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Mit deutscher Ingenieurskunst auf Jagd nach Riesenkalmaren

Mit deutscher Ingenieurskunst auf Jagd nach Riesenkalmaren

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Foto: Pirkko Gohlke
Die Quast Anlagentechnik aus Eschweiler bei Aachen und der Essener Spezialchemie-Konzern Evonik entwickelten Teile des Tauchboots Lula. Mit ihm sucht das Ehepaar Kerstin und Joachim Jakobsen vor den Azoren nach Riesenkalmaren – in 1000 Metern Wassertiefe.

Lajos do Pico. 

Es ist ein Abenteuer der besonderen Art: Mit dem Tauchboot Lula 1000 sucht das deutsche Ehepaar Kerstin und Joachim Jakobsen seit 2013 im Atlantik vor den Azoren nach Riesenkalmaren. Bis zu 1000 Meter tief tauchen die beiden Tierfilmer ab. 26 Tauchgänge schafften sie im vergangenen Jahr. Ermöglicht wird die Jagd nach den mysteriösen Kopffüßlern, über die Wissenschaftler bisher nur wenig wissen, durch deutsche Technik.

Die Lula 1000 wurde in Deutschland gebaut. Dort gebe es einen Pioniergeist und Perfektionismus für Sonderanfertigungen, so der 56-jährige Jakobsen. Es sei die Mentalität vieler deutscher Firmen, Freude daran zu haben, knifflige technische Probleme zu lösen, ergänzt seine Frau. Sie hätten sich bewusst für deutsche Firmen entschieden, sagen die Tiefseetaucher, die sich mit ihrer 1994 gegründeten Rebikoff-Niggeler-Stiftung der Erforschung der Unterwasserwelt vor den Azoren verschrieben haben. Ihr vorheriges Boot, das bis zu 500 Meter tief tauchen konnte, sei in England und Finnland gebaut worden. „Das entsprach einfach nicht den Qualitätsanforderungen an Tauchboote“, sagt Jakobsen.

Knifflige technische Probleme

Rund eine Million Euro hat die 7,50 Meter lange Lula 1000 gekostet. Der Druckkörper des Tauchbootes wurde von der Firma Quast Anlagentechnik in Eschweiler bei Aachen gebaut. Eigentlich fertigt Quast Chemieanlagen – auch dabei kommen Druckkörper zum Einsatz. „Wann kommt man schon mal in die Verlegenheit, ein U-Boot zu bauen“, sagt Technik-Leiter Adolf Hürtgen lachend. Zuerst habe er die Anfrage für einen Scherz gehalten.

„Wir haben alles handwerkliche Geschick und Wissen über Apparatebau zusammenkratzen müssen“, so Hürtgen, „und sind dabei teilweise an unsere Grenzen gekommen.“ So musste der Körper des Tauchbootes nahezu perfekte Rundungen haben – eine kleine Delle und er wäre von dem Wasserdruck zusammengequetscht worden. Einen Kilometer unter der Wasseroberfläche lastet auf jedem Quadratmeter ein Druck von 1000 Tonnen. Das entspricht 1100 übereinander gestapelten Elektro-Smarts auf der Fläche eines mittleren TV-Flatscreens. Der Druckkörper wurde aus Hochleistungs-Duplex-Stahl gefertigt. Der habe den Vorteil, dass er sehr fest und beständig gegen Seewasser sei, so Hürtgen. Er komme auch beim Chemieanlagenbau im Offshore-Bereich zum Einsatz. Wirtschaftlich habe sich der Tauchboot-Bau übrigens nicht gelohnt. „Das ist kein Projekt, an dem man Geld verdienen könnte“, sagt Hürtgen.

Sechskiemenhai entdeckt

Die Lula 1000 muss nicht nur stabil sein. Die Jakobsens brauchen für ihre Film-Aufnahmen klare Sicht. Daher hat das Tauchboot eine Sichtkuppel aus Plexiglas am Bug mit einem Durchmesser von 1,4 Metern. An der dünsten Stelle ist die Kuppel 14 Zentimeter stark. Gefertigt wurde das Plexiglas von Evonik. „Die Herausforderung lag darin, den Block aus Plexiglas ohne optische Störungen und Materialbeeinträchtigungen zur Halbkugel zu wölben“, so Evonik-Produktionsmanager Wolfgang Stuber. Mit seinem Team hat Stuber ein Spezialverfahren entwickelt. Ein Block aus Plexiglas wird dabei mit Hilfe von Wärme und Druck umgeformt. „Die Patentierung des Verfahrens läuft.“

Plexiglas ist ein eingetragener Markenname von Evonik – der Oberbegriff ist Acrylglas. Das Plexiglas kommt an vielen Stellen zum Einsatz: Als Scheiben für Flachbildfernseher, für Flugzeugfenster oder Sichtkuppeln im Rettungshubschrauber Eurocopter. In der Autoindustrie wird Plexiglas verbaut, weil es leicht ist und Kraftstoff spart. Den Riesenkalmar haben die Tierfilmer bisher nicht entdeckt, dafür aber bisher unbekannte kleinere Kalmararten und einen Sechskiemenhai.