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Eon-Chef Teyssen warnt vor Strom-Ausfall an kalten Wintertagen

Eon-Chef warnt vor Strom-Ausfall im Winter

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Essen. 

Der Atomausstieg trifft die deutschen AKW-Betreiber, auch den Energiekonzern Eon. Und er trifft die Verbraucher, denn Strom werde sicher nicht billiger, sagt Eon-Vorstandschef Johannes Teyssen im Interview. Kalten Wintertagen sieht er mit Skepsis entgegen.

Wie hart trifft Eon der Atomausstieg?




Johannes Teyssen:

Natürlich sind die Auswirkungen gravierend, aber der Ausstiegsbeschluss bringt uns nicht ins Wanken. Eon auf Atomstrom zu reduzieren, ginge an der Realität vorbei. Allein die Ertragskraft unseres russischen Geschäfts ist größer als jene der deutschen Kernkraftwerke.

Verblüfft es Sie, wie rasant Deutschland seine Kehrtwende vollzogen hat?


Teyssen: Wenn es innerhalb von zwölf Monaten eine Verlängerung und eine Verkürzung der Laufzeiten für Kernkraftwerke gibt und beides als die ewige Wahrheit verkündet wird, dann wird allein schon der Begriff des Ewigen erschüttert.

Vertrauen schafft man so nicht – oder?


Teyssen: Die Rahmenbedingungen sind ein Stück weit unberechenbarer geworden, was sich auch auf die Investitionen in Deutschland auswirkt. Dafür zahlt das Land einen Preis bei Kapitalgebern und Investoren. Der Risiko-Aufschlag für Deutschland ist gestiegen.

Welchen Preis zahlen denn die Verbraucher – und zwar in Form höherer Stromrechnungen?


Teyssen: Das kann kein Mensch verlässlich vorhersagen. Es wäre Glaskugellesen.

Teurerer Strom ist nicht ausgeschlossen

Aber sicher ist: Es wird teurer. Richtig?


Teyssen: Es ist zumindest ausgeschlossen, dass es billiger wird. Nicht zuletzt, da für den Ausbau der erneuerbaren Energien erhebliche Investitionen notwendig sind. Ich erwarte, dass angesichts höherer Großhandelspreise relativ viele Unternehmen unter Druck stehen werden, ihre Tarife für Endkunden anzuheben. Aber letztendlich entscheidet in erster Linie das Marktumfeld und nicht nur die Kosten.

Wie sehr beunruhigt Sie der Stromausfall in Hannover? Kann es sein, dass bald auch an Rhein und Ruhr zwischenzeitlich die Lichter ausgehen?



Teyssen: Da fragen Sie den Falschen.

Das hört sich nicht gerade beruhigend an.


Teyssen: Wie sicher oder unsicher die Lage ist, können nur die Betreiber der Hochspannungsnetze einigermaßen verlässlich beurteilen. Klar ist: Lokal begrenzte Störungen – wie in Hannover – gab es auch in der Vergangenheit gelegentlich. Wirklich problematisch sind Vorfälle, die das gesamte Netz betreffen.

Kanzlerin Merkel hat beteuert, die Stromversorgung sei sicher.


Teyssen: Sicher ist aber auch, dass die Herausforderungen wachsen – vor allem im Winter. Ich hoffe sehr, dass die Bundesnetzagentur im Zusammenspiel mit den Netzbetreibern die Situation im Griff behält.

Deutschland als EinzelgängerEnergie

Energiepolitik in Europa erfordert abgestimmtes Vorgehen

Warum diese Skepsis?


Teyssen: Es wird enger. Ich denke an kalte Wintertage, an denen es windstill und stark bewölkt ist. Dann könnten im Stromnetz Reservekapazitäten fehlen, die in der Vergangenheit unter anderem durch Kernkraftwerke zur Verfügung standen. Das Problem betrifft insbesondere den Süden Deutschlands. Hinzu kommt: Wenn in Deutschland das Netz zusammenbricht, droht ein Domino-Effekt in Europa

.

Ist es problematisch, dass Deutschland in Europa den Alleingang wagt?


