Veröffentlicht inWirtschaft

Wenn Holzspäne im Joghurt die Erdbeeren nur vortäuschen

Wenn Holzspäne im Joghurt die Erdbeeren nur vortäuschen

89359260.jpg
Foto: picture alliance / dpa
Verbraucherschützer fordern von Agrarminister Schmidt mehr Klarheit bei der Kennzeichnung von Lebensmitteln. An seiner Entschlossenheit gibt es Zweifel

Essen. 

Geflügelprodukte, die hauptsächlich Schweinefleisch enthalten, ein haltbarer Milchkaffee, auf dem „frisch gebrüht“ steht und Zitronenlimonade, die nicht einmal mit einer Frucht in Berührung gekommen ist. Die Liste irreführender Bezeichnungen für Lebensmittel ist lang und wächst immer weiter. Verbraucherschützer und Politik fordern schon lange, dass auf den Verpackungen endlich Klarheit herrschen müsse. Doch über den Weg dahin gibt es unterschiedliche Auffassungen.

Die Fraktionen der Großen Koalition und die der Grünen brachten am Donnerstag im Bundestag Anträge ein. Selbst Union und SPD gehen die Reformvorschläge von Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) nicht weit genug. Dreh- und Angelpunkt der Debatte ist das Deutsche Lebensmittelbuch, das Leitsätze formuliert, wie über 2000 Produkte auszuzeichnen sind.

Pfirsich-Maracujasaft mit Äpfeln und Orangen

Konsens herrscht darüber, dass diese Richtlinien veraltet sind und der Irreführung von Supermarkt-Kunden Tür und Tor öffnen. „Wir wissen, dass sich die Mehrheit der Verbraucher getäuscht fühlt, wenn beispielsweise im Erdbeerjoghurt fast keine Erdbeeren sind, sondern Aromen aus Holzspänen. Hier muss dringend Abhilfe geschaffen werden“, sagte die Oberhausener Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn (Die Grünen) dieser Redaktion. Sie und ihre Fraktion fordern, dass alle Leitsätze überprüft werden und „in Einklang zu den Verbrauchererwartungen gebracht werden“.

Wer Pfirsich-Maracujasaft kauft, geht nicht davon aus, dass der Durstlöscher zum größten Teil aus Äpfeln und Orangen besteht. Und Tafelwasser, das laut Aufdruck „geringfügige Mengen von Energie, Fett, gesättigten Fettsäuren, Kohlenhydraten, Zucker und Eiweiß“ enthält, verwirrt die Konsumenten mehr als dass er sie informiert. Diese und viele andere Beispiele sammelt die Verbraucherzentrale auf der Internetseite www.lebensmittelklarheit.de. Dem Portal können Kunden auch eigene Beobachtungen täglicher Irritationen melden.

Verbraucherschützer fordern „mutige Reform“

„Wir erwarten eine mutige Reform von Ernährungsminister Christian Schmidt, die die Interessen der Verbraucher stärker berücksichtigt“, sagt Klaus Müller, Chef des Verbraucherzentrale Bundesverbands. „Produktkennzeichnungen müssen Verbrauchern eine hilfreiche Orientierung geben und dürfen keine falschen Erwartungen wecken.“

Ressortchef Schmidt hatte zuvor angekündigt, sowohl die Leitlinien, als auch die zuständige Kommission, die über die inhaltliche Ausgestaltung entscheidet, zu reformieren. Der CSU-Politiker verspricht „mehr Effizienz, mehr Akzeptanz, mehr Transparenz und mehr Kommunikation“.

Verfahren dauern viel zu lange

Doch an der Entschlossenheit des Ministers gibt es Zweifel. „Bei Minister Schmidt blieben bis jetzt noch alle Arbeitsaufträge der Regierungsfraktionen für eine bessere Ernährungs- und Verbraucherpolitik liegen“, stichelt die Grünen-Abgeordnete Bärbel Höhn. Ihre Forderungen sind dabei gar nicht einmal so weit entfernt von denen, die im Antrag von Union und SPD formuliert sind.

Darin heißt es, dass die jeweils acht Kommissionsmitglieder aus den Bereichen Verbraucherschutz, Ernährungsindustrie, Wissenschaft und Lebensmittelüberwachung öffentlich berufen werden und ihre Arbeit beschleunigen sollen. Denn die Verfahren bis zum Beschluss, heißt es, dauerten im Schnitt bis zu zweieinhalb Jahre.