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Fünf Gründe fürs Online-Shoppen, fünf fürs Einkaufen vor Ort

Fünf Gründe fürs Online-Shoppen, fünf fürs Einkaufen vor Ort

Es ist schon eine Gretchenfrage: Wie hältst du’s mit Online-Shops wie Amazon? Gretchenfragen sind religiöse Fragen, und man kann religiöse Antworten bekommen, fragt man nach dem korrekten Einkaufsverhalten. Wir wollen neutral bleiben: fünf Gründe, im Internet zu shoppen – und fünf fürs Geschäft.

Essen. 

Einkaufswelt im Umbruch: Das klassische Warenhaus steckt in der Krise – fast zwei Drittel der Bundesbürger kaufen einer Umfrage zufolge nur noch selten bei Karstadt und Co. ein, jeder zehnte nie.

Fachhändler in den Innenstädten fürchten derweil die Konkurrenz auf der Grünen Wiese – und durchs Internet. Denn: 71 Prozent der Deutschen haben einer Umfrage zufolge schon mindestens einmal in einem Online-Shop eingekauft, vier von zehn Internetnutzern tut dies sogar mehr als zehnmal im Jahr. Tendenz: steigend.

Per Mausklick bestellen und liefern lassen oder im (Fach-)Geschäft vor Ort einkaufen – für beide Möglichkeiten gibt es gute Gründe. Wir haben sie gesammelt.

Auswahl und so weiter – fünf Gründe für den Web-Shop 

1. Online gibt es fast alles

Man kennt das: Man fragt im Laden nach einem bestimmten Artikel in einer bestimmten Farbe und Größe – und bekommt die Auskunft: „Das gibt es nur so, wie wir es im Regal haben.“ Ein Blick beim Online-Händler zeigt dann, dass es den Artikel sehr wohl so gibt, wie man ihn gerne hätte. Erst ärgert man sich, dass man als Kunde mit einer Notlüge abgespeist wird. Und dann fragt man sich: Hat der Ladenbesitzer als einziger hier kein Internet? Ist es unter seiner Würde, das Teil für mich zu bestellen?

Gut, es gibt in der Stadt noch Dinge, die man Online nicht bekommt. Parfüms, Bekleidung, Uhren und Schmuck von richtig teuren Herstellern zum Beispiel, aber auch so wenig aufregende Dinge wie Lebensmittel von einem bestimmten Bauern aus der Region. Doch bei vielen anderen Dingen ist das Warenangebot im E-Commerce dem des stationären Einzelhandels überlegen.

2. Das Web hat die besten Informationen

Bei einer Umfrage des IT-Branchenverbandes Bitkom gaben 73 Prozent der Online-Shopper an, dass sie vor einem Kauf in der Regel die Bewertungen anderer Kunden hinzuziehen. Stellen Sie sich einen Augenblick vor, Sie würden das im Geschäft machen! Kein Wunder also, wenn manche sagen, dass das Internet inzwischen bei der Beschaffung von Produkt-Informationen mindestens genau so wichtig sei wie das Fachgeschäft.

Jahrelang haben Einzelhändler geklagt, die Kunden würden bei ihnen nur gucken und sich beraten lassen – und dann im Internet kaufen. Zurzeit scheint aber auch das Gegenteil immer populärer zu werden. Noch einmal die Bitkom-Umfrage: 71 Prozent der Webshop-Kunden gestehen, dass sie sich im Laden erkundigen und dann im Internet kaufen. Pfui. Doch es sind noch mehr, die sagen, dass sie im Geschäft etwas kaufen, was sie sich zuvor im Internet angesehen haben. 87 Prozent! Und darüber rümpft keiner die Nase.

3. Internet-Shopping ist schnell und bequem

Selbst wer mit langsamer Hardware im Internet unterwegs ist, wird kaum mehr als zehn Minuten benötigen, um seinen Rechner hochzufahren, einen Online-Shop aufzusuchen, einen Artikel in den Warenkorb zu legen und zu kaufen. Will man im stationären Einzelhandel auf das gleiche Tempo kommen, muss man schon über Karstadt wohnen. Eine Einschränkung gibt es aber: Auch wenn man online weniger Netto-Zeit mit Einkaufen verbringt – es vergehen in der Regel ein oder mehrere Tage, bis man die Ware in Händen hält.

