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Middelhoffs Luxus kurz vor der Pleite

Middelhoffs Luxus kurz vor der Pleite

Eine neue Klage gegen den einstigen Arcandor-Chef Thomas Middelhoff dreht sich um Millionen-Boni, hohe Spesenrechnungen und Privatflüge.

Essen. 

Zwar gab es größere Summen, mit denen die Bilanz von Arcandor kurz vor der Insolvenz belastet wurde. Doch eine Episode um den edlen Tropfen Chateau Cheval Blanc illustriert beispielhaft, dass es beim Karstadt-Mutterkonzern offenbar zwei Welten gab. Die eine Arcandor-Welt war geprägt von Sparprogrammen, Stellenstreichungen und Gehaltseinbußen – die andere von hohen Bonuszahlungen, teuren Privatjets oder Luxus-Wein auf Firmenkosten. Mit anderen Worten: Unten wurde gekürzt, oben kassiert.

Doch der Reihe nach: Im September 2008, als wieder einmal über Einsparungen bei den Beschäftigten verhandelt wurde, soll der damalige Vorstandschef Thomas Middelhoff um den Ausgleich gewisser Kosten gebeten haben. In seinem Haus in Saint-Tropez habe er die Vorstände von Thomas Cook empfangen, mit ihren Frauen. Sechs Liter Wein sollen es gewesen sein, die zu diesem dienstlichen Anlass getrunken wurden. Eben jene Marke: Chateau Cheval Blanc. Kosten: 2200 Euro. Trotz der prekären Lage des Konzerns ließen es sich die Vorstände gut gehen.

Private Flüge auf Firmenkosten

Schon vor Monaten hatte Arcandor-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg gerügt: „Der dienstliche Aufwand des Vorstandes war sehr hoch. Jedenfalls sehr hoch für ein Unternehmen in der wirtschaftlichen Verfassung wie Arcandor.” Nun reichte Görg beim Landgericht Essen eine neue Klageschrift ein, aus der das Nachrichtenmagazin „Der Spiegel“ zitiert. Es geht um hohe Spesenrechnungen, Bo­nuszahlungen und teure Privatflüge auf Firmenkosten. Görg hat Middelhoff sowie fünf Ex-Vorstände und zwei ehemalige Aufsichtsratsvorsitzende im Visier. Ein Vorwurf lautet, mehrere Manager hätten weit überzogene Boni und Abfindungen kassiert oder be­willigt. Fast 24 Millionen Euro will Görg von den Beschuldigten zurückholen. 15,9 Millionen Euro verlangt er allein von Middelhoff.

„Die Klagen sind zugestellt“, bestätigte ein Sprecher des Essener Landgerichts. Ein Termin für die mündliche Verhandlung steht noch nicht fest. Das neue Verfahren ruft auch die Bochumer Staatsanwaltschaft auf den Plan. „Wir klopfen die Schriftsätze darauf ab, ob sie für uns Anlass geben, tätig zu werden“, sagte Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek dieser Zeitung. „Die dort ge­schilderten Sachverhalte sind teilweise auch Gegenstand unserer Untersuchungen.“ Die Schwerpunktabteilung Wirtschaftsstrafsachen ermittelt bereits seit Monaten gegen Middelhoff.

Pikante Details

Görgs neue Klageschrift ist gespickt mit pikanten Details. So soll Middelhoff Ende 2008 einen Textentwurf an den damaligen Arcandor-Aufsichtsratschef Friedrich Carl Janssen geschickt haben – angeblich mit einer Begründung für eine hohe Bonuszahlung an den „sehr geehrten Herrn Dr. Middelhoff“. Auch der „ständige Ausschuss“, ein kleiner Führungszirkel des Aufsichtsrats, erscheint in keinem guten Licht. Das Gremium soll in einer zehnminütigen Telefonkonferenz einen millionenschweren „Sonderbonus“ abgenickt haben, den Middelhoff für seinen vermeintlichen „strategischen Weitblick und die mutigen Entscheidungen in den Jahren 2005 bis 2008“ erhalten sollte. Eine Begründung, die Görg „aberwitzig“ findet.

Die Gewerkschaft Verdi kritisiert die Zahlungen. Verdi-Funktionäre seien nicht Mitglieder des „ständigen Ausschusses“ gewesen, betonte eine Gewerkschaftssprecherin. „Wenn das Thema auf der Tagesordnung des Aufsichtsrates gestanden hätte, wäre es aus unserer Sicht so nicht durchgegangen.“ Brisant: Karstadt-Gesamtbetriebsratschef Hellmut Patzelt gehörte zum kleinen Zirkel, der sich mit den Boni befasste.

Vielflieger Middelhoff

Akribisch listet „Der Spiegel“ auf, welche Kosten durch den Vielflieger Middelhoff entstanden. Noch in seiner letzten Arbeitswoche sei der Ma­nager mit dem Privatjet für 70 199 Euro nach Abu Dhabi gereist. Selbst für vergleichbar kurze Strecken zwischen dem Rhein-Ruhr-Gebiet und seinem Anwesen in Bielefeld soll Middelhoff den Privatflieger – und nicht etwa seinen Dienstwagen – genutzt haben.

Middelhoffs Anwalt Hartmut Fromm weist die Vorwürfe zurück und wittert eine „Kampagne“ gegen den früheren Arcandor-Chef. Ein Langzeitbonus sowie eine Abfindung seien ebenso wie die Flugzeugnutzung ordnungsgemäß vereinbart worden, er­klärte Fromm. Görg hingegen glaubt, genügend Belege dafür gefunden zu haben, dass sich Middelhoff „wie ein Gutsherr“ aufgeführt habe.