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Die RWE-Krise macht die Städte im Ruhrgebiet noch ärmer

Die RWE-Krise macht die Städte im Ruhrgebiet noch ärmer

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Foto: Archiv-Foto: Sebastian Konopka / WAZ FotoPool
Die großen Aktienpakete, die sie am Essener Energiekonzern RWE halten, bringen viele Revierstädte in Bedrängnis. Essen verliert durch die gesetzlich vorgeschriebene Neubewertung der abgestürzten RWE-Aktien auf einen Schlag 680 Millionen Euro Eigenkapital. Andere Städte kommen glimpflicher davon.

Essen. 

Die Krise des Essener Energiekonzerns RWE trifft die Städte im Ruhrgebiet ins Mark. Gestern musste Essen den Wert seiner RWE-Aktien dramatisch nach unten anpassen. Die Stadt verliert in ihrer Bilanz auf einen Schlag 680 Millionen Euro. Auch anderen Städten mit RWE-Aktienbesitz geht es ans Eingemachte. Doch nirgendwo frisst die Neubewertung derart viel Substanz auf wie am RWE-Hauptsitz. Das Eigenkapital schmilzt auf mickrige 15,4 Millionen Euro – für eine Stadt von der Größe Essens ein lächerlicher Wert. Bochum und Dortmund schieben zwar ebenfalls riesige Schuldenberge vor sich her, haben auf der Habenseite aber noch Milliardenwerte stehen.

Im Essener Rathaus dagegen rechnet man jetzt mit dem Schlimmsten, der Überschuldung noch in diesem Jahr. Ende 2015 und 2016 werde mit einem Eigenkapital-Minus von mehr als 50 Millionen Euro kalkuliert, sagten Oberbürgermeister Reinhard Paß (SPD) und Stadtkämmerer Lars-Martin Klieve (CDU) gestern bei der Vorstellung des Jahresergebnisses. Die Stadt hatte 2007 ihre knapp 19 Millionen RWE-Aktien mit je knapp 76 Euro bewertet. Zum Jahresende 2013 waren sie auf 26,6 Euro gefallen.

Dortmund, der mit 22 Millionen Aktien größte kommunale RWE-Anteilseigner, kommt dagegen relativ ungeschoren davon. Die Stadt hat ihr Aktienpaket bei den eigenen Stadtwerken gebündelt. „Die Wertberichtigung der RWE-Aktien erreicht den Kernhaushalt der Stadt in keiner Form“, sagte Dortmunds Kämmerer Jörg Stüdemann (SPD) gestern dieser Zeitung. Die Abschreibung innerhalb der Dortmunder Stadtwerke liegt bei lediglich 64 Millionen. Der Grund: Abgewertet werden mussten nur 3,3 Millionen Aktien. Der Großteil der Papiere stammt noch aus alten VEW-Zeiten und steht mit einem Kurswert von ein paar DM in den Büchern. Der aktuelle Tiefstand der RWE-Aktien kann in Dortmund also sogar noch als Bilanzgewinn ausgewiesen werden.

Bochum hat sein Aktienpaket (10 Millionen Stück) ebenfalls bei den örtlichen Stadtwerken geparkt. Zwar müssen dort laut Kämmerer Manfred Busch (Grüne) nun 180 Millionen abgeschrieben werden. Doch die Bochumer Stadtwerke bleiben – wie die Dortmunder – durch lukrative Beteiligungen im Saldo neutral.

Mülheim rutscht wie Essen auf einen Schlag in die Überschuldung. Rund 480 Millionen Euro muss die Stadt auf ihre 9,4 Millionen RWE-Aktien abschreiben. Kämmerer Uwe Bonan (SPD) sieht darin nur einen rein buchhalterischen Akt. „Auf den Haushalt der Stadt hat dies keine Auswirkungen.“ Auch Gladbeck sieht die Wertberichtigung seiner 1,2 Millionen RWE-Papiere lediglich als bilanziellen Guthabenverlust. Immerhin sind das 75 Millionen.

Hermann Rappen, Experte für Kommunalfinanzen beim Essener Wirtschaftsinstitut RWI, warnt dagegen: „Die überschuldeten Kommunen bekommen ein Darlegungsproblem, wie sie aus der Finanzklemme wieder herauskommen wollen.“ Eberhard Kanski vom Steuerzahlerbund NRW erinnert an verpasste Chancen. Noch vor wenigen Jahren, so Kanski, hätten sich viele Revierkommunen mit dem Verkauf ihrer damals bei 100 Euro notierten RWE-Anteile auf einen Schlag schuldenfrei stellen können. Kanski bitter: „Dieser Zug ist jetzt abgefahren.“