Essen.
Der wachsende Widerstand der Bevölkerung gegen die geplanten Erdgas-Bohrungen im Münsterland zeigt Wirkung: Der US-Ölkonzern ExxonMobil will die Arbeiten seiner Bohrtrupps von unabhängigen Wissenschaftlern kontrollieren lassen.
Zudem kündigte der größte Gasförderer in Deutschland an, dass die Probebohrungen vorab zusätzlichen Umweltprüfungen unterzogen würden.
In den betroffenen Kommunen will Exxon Vertreter aus den Gemeinden, Behörden, sowie Wasserversorger und Bürgerinitiative stärker in die Konzernpläne einbinden. „Wir werden vor Ort einen runden Tisch einrichten. Jeder, der mit uns sprechen will, bekommt dort eine Stimme“, sagte Heinrich Herm Stapelberg, Sprecher von ExxonMobil Europa, dieser Zeitung. Dieser Arbeitskreis soll dann einen Experten benennen, der die Bohrarbeiten wissenschaftlich überwacht.
Der US-Ölmulti hat sich in großen Teilen des Münsterlandes die Rechte für die Suche nach bislang unerschlossenen Erdgas-Lagerstätten gesichert. Der Protest der Anwohner richtet sich vor allem gegen die Bohrtechnologie, das sogenannte Fracking. Dabei wird ein Gemisch aus Chemikalien, Sand und Wasser in den Boden gepresst, um das in Gesteins-Schichten oder Kohleflözen festsitzende Erdgas „herauszubrechen“. Umweltschützer befürchten indes eine Verseuchung des Erdreichs und des Grundwassers.
Ursprünglich sollte die Suche nach den „sweet spots“, den gewinnbringendsten Erdgas-Lagern, längst begonnen haben. Der Beginn der Bohrarbeiten im Münsterland wird sich nun bis Sommer verzögern, kündigte Exxon an. Der Konzern plant Kernbohrungen in Nordwalde (Kreis Steinfurt), Borkenwirthe (Kreis Borken) und Drensteinfurt (Kreis Warendorf).
Krebserregendes Benzol sowie Quecksilber sollen ausgetreten sein
In Nordwalde hat Exxon bereits die bergrechtliche Genehmigung, mit den Probebohrungen zu beginnen. Nun will der Konzern in Kürze eine wasserrechtliche Genehmigung beantragen. „Wir hoffen, dass wir dann im Mai oder Juni in Nordwalde anfangen können zu bohren“, sagte Stapelberg. Erst wenn die Behörden für Nordwalde grünes Licht gegeben haben, will Exxon die Testbohrungen in Borken und Drensteinfurt beantragen.
In den Bürgerinitiativen im Münsterland aber dürfte das Misstrauen gegenüber Exxon weiter wachsen: Auf Erdgasfeldern in Niedersachsen ist es wiederholt zu Unfällen gekommen, bestätigte der Konzern im Gespräch mit dieser Zeitung. Dabei sei aus undichten Rohrleitungen krebserregendes Benzol sowie Quecksilber ausgetreten.
Bei den Vorfällen, 2007 in Söhlingen und jüngst in Hengstlage, sei das Grundwasser und Erdreich verunreinigt worden. Exxon-Sprecher Stapelberg nannte die Vorfälle „harmlos“: „Wir haben die Fälle identifiziert und arbeiten daran, die Lecks abzustellen.“ Er beteuert: „Wir haben die Erdgasförderung über Jahrzehnte sicher betrieben.“
Exxon lockt Bundesländer und Kommunen mit Milliardeninvestitionen, Arbeitsplätzen und Gewerbesteuer-Zahlungen. Niedersachsen erhalte 36 Prozent des Erlöses, den Exxon mit der Gasförderung erziele. Sieben Milliarden Euro seien das in den letzten zehn Jahren gewesen. Doch für den Öl-Multi wächst der Druck. Die Grünen sprechen sich für ein Moratorium aus. Die Bohrarbeiten sollten ruhen, bis eine Studie der US-Umweltbehörde EPA vorliege. In mehreren US-Staaten wurden Fracking-Bohrungen gestoppt. Auch in Frankreich wollen die Behörden zunächst das Risiko möglicher Umweltschäden untersuchen.
Ein Moratorium in Deutschland wäre für Exxon kritisch: Stapelberg: „Sollten neben dem Fracking auch die Erkundungsbohrungen für längere Zeit ausgesetzt werden, bedeutet dies, dass ExxonMobil die strategischen Pläne zur Förderung dieser Erdgas-Lagerstätten neu diskutieren müsste.“