Der Autohersteller Opel ist trotz schmerzhafter Sanierung wieder tief in die Verlustzone gerutscht. Mutterkonzern General Motors meldete am Donnerstag in Detroit für 2011 im Europageschäft einen ein Minus von 750 Millionen Dollar. Der Automobilexperte Dudenhöffer gibt GM die Schuld für die Opel-Misere.
Detroit/Bochum.
Das Ergebnis des General-Motors-Konzerns glänzt, das der Europa-Töchter weist schwere Schrammen auf. Der US-Autobauer verdoppelte den Gewinn auf 7,6 Milliarden Dollar im vergangenen Jahr. Die Töchter auf dem alten Kontinent, Opel und Vauxhall, fuhren ein Minus von fast 750 Millionen Dollar ein. Wie es in Detroit hieß, wolle man in Südamerika und Europa nun hart an den Kosten arbeiten. Beobachter vermuten, das könne ein neues Sanierungsprogramm in diesem Jahr zur Folge haben. In den letzten Tagen gab es auch Gerüchte, das Opel-Werk in Bochum könne geschlossen werden, um Kosten zu sparen. Bestätigt wurden diese Gerüchte aber bisher nicht.
GM-Chef Dan Akerson sagte bei einer Telefonkonferenz: „Wir müssen die Kapazität der Nachfrage anpassen und die Nachfrage ist gefallen.“ Mittelfristig müsse der Automobilkonzern eine „geeignete Größe“ finden. Akerson sprach aber nicht konkret über die Schließung von Standorten oder gar einen Verkauf von Opel und Vauxhall. Der GM-Chef sagte lediglich, der Konzern gehe das Problem nicht auf „eindimensionale“ Weise an.
Experte gibt GM die Schuld für Opel-Misere
Der Automobilexperte Ferdinand Dudenhöffer sieht die Schuld für die Opel-Misere allein beim Management von General Motors. „Seit 20 Jahren versucht sich GM jetzt an einer Sanierung, die funktioniert aber nicht, weil GM selbst ein völlig antiquiertes Produktionssystem betreibt“, sagte der Chef des CAR-Instituts der Universität Duisburg.
Kernvorwuf: Während deutsche Autobauer wie Volkswagen oder BMW ihre Produktionszahlen weltweit flexibel mit Werken nach den jeweiligen Märkten aussteuerten, lade GM das komplette Europa-Risiko bei Opel ab. Schlimmer noch: Die Amerikaner nähmen nicht nur keine Rücksicht auf die Europa-Tochter, sie machten Opel und Vauxhall noch Konkurrenz über den Export der koreanischen Chevrolet-Produktion auf den alten Kontinent.
Euro-Krise trifft Opel hart
Und das Risiko im Europa-Geschäft ist erheblich. Die als ein Eckpfeiler des letzten Opel-Sanierungsplanes festgeschriebenen Produktionsziele von jährlich 1,5 Millionen Autos ab dem Jahr 2012 wären selbst bei einer anhaltenden Autokonjunktur nur schwer zu erreichen gewesen. Jetzt ist Opel besonders von der Eurokrise betroffen. In den für Opel wichtigen Absatzländern Südeuropas halten sich die Autokäufer besonders zurück.
Der Marktanteil in Deutschland ist für Opel – vom Spitzenwert von 17 Prozent Marktanteil im Jahr 1994 auf acht Prozent 2011 – auf weniger als die Hälfte eingebrochen. Und diese Zahl ist noch aufgehübscht: Laut Dudenhöffer entfielen im letzten Vierteljahr 2011 etwa 42 Prozent der Neuwagenzulassungen auf die Opel-Händler selbst, die so genannten Tageszulassungen. Ein taktischer Trick, möglicherweise um die schlechte Bilanz gegenüber Konzernmutter General Motors zu schönen.
Sanierungswellen und Produktoffensive widersprechen sich
Ein Autobauer ist immer nur so gut wie seine Produkte. Aus Geldmangel konnte Opel nicht genug in zukunftsweisende Technik und neue Modelle investieren. General Motors unterfütterte die Sanierungswellen bei Opel nie mit einer Produktoffensive, was das Image von Opel schwer schädigte
Nachholbedarf besteht seit Jahren bei Getrieben, bei Motoren können nur die jüngsten Entwicklungen mithalten. Einen nennenswerten, aber kommerziell in den nächsten Jahren noch unbedeutenden Vorteil hat Opel bei der Elektromobilität. Der immer wieder beschworene Aufstieg ins margenreichere Premiumsegment ist Opel misslungen. Und: Der lukrative Einstieg in die Wachstumsmärkte bleibt Opel mit Ausnahme von Russland durch GM verboten.
Opel hat keine konkurrenzfähigen Nischenmodelle im Angebot
Seit 15 Jahren werden die Stückzahlen der traditionellen Volumenmodelle in der Golf- und in der Mittelklasse kleiner, weil die Käufer sich immer mehr für Nischenmodelle wie kleine Geländewagen oder Cabrios entscheiden. Bis auf den Bereich der Minivans hat Opel gar keine oder keine konkurrenzfähigen Nischenmodelle im Angebot. Bei den Kompaktwagen stammt der Corsa noch aus der zwischenzeitlichen Kooperation mit Fiat.
Wie alle europäischen Massenhersteller ist Opel von der Invasion der Gut-und-günstig-Marken aus Korea betroffen. Deren nach Europa importierten Fahrzeuge wurden durch den Wegfall von Zollschranken vergangenes Jahr noch einmal billiger. Chevrolet, die koreanische Schwestermarke von Opel im GM-Konzern, hat seine Verkäufe in Deutschland 2011 um 30 Prozent gesteigert. Der Minivan Chevrolet Orlando kostet in Deutschland ab 19 000 Euro, das Zwillingsmodell Opel Zafira Tourer aus Bochum 23.000 Euro.
Opel könnte Chevrolets für den europäischen Markt bauen
Hier setzt auch Dudenhöffers Kritik an. Aus seiner Sicht wäre es für den Konzern vernünftiger, einen Kapazitätsausgleich über Werke zu schaffen, die mehrere Marken produzieren, analog zu Volkswagen.
Opel könnte Chevrolets für den europäischen Markt bauen und so seine Überkapaziten füllen. Das vermeintlich schlagende Argument der niedrigen koreanischen Löhne lässt er nicht gelten. Schließlich habe es Ford in Deutschland geschafft, die Produktion von 556.000 Autos 1998 auf 720.000 2011 zu steigern. Bei Opel ging die Zahl von 1,05 Millionen auf 442.000 Autos in diesem Zeitraum bergab.