Zu Hause auf der Couch, heimlich im Büro – oder immer öfter von unterwegs mit dem Smartphone. Bewegen muss man sich zum Einkaufen nur noch, um die Kreditkarte aus dem Portemonnaie zu holen. Oder nicht einmal das: Unter deutschen Kunden ist das Bezahlen per Rechnung nach wie vor am beliebtesten. Online-Shopping ist daher verführerisch bequem. Selbst wer nicht zu Hause war, als die Ware kam, muss sich um seinen Komfort keine Gedanken machen: Er kann zum Paketshop laufen. Aber er muss es nicht. Zusteller wie der Branchenprimus DHL bieten eine kostenlose Zweitzustellung an, die – natürlich – online vereinbart wird.

4. Im Internet kann man leichter Preise vergleichen

Das Vorurteil besagt: Im Internet ist alles billiger. Das Problem dabei: Diese Behauptung ist kaum belegt. Darauf weist Professor Hendrik Schröder vom Essener Lehrstuhl für Marketing und Handel hin. Denn wer auch immer den günstigsten Online-Preis mit dem günstigsten Preis der stationären Händler vergleichen will, stehe vor einer monströsen Aufgabe: Er müsste zunächst die Preise aller Händler einholen – und dann auch noch ausprobieren, wie sie reagieren, wenn er sie um einen Rabatt bittet. Denn außer Büchern, Zeitungen, Zeitschriften und Tabakwaren unterliegt fast nichts der Preisbindung. Jeder Händler kann aufs Preisschild schreiben, was er will – und das hängt manchmal auch von lokalen Faktoren ab: etwa einem Konkurrenzkampf im Ort oder dem Umstand, dass ein Lager geräumt werden muss.

Woher also die Annahme, dass im Internet alles billiger ist? Es kommt von der größeren Transparenz. Preissuchmaschinen helfen bei der Suche nach dem günstigsten Angebot, und bei den besseren von ihnen werden sogar die Lieferkosten mit einberechnet. Von so einem Service kann der Kunde in der Fußgängerzone nur träumen.

5. Im Internet ist der Umtausch unkomplizierter

Wer im Internet einkauft, hat mehr Rechte als der Kunde im Laden – zumindest wenn es um die Rückgabe der Ware geht. Hat man im Internet etwas bestellt, kann man es 14 Tage lang ohne Angabe von Gründen wieder zurückschicken. Das hat der Gesetzgeber so eingerichtet. Einige Händler beteiligen ihre Kunden jetzt an den Kosten der Rücksendung, aber das ist erst seit wenigen Wochen zulässig und noch nicht die Regel.

Auch in den meisten Läden kann man Ware unproblematisch wieder umtauschen – aber einen gesetzlichen Anspruch darauf hat der Kunde nicht. Er ist auf die Kulanz des Händlers angewiesen – und staunt, wenn er dann doch mal auf steinzeitliche Geschäftsbedingungen hingewiesen wird wie „Umtausch nur gegen andere Ware“ – wie bei einem großen Schuhgeschäft in Düsseldorf.

Anprobe und so weiter: fünf Gründe für den Einkauf im Laden 

1. Im Geschäft kann man aus- und anprobieren

Laut der erwähnten Umfrage des IT-Branchenverbandes Bitkom haben 8 Prozent der Deutschen, die sich im Internet bewegen, dort noch nie etwas gekauft. Auf die Frage nach den Gründen war die häufigste Antwort dieser hartnäckigen Verweigerer: „Ich will das Produkt sehen und anfassen, bevor ich es kaufe“ (71 Prozent). Erst danach rangierten Hinderungsgründe wie das Fehlen persönlicher Beratung (61 Prozent) oder Angst vor Missbrauch der Daten (59 Prozent).

In derselben Umfrage wurden auch Online-Shopper befragt, die schon mal Ware haben zurückgehen lassen. Sie sollten sagen, warum. Und tatsächlich: Häufigster Grund war, dass die Ware „nicht gepasst“ hat.

2. Wer in den Laden geht, darf sich als Retter fühlen

Viele, die zum Einkaufen das Haus verlassen, empfinden es inzwischen so: Mit ihrem Gang tun sie ein gutes Werk. Und denken umgekehrt: Mit jeder Sache, die im Internet bestellt wird, droht weitere Verödung der Städte.

