ins Bild: „Diese Wut kommt von der Enttäuschung. Über Jahre angestaute Emotionen werden in dieser Tat kanalisiert.“ H. hat nicht keine Emotionen, sondern ihm fehlt das Mitgefühl für seine Opfer.

Ich bin der Größte

Hinzu kommt eine totale Selbstüberschätzung. Nach dem Mord an Jaden hielt sich H. für schlauer als die Polizei und den Rest der Welt.

Er spielte Katz und Maus mit den Behörden, verschickte Hinweise und Fotos von seinen Taten via WhatsApp. Möglicherweise postete er sie sogar selbst auf dem düsteren Online-Portal 4chan. „Für ihn war das ein Machtspiel“, sagt Benecke.

Für die Morde ließ H. sich feiern

Auf 4chan feierte ihn eine gruselige Community für die Morde. Welche Rolle spielt dieser Applaus für ihn?

„Eine große“, sagt Benecke. 4chan und die WhatsApp-Chats mit seinen „Fans“ ist so etwas wie seine Fantasiewelt, seine Flucht. Dort ist der schmächtige Marcel H. so riesig, wie er sich fühlt.

In dieser kranken Welt prahlte er mit seinen Taten – ob erfunden oder nicht. „Er braucht die Kommunikation dort“, sagt Benecke. Die andere Welt, die reale, ist für ihn viel weniger bedeutsam.

Doch warum hat er sich dann überhaupt gestellt?

„Wie viele Täter hat er sich in seinem vertrauten Umfeld, in diesem Fall Herne, versteckt“, sagt Benecke. „Doch er wusste: Die Polizei ist nah.“ H. versteckte sich in der Wohnung seines zweiten Opfers, hatte dort auch einen Internetzugang. Die Schlinge zog sich langsam zu.

H. handelte daraufhin und stellte sich. Auch das war für ihn wieder eine Demonstration seiner vermeintlichen Kontrolle. Er wollte selbst entscheiden, wann, wo und wie er festgenommen wird und wie er einen Tatort hinterlässt.

Damit ist es nun vorbei. H. sitzt im Knast. Kein Internet. Kein Applaus. Jetzt ist er nur noch der verrohte 19-Jährige, der zwei Menschen getötet hat.

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