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Bochumer fertigt Räder für Zabel und Aldag an

Bochumer fertigt Räder für Zabel und Aldag an

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Foto: WAZ FotoPool

Bochum. 

Günter Krautscheid produziert seit 1977 besondere Fahrräder auf Bestellung. Radprofis wie Erik Zabel und Rolf Aldag gehörten bereits zu den Kunden des Bochumer Unternehmers.

In einem leicht betagten Regal stapeln sich dutzende Rohe aus Stahl und Aluminium. An der Decke hängen Fahrradrahmen. Überall auf dem Boden verteilt liegen Metallspäne. Auf einer Werkbank herrscht kreatives Chaos. Ein Schweißbrenner sorgt für tropische Temperaturen. Und Günter Krautscheid ist bester Laune. „Schwitzen? Bei so einem Wetter doch nicht“, sagt er. Eben hat er Stahl gelötet. Nun riecht es nach Lagerfeuer.

Belastbar und zäh zu sein, das imponiert Krautscheid. Er ist selbst Radrennen gefahren, war Mitglied der Amateur-Nationalmannschaft. Dann hat Krautscheid eine Ausbildung zum Schlosser absolviert, das Schweißen gelernt und Mitte der 70er-Jahre in Bochum-Stiepel eine eigene Firma ge­gründet. In dem Betrieb stellt er seitdem maßgefertigte Fahrradrahmen her.

Kunde Erik Zabel

Seine Marke heißt „Krabo“, ein Kürzel für das Wortpaar „Krautscheid“ und „Bochum“. Radprofis wie Erik Zabel oder Rolf Aldag gehörten zu Günter Krautscheids Kunden. Heute beliefert er vor allem Amateure. Der Radsport, der sich nur ums große Geld dreht, der gefällt ihm nicht. „Früher hatten die Rennfahrer noch Charakter“, findet er, anders als die „Proffis“ von heute, wie er in markantem Ruhrdeutsch formuliert. Auch wenn er über die Mentalität spricht, die er sich im Arbeitsleben wünscht, kommt Krautscheid immer wieder auf den Radsport zu sprechen.

Auf den Charakter komme es an, sagt der Fahrradkonstrukteur. Immer durchhalten, nie aufstecken, wenn es anstrengend wird. Es geht bergauf, aber irgendwann geht es auch wieder bergab. „Es geht. Es muss gehen. Du lernst im Sport eine gewisse Härte“, sagt Krautscheid. Er kann sich richtig in Rage reden, wenn es um Dinge geht, die ihm am Herzen liegen.

Krautscheid stellt Rahmen her, die auf einen bestimmten Körper abgestimmt sind. Er vergleicht seine Arbeit mit der Tätigkeit eines Schneiders, der einen Maßanzug fertigt. Was für den Schneider Seide oder Baumwolle ist, sind für Krautscheid Stahl und Aluminium. Das Material bezieht der 1942 geborene Firmeninhaber von einem Betrieb aus Italien: Rohre, die er schneidet, fräst und lötet. Über 100 Rahmen pro Jahr produziert der Bochumer, etwa 40 komplette Räder, wobei er die Zahnräder, Tretlager, Bremsen, Schaltungen und Pedale zugeliefert be­kommt.

In der Vergangenheit habe er deutlich mehr Rahmen gebaut, erzählt Krautscheid. Im Laufe seines Lebens seien es schätzungsweise mehr als 10 000 Exemplare gewesen. Tagelang habe er allerlei ausprobiert und getüftelt, das Entscheidende aber sei: „Ein Rahmenbauer muss Rennen gefahren sein. Er muss wissen, was er macht.“

„Anders als bei Opel“

Wenn ein Rahmen fertig ist, behält er das Stück gerne noch ein paar Tage in seiner Werkstatt. Er hat einfach Spaß daran, das eigene Werk zu betrachten. „Das ist ja anders als bei Opel, wo man am Band steht und immer die gleiche Schraube zieht.“

Ein maßgefertigter Rahmen kostet indes etwa so viel wie ein kleiner Gebrauchtwagen. Die Preise beginnen bei 1800 Euro. Dafür verspricht Krautscheid überdurchschnittlich lange Haltbarkeit: „Da kannste 20 Jahre mit fahren. Da passiert nix“, sagt er. „Das ist eher ein Mercedes als ein Kadett.“

Stolz zeigt Günter Krautscheid Postkarten von Kunden, die mit seinen Fahrrädern um die Welt reisen. Und er beteuert: „Reich werden Sie mit dem Geschäft nicht.“ Ans Aufhören will der Bochumer Unternehmer indes nicht denken, auch wenn sein Sohn womöglich irgendwann den Betrieb übernimmt: „Das Schlimmste ist doch, wenn jemand Rentner wird und dann zu Hause nur noch die Fliegen an der Wand anguckt.“