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Wie ein Essener Gymnasium auf teure Taschenrechner verzichten kann

Essener Gymnasium verzichtet auf teure Taschenrechner

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Als eine von nur vier Schulen in NRW hat das Krupp-Gymnasium beschlossen, nicht die umstrittenen Taschenrechner anzuschaffen, die das Land vorschreibt. Ein Mathe-Lehrer programmierte in seiner Freizeit eine Alternative.

Essen. 

Dies ist eine Geschichte von landesweiten Erlassen für das Schulwesen und von privater Leidenschaft. Es geht um ein Gesetz, das in diesem Schuljahr gültig wurde. Alle Oberstufen im Land sollen in Mathe grafikfähige Taschenrechner benutzen, entschied das Schulministerium in NRW. Weil es viel Kritik gab, wurde am Gesetz nachgebessert: Wenn Schulen nicht wollen, können sie auch Computer mit entsprechenden Programmen benutzen. Bloß: Wie das gehen soll, sagte das Land nicht.

Die grafikfähigen Taschenrechner kosten mindestens 90 Euro. Kritiker bezeichnen sie als technisch veraltet. An der Uni sind sie nicht zugelassen. Das heißt: „Er ist teuer, aber nur kurz brauchbar“, sagt Michael Saul (31). Er unterrichtet Mathe und Informatik am Alfred-Krupp-Gymnasium in Frohnhausen. Der Schulleiter Berthold Urch sagt: „Etwa vierzig Prozent unserer Oberstufenschüler kommen aus einfachen Verhältnissen.“ Der Erlass habe im Lehrerzimmer nur für „Kopfschütteln“ gesorgt.

Schulcomputer werden mit Mathe-Programmen ausgerüstet

So entschied man sich in Frohnhausen als eine von vier Gymnasien in NRW, nicht die teuren Rechner anzuschaffen, sondern die Schulcomputer mit entsprechenden Mathe-Programmen auszustatten. Und Michael Saul wurde um seine Weihnachtsferien gebracht.

„Wir haben Desktop-Computer und Laptops, wir haben Rechner aus der Fachschaft Mathematik, und wir haben gespendete Geräte“, zählt Saul auf. „Alle mit unterschiedlichen technischen Voraussetzungen.“ Unabdingbar ist aber: Wer seine Schüler an Computern statt mit eigenen Taschenrechnern arbeiten lassen will, benötigt einen einheitlichen, technischen Standard. Und die Vorgaben des Landes müssen natürlich auch eingehalten werden. Die besagten: „Wir durften nicht einfach ein Programm auf den Rechnern installieren“, erzählt Saul. „Das Mathe-Programm muss aus Sicherheitsgründen auf einem eigenen Betriebssystem laufen.“

Ein eigenes Betriebssystem für die Schulcomputer

Und so programmierte der studierte Informatiker mal eben in seiner Freizeit, während der Winterferien, ein eigenes Betriebssystem, das jetzt zusätzlich zu „Windows“ auf den Schulcomputern installiert ist. Wie viele Stunden er damit verbracht hat? „Das kann ich nicht sagen“, meint der Lehrer. Alles musste selbstverständlich in Absprache mit dem Essener Systemhaus (ESH) erfolgen. Das ist die städtische Tochter, die sämtliche Schulcomputer betreut – und ein nachvollziehbares Interesse daran hat, dass ein stadtweiter Standard auf den Geräten eingehalten wird, dass nicht jede Schule an ihren Laptops herummanipuliert. „Da waren“, sagt Saul, „viele Gespräche nötig. Am Ende war man aber mit meinem Betriebssystem einverstanden.“

Ende Mai ist jetzt an der Krupp-Schule die erste Zentrale Prüfung in Mathe mit den neu programmierten Rechnern geschrieben worden. 92 Geräte mussten zeitgleich im Einsatz sein, ausgestattet mit dem Betriebssystem, das der Lehrer selbst programmiert hat. „So einer Herausforderung stellt man sich nur“, sagt Michael Saul, „wenn man eine gewisse Leidenschaft für das Thema hat.“ Und bereit ist, viel private Zeit zu opfern, um die Folgen von Landeserlassen abzuwenden, die einer gewissen Alltagsferne entspringen.