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Arbeiten im Tiefkühlfach: Im Kältelager von Havi in Duisburg

Arbeiten im Tiefkühlfach: Im Kältelager von Havi in Duisburg

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Foto: Lars Heidrich
Eine frostige Atmosphäre sollte am Arbeitsplatz nicht der Normalzustand sein. Im Kältelager von Havi in Duisburg schon. 60 Minuten bei minus 23 Grad Celsius

Duisburg. 

Kleine weiße Wölkchen wabern durch die Luft, wenn Andreas Reinbold ein- und ausatmet. Das Gesicht brennt, die Nase zwickt. Ohne Handschuhe, Mütze und Schutzkleidung wäre es nicht auszuhalten. Minus 23 Grad Celsius zeigt das Thermometer im Tiefkühllager von Havi in Duisburg.

„Wenn man sich bewegt, ist es gar nicht so schlimm“, sagt Reinbold und hievt ein Paket mit Hähnchen-Nuggets aus dem Regal. Der 32-Jährige arbeitet als Kommissionierer für den Logistikriesen. Er könnte auch ein erfolgreicher Tetrisspieler sein – so schnell und geschickt, wie er die Kartons auf der Europalette hin- und herschiebt, um Platz fürs Geflügel zu schaffen.

Serie 60 MinutenAndreas Reinbold scannt einen Barcode im Regal, in dem weitere tausend Nuggets lagern. Grünes Licht. Es piept. „Weiter geht’s“, sagt er und schwingt sich auf den Sitz seines Gabelstaplers. Jetzt die Pommes. Reinbold blickt auf den kleinen Bildschirm vor seinem Lenkrad. „Acht Pakete brauchen wir davon“, sagt er. Als alles verstaut ist, wendet er den Gabelstapler und biegt in den nächsten Gang ein.

Neben Reinbold arbeiten etwa 20 weitere Männer im Kühlbereich des Lagers an der Hochstraße. Trotzdem ist es ungewohnt still in der 2000 Quadratmeter großen Halle. Vielleicht ist es die Kälte. Ab und zu ist Musik zu hören. Im Radio läuft Clueso.

Es gebe zwei Gruppen von Mitarbeitern, sagt Havi-Geschäftsführer Torsten Oldhues: „Die einen möchten unbedingt im Kühlhaus arbeiten, die anderen überhaupt nicht.“ Andreas Reinbold scheint die Kälte zu mögen. Was ihn an der Arbeit im Eisfach reizt? „Ich stehe immer vor neuen Herausforderungen“, sagt der 32-Jährige.

Das Gesicht glüht, die Nase läuft

Im Sommer kann der Temperaturunterschied zwischen drinnen und draußen 50 Grad Celsius betragen. „Das merke ich dann schon“, sagt Reinbold. Erkältet habe er sich aber noch nie. „Ich habe gute Abwehrkräfte.“ Irgendwie sei er auch an die Kälte gewöhnt – schließlich komme er gebürtig aus Kasachstan. „Da kann es auch so kalt sein wie hier drin.“ Seit Anfang der neunziger Jahre ist Reinbold in Deutschland. Seine alte Heimat besucht er hin und wieder. „Ich mache aber auch gerne Urlaub im Warmen“, sagt er und lächelt.

Reinbold nimmt eine Rolle mit Folie in die Hand und geht um die Palette mit den Kartons. Einmal, zweimal, dreimal. „So bleibt alles sicher und übersichtlich verpackt“, sagt er, richtet seine Mütze und schiebt die fertig beladene Palette mit dem Gabelstapler in ein Regalfach unten auf dem kalten Steinboden.

Um 18.37 Uhr wird sie ein Lastwagen abholen und zu einer der 1400 McDonald’s-Filialen in Deutschland bringen, die Havi beliefert. Das steht auf einem Zettel, der über dem Regalfach klebt. „Alles ist genau geplant“, sagt der Kommissionierer.

Er tippt auf den Bildschirm an seinem Gabelstapler. Der nächste Auftrag wartet. Pro Tag erledigt Reinbold bis zu 20 Aufträge. Jeder besteht aus etwa drei Paletten. Zu den Kunden von Havi gehört nicht nur McDonald’s – auch Nordsee, Kentucky Fried Chicken und Vapiano erhalten ihre Ware über das Logistikunternehmen.

Den ganzen Tag Burgerbrötchen, Hähnchen-Nuggets und Pommes vor der Nase: Bekommt er da nicht Hunger? „Doch schon“, sagt Reinbold. Er lacht. Ein gutes Stichwort, denn er hat Pause. Wer im Tiefkühllager arbeitet, darf sich öfter im Gemeinschaftsraum aufwärmen. Der normale „Kühlbereich“ würde vermutlich schon reichen: Nach einer Stunde bei minus 23 Grad sind die vier Grad die reinste Sauna. Das Gesicht glüht, die Nase läuft. Tauwetter. Mitten im Sommer. Mitten im Ruhrgebiet.