Teyssen: Deutschland hat sich sehr schnell und losgelöst von anderen Entwicklungen für einen eigenen Weg entschieden. Unsere Nachbarländer müssen nun damit leben. Aber gerade die Energiepolitik für einen gemeinsamen Binnenmarkt erfordert ein abgestimmtes Vorgehen in Europa. Das gilt für die Verbundnetze, für den Klimaschutz und auch die Erzeugungsstruktur.

Wie wirkt sich die Energiewende auf den deutschen Industriestandort aus?


Teyssen: Die Energie prägt am Ende alle Lebensbereiche. Die Politik geht davon aus, dass Energie trotz des vollständigen Umbaus des Energiesystems bezahlbar bleibt. Vielleicht kommt es so. Aber wenn nicht, steht der Wohlstand des Landes auf dem Spiel. Wenn sich die Energieversorgung in Deutschland als unwirtschaftlich herausstellen sollte, wird es insbesondere die Stahl- und die Aluminiumindustrie sehr schwer haben.

Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie werden dringend Ersatzkraftwerke gebraucht. In Datteln wollen Sie das größte Steinkohlekraftwerk Europas an Netz bringen. Doch das Projekt droht zur Investitionsruine zu werden. Wann gibt es endlich Klarheit?


Teyssen: Ich kann und will den Entscheidungen im Regionalverband Ruhr und der Stadt Datteln nicht vorgreifen. Aber wir sind überzeugt, dass das Kraftwerk genehmigt werden kann. Wir rechnen mit einer Inbetriebsetzung im Jahr 2013.

„Wir werden Klage einreichen“

Nun gibt es auch noch Streit um drei bestehende Kohlekraftwerksblöcke in Datteln, die Sie eigentlich – wie 2006 angekündigt – Ende 2012 vom Netz nehmen wollten.


Teyssen: Sobald Datteln 4 ans Netz geht, legen wir die älteren Blöcke 1 bis 3 und das Kraftwerk Shamrock in Herne still. Vorher geht es aber nicht. Wir liefern Fernwärme für 100.000 Haushalte aus Datteln. Und jeder vierte Zug der Deutschen Bahn fährt mit Strom aus Datteln. Stehende Züge sind keine Alternative.

Die Landesregierung will einen Widerruf der Stilllegungsanzeige für Datteln 1 bis 3 nicht akzeptieren. Werden Sie juristisch dagegen vorgehen?


Teyssen: Wir werden Klage einreichen. Aber klar ist doch: Auch wir haben ein hohes Interesse daran, die alten Blöcke möglichst schnell stillzulegen. Jeden Monat, den sie länger laufen und nicht von Datteln 4 abgelöst werden, gelangen 100.000 Tonnen Kohlendioxid mehr in der Luft.

Wie konnte es passieren, dass ein solches Großprojekt auf der Kippe steht? Wer hat Fehler gemacht?


Teyssen: Es geht mir nicht um Schuldzuweisungen. Richtig ist: Wir haben uns schon lange vor dem ersten Spatenstich von der Stadt Datteln, von der Bezirksregierung und vom Land schriftlich versichern lassen, dass das Kraftwerk mit dieser Technik an dieser Stelle dem jeweiligen Bebauungs- und Planungsrecht entspricht.

Ein weiteres Sorgenkind im Konzern ist Ihr Gasgeschäft. Die Preise für Erdgas sind im Keller, aber ihre Tochter Ruhrgas sitzt auf teuren langfristigen Lieferverträgen vom russischen Staatskonzern Gazprom. Lässt sich das Problem nur vor einem internationalen Schiedsgericht lösen?


Teyssen: Wir verhandeln zunächst weiter. Aber es kann Situationen geben, in denen man Fragen streitig klären muss. Das kommt auch in Familien vor, ohne dass sofort die Scheidung eingereicht wird. Im Übrigen: Gazprom ist ein wichtiger Partner für uns, aber wir sind nicht allein von diesem Partner abhängig. Ein Drittel unseres Gases kommt aus Norwegen, ein Drittel aus Russland, ein weiteres Drittel aus anderen Quellen.

Gazprom hat mit Ihrem Konkurrenten RWE eine enge Zusammenarbeit vereinbart. Sind Sie auch auf Partnersuche?



Teyssen: Über Kooperationen bei einzelnen Projekten kann man reden. Das ist im Bereich der Erdgasförderung wie auch bei Windenergieprojekten schon lange üblich. Aber E.ON als Ganzes sucht keinen strategischen Partner.

