Vier Essener Krankenhäuser konkurrieren um Brustkrebs-Patientinnen. Ein Landes-Bescheid, der zweien das Prädikat entzog, führt jetzt zur Eskalation.
Essen.
Wo ist man besser aufgehoben im Fall von Brustkrebs, der operiert werden muss? In einer Klinik wie dem Huyssensstift, in der 500 Primär-Eingriffe pro Jahr vorgenommen werden oder in kleineren Häusern, die geringere Fall-Zahlen und weniger Erfahrung mit vorgeblich mehr Individualität wettmachen wollen? Das Land NRW hat diese Glaubensfrage indirekt klar beantwortet und gegen die kostenintensive Vielfalt in Essen ein Zeichen gesetzt: Dem Elisabeth- und dem Alfried-Krupp-Krankenhaus wurde der Status als „Brustzentrum“ entzogen, die Häuser sollen künftig keine Primär-OPs mehr vornehmen und sind dem Huyssensstift (Kliniken Essen-Mitte) nur noch als „Kooperationspartner“ zugeordnet.
Die faktische Degradierung hat das Klima zwischen den vier heftig konkurrierenden Essener Häusern nicht verbessert. Während Horst Defren, umtriebiger Geschäftsführer des Huyssensstift, sich in seiner Spezialisierungsstrategie bestätigt sieht, wollen sich die beiden unterlegenen Häuser juristisch gegen den „Feststellungsbescheid“ des Landes wehren.
Land setzt 100 Fälle als Vorgabe für das Prädikat Brustzentrum
„Jeder Fall ist anders. Es sagt nichts über medizinische Qualität aus, wenn man unter 100 Primär-Operationen pro Jahr bleibt“, sagt Anette Ehrke-Schön, Sprecherin des Krupp-Krankenhauses. Das Land setzt 100 Fälle als Vorgabe für das Prädikat Brustzentrum, bei Krupp (80) und im Elisabeth (62) war man 2013 klar darunter. Im Uniklinikum, das weiter Brustzentrum bleibt, griffen die Operateure 200 Mal zum Skalpell, im Huyssensstift aber 484 Mal – „und im Jahr 2014 sind es über 500 Fälle“, so Defren nicht ohne Genugtuung. Dass es zwischen Fallzahl – also Größe des Hauses – und medizinischer Qualität keinen Zusammenhang gebe, ist eine Logik, der er nicht folgen mag. „In der Onkologie verdoppelt sich alle zwei Jahre das Wissen.“ Nur große Fachabteilungen wie seine hätten die finanzielle Potenz, um in allen Teildisziplinen auf dem neuesten Stand zu sein. Klein, aber fein – „das ist für mich antiquierte medizinische Denke“, sagt Defren, der einen Ruf als streitbarer Krankenhaus-Manager genießt. „Jeder mag überlegen, ob er sich im Zweifel lieber von Ärzten mit weniger oder mit mehr Erfahrung behandeln lässt.“
Das Huyssensstift sei zudem mit gutem Beispiel vorangegangen: „Wir haben unsere Geburtshilfe vor Jahren geschlossen, als wir sahen, dass wir auf Dauer gegen das Elisabeth-Krankenhaus keine Chance haben würden.“ Solche Einsicht in den Segen der Spezialisierung würde sich Defren nun auch von anderen Essener Häusern wünschen, die ihre operativen Kapazitäten als Brustzentren bitteschön aufgeben sollten. „Das kann man nicht vergleichen“, hält Anette Ehrke-Schön dagegen. Die Geburtshilfe sei aufwendig, aber für die Krankenhäuser „nicht lukrativ“. Da falle ein Verzicht natürlich leicht.
Kampf um Marktanteile
Dass bei der Brustkrebs-Therapie und -Diagnostik ganz andere Erlöse winken, wurde nicht zuletzt durch den vermeintlichen Brustkrebs-Skandal um den Essener Radiologen Dr. Karlgeorg Krüger deutlich. Indizien sprechen dafür, dass der Kampf des Huyssensstift um Marktanteile beim Entstehen des „Skandals“ eine gewisse Rolle spielte. Was nichts über die Qualität aussagt. Fachleute, denen der Ehrgeiz Defrens auf die Nerven geht, loben zugleich das medizinische Niveau in seinem Brustzentrum, das der ebenfalls hochambitionierte ärztliche Direktor Dr. Sherko Kümmel leitet.
Geld spielt bei der Zertifizierung als NRW-Brustzentrum auch eine Rolle – aber keine sehr große. „Der Zuschuss des Landes beträgt 400 Euro pro Fall“, sagt Defren im „Besser als nichts“-Tonfall. Letztlich ist es das Signal und der Titel, die zählen, wenn auch Anette Ehrke-Schön bemerkt, dieser sei „nicht geschützt“ und könne auch von anderen Institutionen vergeben werden. Schließlich habe man mit Chefärtin Prof. Regine Gätje eine erfahrene Operateurin, die genau dies auch bleiben werde. „Ein Ausstieg ist ausgeschlossen“. Durchhalteparolen auch im Elisabeth-Krankenhaus: „Wir halten an unserem integrierten Verständnis von Frauenklinik fest“, sagt Sprecherin Dorothee Renzel.
Den kleinen Häusern wird der Zuschuss zwar fehlen, erzwingen kann das Land Schließungen aber übrigens nicht. Da ist das komplexe deutsche Gesundheitssystem vor.