Die Zahl der verstorbenen Schlaganfallpatienten ist in Mülheim innerhalb von zehn Jahren von 132 auf 83 pro Jahr gesunken. Mediziner nennen zunehmende Sensibilisierung und Aufklärung durch groß angelegte Informationskampagnen als Ursachen. Hinzu kommen verbesserte Behandlungsmethoden.
Mülheim.
In Mülheim ist die Zahl der Menschen, die an den Folgen eines Schlaganfalls verstorben sind, in den letzten zehn Jahren von 132 auf 83 zurückgegangen. Diese Zahl überrascht, wenn man weiß, dass Mülheim, wo rund 30 Prozent der Bürger über 60 sind, eine vergleichsweise alte Stadt ist.
Wenn man den niedergelassenen Allgemeinmediziner und Internisten Uwe Brock und den kardiologischen Chefarzt des St. Marien Hospitals, Heinrich Wienecke, nach den Ursachen für diese Entwicklung fragt, nennen sie vor allem die zunehmende Sensibilisierung und Aufklärung und verbesserte Behandlungsmethoden.
Handbuch zur Behandlung von Schlaganfällen
Beide Mediziner verweisen in diesem Zusammenhang unter anderem auf die Informations- und Öffentlichkeitsarbeit des 2007 von Klinikärzten, niedergelassenen Medizinern und Rettungsdiensten gegründeten Mülheimer Schlaganfallverbundes. Das von diesem Fachverbund herausgegebene Handbuch zur Behandlung von Schlaganfällen ist zum griffbereiten Standardwerk geworden.
Als entscheidend sehen Brock und Wieneke aber den Umstand an, dass Mediziner und medizinische Laien Symptome, wie Lähmungen, Gefühls,- Seh- und Sprachstörungen, Vorhofflimmern oder mit Koordinationsproblemen verbundene Verwirrtheitszustände heute schneller als möglichen Hinweis auf einen Schlaganfall werten und die Betroffenen sofort ins Krankenhaus bringen lassen.
Blutgerinsel sind Auslöser der meisten Schlaganfälle
„Zeit ist Gehirn“, sagt Wieneke und weist darauf hin, dass man in den ersten viereinhalb Stunden nach einem Schlaganfall Störungen noch beheben kann. Eine Möglichkeit ist das vor etwa zehn Jahren entwickelte Lyse-Verfahren, das mit einem stark blutverdünnenden Medikament Blutgerinnsel auflösen kann, die in 85 Prozent der Fälle die eigentlichen Auslöser des Schlaganfalls darstellen. Doch in 15 Prozent der Fälle ist eine Gehirnblutung die Ursache, die je nach Umfang durch einen neurochirurgischen Eingriff behoben werden muss.
Um Ursache und Charakter eines Schlaganfalls herauszufinden, wird nach der Einlieferung des Patienten eine computertomografische Aufnahme gemacht. Es geht vor allem darum Hirnblutungen oder große Blutgerinnsel, bei denen das medikamentöse Lyseverfahren nicht greifen würde, auszuschließen.
Durch eine Datenverbindung mit der Stroke Unit, der Schlaganfalleinheit, am Universitätsklinikum Essen, können sich die dortigen Neurologen und Schlaganfallexperten mit ihren Kollegen im St. Marienhospital zeitgleich das Gehirn eines Schlaganfallpatienten anschauen und sofort entscheiden, was zu tun ist. „Das klappt auch noch nachts um zwei Uhr“, unterstreicht Wieneke. Er freut sich, dass die Zeiten, in denen die Röntgenbilder von Schlaganfallpatienten noch mit dem Taxi zu Spezialisten gebracht werden mussten, Vergangenheit sind.
Lysetherapie nicht in allen Fällen hilfreich
Wienekes internistischer Chefarztkollege aus dem Evangelischen Krankenhaus, Philip Helgard, weist darauf hin, dass nur in etwa 15 Prozent der Fälle eine medikamentöse Lysetherapie greift, weil Schlaganfallpatienten, die bereits blutverdünnende Medikamente einnehmen, damit nicht behandelt werden dürfen, um eine Gehirnblutung zu verhindern. Größere Blutgerinnsel müssten dagegen spätestens sechs Stunden nach dem Schlaganfall mechanisch und minimal invasiv entfernt werden muss.
Helgard schätzt, dass in etwa der Hälfte der Fälle, die mit dem Verdacht auf Schlaganfall ins Krankenhaus kommen, am Ende kein Schlaganfall diagnostiziert wird, sondern eine transistorisch-ischämische Attacke mit schlaganfallähnlichen Symptomen. In diesen Fällen kann der Kreislauf die kleinen Gerinnsel selbst auflösen und damit die Störungen schnell wieder verschwinden lassen.