Handelsexperten zeichnen gerne ein etwas differenzierteres Bild, vor allem was die alleinige Schuldzuweisung an das Internet angeht. Hendrik Schröder weist zum Beispiel darauf hin, dass der Einzelhandel in Deutschland sehr viel, eher zu viel Verkaufsfläche habe, und dass nicht zuletzt die inzwischen knapp 500 Shoppingcenter den kleineren Händlern das Wasser abgraben. Außerdem glaubt man in der Branche, dass die Geschäfte in den Top-Einkaufsstädten wie Hamburg, München oder Düsseldorf sogar noch weiter an Kunden gewinnen werden.

Doch auch die fehlen dann in den kleineren Städten. Hier wird eine Welle von Geschäftsschließungen erwartet, wenn es mit Shoppincentern und Online-Handel weitergeht wie bisher. „Vor allem in Klein- und Mittelzentren mit 30.000 bis 60.000 Einwohnern wird es gewaltige Verwerfungen geben“, sagt der Leiter des eWeb-Research Centers an der Hochschule Niederrhein, Gerrit Heinemann. Daher gilt vor allem für all jene, die zum Einkaufen in die Kleinstadt fahren: Ja, sie dürfen sich als Retter fühlen.

3. Im Geschäft wird man nicht durchleuchtet

Hat man im Internet-Shop etwas angesehen, wundert man sich schon im nächsten Moment über die Werbung, die einem nun auf allen möglichen Seiten angezeigt wird. Oder ist es schon so weit, dass sich keiner mehr wundert?

Der „gläserne Kunde“ ist längst Wirklichkeit geworden. Woran es liegt, das kann man in den Geschäftsbedingungen der Web-Shops nachlesen. Zum Beispiel Zalando: „Die von Ihnen übermittelten und automatisch generierten Informationen werden dazu genutzt, auf Sie und Ihre Interessen zugeschnittene Werbung zu gestalten. Wir nutzen hierfür vorhandene Informationen, wie beispielsweise Empfangs- und Lesebestätigungen von E-Mails, Informationen über Computer und Verbindung zum Internet, Betriebssystem und Plattform, Ihre Bestellhistorie, Ihre Servicehistorie, Datum und Zeit des Besuchs der Homepage, Produkte die Sie angeschaut haben.“

Wer nicht zur Datenschleuder werden will, dem bleibt der Gang in den Laden. Er muss aber auch dort auf der Hut sein: Er bezahlt mit Bargeld statt mit EC-Karte. Und er bleibt standhaft, wenn er zum hundertsten Mal gefragt wird: „Möchten Sie unsere Kundenkarte?“

4. Einkaufen als Erlebnis

Der Einzelhandelsverband HDE ist sich sicher: Die Kunden schätzen am stationären Einzelhandel, dass der Einkauf hier noch zum Erlebnis werden kann. Entsprechend werden die Händler den „Event“-Charakter des Einkaufens in Zukunft noch stärker betonen. „Ja wir arbeiten an der Steigerung des Einkaufserlebnisses“, sagten dieses Jahr über 80 Prozent der befragten Einzelhändler in einer Umfrage des HDE.

Die deutschen Einzelhändler denken demnach über Veranstaltungen für die Kunden nach, wollen ihre Läden umbauen, suchen nach interessanteren Produkten. Es kommt also was auf uns zu. Es kann gut werden oder ganz schrecklich. Aber langweilig wird es wahrscheinlich nicht.

5. Im Geschäft kommt man noch unter Menschen

Gut, das ist nicht für jeden was – aber wer in ein Geschäft geht, begegnet dabei anderen Menschen. Er muss ihnen nicht einmal nahe kommen, er kann sie auch aus der Ferne beobachten. So oder so erweitert er sein Bild von den Mitmenschen und kann es beim Abendbrot teilen. Das beginnt bei den vielen unperfekten Socken, die man unter den Vorhängen der Umkleiden sieht, geht über die Frage, welche Art von Mensch in Schlangen am schnellsten zum Pöbeln neigt, und gipfelt wahrscheinlich in dem Erfolgserlebnis, dass man einer Verkäuferin einen überaus kulanten Umtausch abgetrotzt hat, obwohl sie zuerst unknackbar erschien.

Wer aus purer Bequemlichkeit online kauft, der verzichtet freiwillig auf den Umgang mit Menschen. Das wäre unendlich schade – es sei denn natürlich, er gehört selbst zu denen, die in der Schlange am schnellsten zum Pöbeln neigen. (abe)