Vorbild-Projekt Innovation City Bottrop

Ruhrgas befindet sich in den roten Zahlen. Das dürfte Sie nicht gerade erfreuen.


Teyssen: Verluste sind immer ärgerlich. Aber die richtige Reaktion ist doch, das Problem zu lösen.

Gab es auch Gespräche mit Gazprom über Eon-Ruhrgas?


Teyssen: Solche Gerüchte kommentieren wir grundsätzlich nicht.

Auch über einen Verkauf Ihrer Essener Gasnetzgesellschaft Open Grid Europe (OGE) wird spekuliert.



Teyssen: Wir haben noch keine Entscheidung getroffen. Klar ist: Aufgrund von Vorgaben der Politik müssen wir OGE völlig getrennt von Eon führen. Nur ein Beispiel: Ab dem nächsten Jahr darf ich einen Geschäftsführer, der bei OGE gearbeitet hat, fünf Jahre lang nicht mehr im Konzern einstellen.

Welche Rolle spielt für Eon das Klimaschutzprojekt Innovation City in Bottrop?


Teyssen: Innovation City ist ein wichtiges Projekt mit Vorbildcharakter, bei dem die Industrie erstmals an einem Ort und im Bestand zeigen kann, was in Sachen Energieeffizienz in Großstädten heute möglich ist. Wir sind bereits jetzt der größte Geldgeber für die Projektgesellschaft und werden unser Know-how einsetzen, um konkrete Vorhaben für die Bürger von Bottrop zu realisieren. Dafür werden wir einen einstelligen Millionenbetrag investieren.

Kommen Sie als Eon-Chef noch dazu, sich um Ihre vier Kinder zu kümmern?



Teyssen: Klar, aber viel zu wenig. Am Wochenende habe ich mit meiner Tochter an einem Referat zum Thema Kolonialismus und Indien gearbeitet. Da habe ich viel gelernt. Mit meinen beiden Söhnen gehe ich kicken. Wir spielen auch Minigolf oder wir fahren mit dem Rad. Einmal im Jahr machen wir eine Fahrradtour über 250 Kilometern in drei Tagen.

Eine Stunde lesen am Morgen

Bleibt Zeit für Sport?


Teyssen: Früher habe ich mit Kollegen jede Woche Badminton gespielt. Das ist inzwischen leider dem Terminkalender zum Opfer gefallen.

Kommen Sie denn noch zum Lesen jenseits von Strommarkt-Analysen?



Teyssen: Die Zeit nehme ich mir. Im Augenblick lese ich das neue Buch der Krimi-Cops aus Düsseldorf. Das sind sechs Polizisten, die ihre Romane gemeinsam schreiben. Die Bücher sind echt klasse. Dafür habe ich mir heute früh den Wecker auf sechs Uhr gestellt, um die erste Stunde des Tages zu lesen.

Wie sehr tut es Ihnen weh, dass Borussia Dortmund Meister geworden ist und nicht Ihr Lieblingsclub Bayern München?


Teyssen: Fürchterlich wäre es gewesen, wenn die Bayern nicht noch unter die ersten Drei gekommen wären. Würden die Bayern jedes Jahr auf Platz eins landen, wäre ich wahrscheinlich kein Fußballfan mehr, weil es zu langweilig wird. Ich freue mich auf jedes zweite Jahr, in dem die Bayern Meister werden.

Also diese Saison?



Teyssen: Aber sicher.

Schaut sich der Fußball-Fan Teyssen auch Spiele der Frauen-WM an?


Teyssen: Ein paar Halbzeiten habe ich im Fernsehen gesehen, ein Spiel sogar live. Ich bin ja norwegischer Honorarkonsul, da habe ich mir selbstverständlich Norwegen gegen Australien angeschaut – ausgestattet mit entsprechenden Fähnchen.

Wir müssten Sie also korrekt als Konsul Teyssen anreden?



Teyssen: Ich mag das Amt, aber auf die Anrede lege ich nicht so großen Wert. Vielleicht liegt es an der Geschichte, dass der römische Kaiser Caligula auch sein Lieblingspferd zum Konsul machen wollte.